SPOX: In dem Moment, in dem Sie sich plötzlich nicht mehr auf dem Spielberichtsbogen wiederfanden, fühlten Sie sich da wie im falschen Film?
Raeder: Ich wusste gar nicht, wo ich stand, denn die Trainer haben zunächst überhaupt nicht mit mir darüber gesprochen. Das musste ich so hinnehmen und ich habe versucht, mich über gutes Training wieder zu empfehlen. Irgendwann habe ich dann das Gespräch gesucht und nachgefragt. Einen wirklichen Grund konnte mir der Trainer aber nicht nennen.
SPOX: Gerade für einen Torhüter muss das doch frustrierend sein.
Raeder: Besonders schön ist es natürlich nicht, der Trainer muss mir aber auch nicht alles erklären, was er tut. Er entscheidet so, wie er es für richtig hält. Trotzdem finde ich Feedback immer wichtig, denn nur so wird man wirklich besser.
SPOX: Wie empfanden Sie anfangs generell Ihr Standing im Team? Machte es sich bemerkbar, dass Sie vom FC Bayern kamen?
Raeder: Man hat auf jeden Fall gemerkt, dass es für die Leute etwas Besonderes war, dass ein Spieler von Bayern nach Setubal kommt - nicht nur innerhalb der Mannschaft, sondern im gesamten Umfeld. Die Erwartungshaltung war und ist immer noch sehr hoch. Ich denke aber, das sollte auch mein Anspruch sein.
SPOX: Wie unterscheiden sich Setubal und der FC Bayern gerade in Sachen Professionalität? Der FCB war vermutlich die reinste Verwöhnung?
Raeder: Natürlich hat der FC Bayern den Spielern viel abgenommen, sodass man sich eigentlich ausschließlich auf den Fußball konzentrieren konnte. Hier ist das natürlich etwas anders. Man ist mehr auf sich alleine gestellt. Es hat aber auch viele Vorteile, selbstständiger zu sein. Setubal hat mich menschlich auf jeden Fall weitergebracht. Das soll nicht heißen, dass ich bei Bayern unselbstständig war - ich habe mein Leben in München schon auf die Reihe gekriegt. (lacht)
SPOX: Der Abschied vom FC Bayern verlief für Sie sehr unglücklich. In der dritten Minute der Nachspielzeit unterlief Ihnen im Relegations-Rückspiel gegen Fortuna Köln ein Fehler, der letztlich dazu führte, dass die zweite Mannschaft des FCB den Aufstieg verpasste. Werden Sie diesen Moment immer mit dem Klub verbinden?
Raeder: Es war sehr ärgerlich, dass das in so einem entscheidenden Spiel passiert ist. Grundsätzlich muss man Fehler aber immer abhaken, wenngleich ich mich gelegentlich an das Spiel zurückerinnere. Wenn ich könnte, würde ich es gerne noch einmal anders machen, das wissen die Jungs auch. Mir hat keiner einen Vorwurf gemacht. Es ist auch nicht so, dass dieses Spiel in meinen Erinnerungen überwiegt. Dafür hatte ich zu viele positive Erlebnisse beim FC Bayern.
SPOX: Ihr auslaufender Vertrag wurde nach der Saison 2013/14 nicht verlängert. War das die Entscheidung des Klubs oder Ihre persönliche?
Raeder: Wir haben zusammen mit Matthias Sammer meine Situation analysiert. Es war abzusehen, dass Guardiola auch einen erfahrenen dritten Torhüter wollte. Mit der Aussage war für mich klar, dass es wenig Sinn machte, in München zu bleiben, sodass wir uns darauf geeinigt haben, den Vertrag nicht zu verlängern. Trotzdem habe ich viel aus der Zeit mitgenommen.
SPOX: Unter anderem auch zwei Bundesliga-Spiele für die Profis. Ihr Debüt gaben Sie, als Sie in der Allianz Arena zur Halbzeit gegen den BVB eingewechselt wurden. Das Spiel ging letztlich 0:3 verloren. War das eine sehr undankbare Premiere?
Raeder: Grundsätzlich war ich erst einmal überglücklich, dass ich mein erstes Bundesliga-Spiel bestreiten durfte. Natürlich wäre es schön gewesen, dieses auch zu gewinnen - gerade gegen Dortmund.
SPOX: Sie sagten einmal rückblickend, dass für Sie bei den Bayern alles so gelaufen sei, wie Sie es sich vorgestellt hatten. Hand aufs Herz: Sie haben sicher auch mal auf den Platz im Tor der Profis geschielt?
Raeder: Es war klar vorgezeichnet, dass ich in der U23 spielen würde. Ich bin vor allem zu den Bayern gekommen, um mit Manuel Neuer und den Profis zu trainieren und mich so weiterzuentwickeln. Es wäre vermessen gewesen, zu sagen: 'Ich will den Manu aus dem Tor verdrängen.' Wenn man Spielpraxis bei den Profis möchte, sollte man nicht unbedingt zum FC Bayern wechseln. Das weiß aber auch jeder, der dorthin wechselt.
SPOX: Wird es auch für Talente aus der FCB-Jugend immer schwerer, den dauerhaften Sprung zu den Profis zu schaffen - gerade als Torhüter?
Raeder: Definitiv, allein schon deshalb, weil das Niveau im Kader der Bayern in den letzten Jahren noch einmal gestiegen ist. Zudem hat der Verein die finanziellen Mittel, sich bereits fertige Spieler zu kaufen. Der FCB ist nicht auf Talente angewiesen - erst recht nicht darauf, diese zu entwickeln. Somit wird es für Nachwuchsspieler immer schwerer, oben mitzumischen. Eine Leihe über einen anderen Verein ist vielleicht der einzige Weg, es zu schaffen - so wie es Lahm oder Alaba gemacht haben und jetzt auch Pierre-Emile Höjbjerg. Man braucht einfach Spielpraxis auf hohem Niveau, um in so einer Mannschaft bestehen zu können. Die kann man in der U23 schwer sammeln.
SPOX: Ist es auch Ihr Ziel, eines Tages wieder in der Bundesliga zwischen den Pfosten zu stehen?
Raeder: Generell möchte ich auf jeden Fall irgendwann wieder zurück nach Deutschland oder vielleicht auch nach England. Das sind die beiden Länder, in denen mir der Fußball am besten gefällt und in denen das Umfeld sicher am professionellsten ist. Die Bundesliga ist mein langfristiges Ziel. Wie ich letztlich wieder dort lande, wird man sehen. Vielleicht ist es der nächste Schritt, vielleicht aber auch der übernächste oder der danach.
SPOX: Ihr Vertrag in Setubal läuft bis 2017. Gibt es denn schon eine Vorstellung, was darüber hinaus passiert?
Raeder: Das Geld zahle ich gerne ins Phrasenschwein, aber im Fußball ist es immer schwer zu sagen, was in der Zukunft passiert. (lacht) Das Geschäft ist sehr schnelllebig. Ich lasse mich überraschen, wie es weitergeht.
Lukas Raeder im Steckbrief