Dieter Hecking ist nicht dafür bekannt, lange um den heißen Brei zu reden. Auch hält Wolfsburgs Coach wenig davon, den Gegner da stärker zu reden, wo er es nicht war. Dieses Schicksal ereilte auch Inter Mailand, nachdem der VfL das Rückspiel im Giuseppe Meazza gewonnen hatte.
"Inter hat alles versucht, die Sache noch zu drehen. Wir hatten aber immer eine gute Antwort. Die Konkurrenz hat gemerkt, dass hier im Wettbewerb noch eine Mannschaft aus Deutschland dabei ist, die es zu beachten gilt", so die deutlichen und bestimmten Worte des Trainers bei Sky.
Heckings Aussage ist Ausdruck des Bewusstseins, aktuell berechtigterweise als internationaler Titelkandidat und national dauerhaft als Bayern-Jäger Nummer eins gehandelt zu werden - selbstbewusst, aber ohne dabei überheblich zu wirken.
Bislang größte Reifeprüfung
Nach Sporting hat man nun auch Inter aus dem Wettbewerb geworfen - Mannschaften, die in den letzten Jahren zu den stärksten in Europa zählten, und die auch in dieser Saison dank ihrer noch klingender Namen absolute Titelanwärter in der Europa League waren. Entsprechend stolz ist man in Wolfsburg - verdientermaßen.
"Die Spiele gegen Sporting und Inter haben gezeigt, wozu wir in der Lage sind. Wir brauchen vor niemandem Angst zu haben. In den letzten Monaten konnten wir die Vorgaben des Trainers sehr gut umsetzen. Das ist eine Entwicklung, die stetig vorangetrieben wurde", schlug auch Keeper Diego Benaglio in die gleiche Kerbe wie Hecking.
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Dabei geht die Entwicklung, die Benaglio anspricht, weit über Tabellenplätze oder Pokalrunden hinaus: Denn im Auswärtsspiel bei Inter legten die Wölfe ihre bislang größte Reifeprüfung ab. Der Hurra-Fußball und das Offensivspektakel der letzten Wochen sind das eine - viel beeindruckender war jedoch, mit welcher Souveränität und Abgeklärtheit Heckings Elf den Mailändern den Zahn zog.
Im Stile einer Spitzenmannschaft
"Respekt sollten wir haben, aber keine Angst", hatte der junge Innenverteidiger Robin Knoche vor dem Spiel gesagt. Phrasen, die man zuletzt auch vom BVB oder aus Leverkusen vernehmen konnte. Der große Unterschied ist jedoch: Wolfsburg blieb dieser Linie auch treu - im Stile einer Spitzenmannschaft.
Gerade in der Anfangsphase, in der Inter mit viel Tempo in die Wolfsburger Hälfte drängte, bewahrten die Gäste große Ruhe und schafften es dadurch, sich mit geduldigem Passspiel selbst vom Druck der Mailänder zu befreien - eine Qualität, die viel Vertrauen in die eigene Stärke und vor allem eine führende Hand voraussetzt.
Die hat der VfL in Trainer Hecking, der den Spielern klare Ansagen mit auf den Weg gibt, und der auch nicht davor zurückschreckt, unpopuläre Personalentscheidungen im Team zu treffen - Schürrle, Perisic, Arnold oder auch Hunt können ein Lied davon singen.
"Größtes Kompliment für unsere Arbeit"
Entscheidend ist aber, dass Allofs und Hecking es geschafft haben, dass sich die Einzelnen ohne zu murren in den Dienst der Mannschaft stellen. Das ist gerade in einer Mannschaft mit großer individueller Klasse und hohem persönlichen Anspruch auf Einsatzzeiten nicht gerade einfach.
Entsprechend stolz war der Geschäftsführer, in Mailand nicht wieder die Namen de Bruyne oder Dost kommentieren zu müssen, sondern das Lob an vermeintliche Nebendarsteller zu verteilen: "Die Tore freuen mich ganz besonders für Nicklas und Cali", adelte Allofs Bendtner und Caligiuri: "Sie stehen nicht so im Fokus. Einige Namen wurden in den letzten Wochen deutlich häufiger genannt."
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Es ist diese Geschlossenheit, die den VfL auch in Europa zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten gemacht hat. "Wir brauchen uns auch vor großen Namen nicht mehr verstecken", sagte der 58-Jährige und stellte fest: "Inzwischen richten sich die Gegner oft nach uns aus. Das ist vielleicht das größte Kompliment für unsere Arbeit."
Anspruch ist Wirklichkeit
Verantwortliche und Spieler können ihre Leistung dieser Tage realistisch einschätzen - sowohl im Positiven als auch in den Bereichen, die noch Luft nach oben bieten. Der VfL weiß, was er kann, und sieht keinen Grund, diese Stärken zu relativieren. Es reift das Bewusstsein, ein anerkannter Titelkandidat zu sein - stets jedoch mit dem mahnenden Finger, noch nichts erreicht zu haben: "Wir dürfen nicht so vermessen sein, zu glauben, dass wir jetzt alle Spiele dominieren", so Allofs.
Selbst wenn der VfL in dieser Saison leer ausgeht, so hat er in den letzten Wochen und Monaten doch schon einiges gewonnen, das für die Zukunft Großes erwarten lässt: Ein stabiles Gerüst, das auf der Basis von harter Arbeit und hoher Souveränität entstanden ist.
Wenn es um das Verhältnis von Anspruch zu Wirklichkeit geht, gibt es in Deutschland - und auch in Europa - außer den Bayern derzeit wenige Teams, die so zufrieden sein können wie der VfL. Die Abgeklärtheit, mit der Heckings Elf Inter aus dem Wettbewerb warf, ohne dabei zu glänzen, zeigt das deutlich. Aus diesem Grund ist sich auch der unterlegene Roberto Mancini sicher: "Wolfsburg ist der Titel in jedem Fall zuzutrauen. Sie sind bereit dafür."
Inter Mailand - VfL Wolfsburg: Die Statistik zum Spiel