"Es ist ein guter Tag für Eintracht Frankfurt." Es hat einige Jahre gedauert, bis dem sonst so zurückhaltenden Heribert Bruchhagen diese Worte über die Lippen kamen. Am 18. August 2013 war es soweit.
Eintracht Frankfurt hatte nicht etwa eine unverhoffte Finanzspritze erhalten, im Gegenteil: Die Eintracht gab 3,2 Millionen Euro für einen einzigen Spieler aus. Nicht gerade Bruchhagens Paradedisziplin. Aber mit dem Transfer von Vaclav Kadlec beendete die Eintracht eine zähe Hängepartie.
So saßen an besagtem 18. August der Vorstandsvorsitzende, Manager Bruno Hübner und Trainer Armin Veh mit einem breiten Lächeln auf der Pressekonferenz und präsentierten ihren Königstransfer der Saison 2013/2014.
"Das ist der Stürmer, der es mir wert ist, dass wir uns so lange um ihn bemüht haben", erklärte Veh stolz.
Kampf um den Abschied
Schon früh in der Sommerpause hatte der Trainer erklärt: "Kadlec oder keinen". Ganz nach Vehs Art eben. Der Frankfurter Fußballlehrer hat seit seinem Amtsantritt bei der Eintracht immer klar seine Meinung zu möglichen Neuverpflichtungen geäußert. So auch beispielsweise zu Jan Rosenthal, den Veh schon auf seinen früheren Stationen gerne geholt hätte.
Bei Kadlec musste Veh jedoch mächtig kämpfen. Sparta Prag wollte das große Talent nicht einfach ziehen lassen. Der tschechische Verein machte seine sportliche Entwicklung davon abhängig, ob Kadlec den Verein verlassen dürfe oder nicht.
Im August scheiterte Sparta dann in der Qualifikation für die Gruppenphase der Europa League - zur Freude der Frankfurter. Einem Wechsel stand nichts mehr im Weg.
"Es war sehr schwierig für mich, weil ich nicht wusste, wie meine Zukunft aussieht. Ich musste für Sparta spielen und habe gleichzeitig an Frankfurt gedacht."
Dass ihn seine Landsleute nicht gehen lassen wollten, versteht er im Nachhinein: "Sparta wollte mich aus sportlichen Gründen behalten." Aber: "Mein Manager hat mit unserem Präsidenten gekämpft, dass ich doch weg durfte. Die Bundesliga war immer mein Ziel, dort will ich mich weiterentwickeln, um den nächsten Schritt in der Karriere zu machen. Ich habe schon als Kind davon geschwärmt."
Perspektivische Verpflichtung
Es sollte eine Verpflichtung für die Zukunft werden. "Er ist erst 21 Jahre alt. Wir sollten keine Dinge erwarten, die er nicht leisten kann. Seine Verpflichtung ist perspektivisch, auch wenn er uns kurzfristig helfen kann", erklärte Veh schon, bevor der Deal perfekt war.
Und dennoch spielte sich Kadlec sofort in die Startelf der Eintracht und wurde mit drei Toren in den ersten drei Partien den Ansprüchen sofort gerecht. Kadlec kam gerade recht, konnte er doch die Lücke im Offensivspiel schließen, die sich mit dem Ausfall der Allzweckwaffe Alex Meier aufgetan hatte.
Der Allrounder
"Er arbeitet sehr viel, ist viel unterwegs und ein sehr schneller und wendiger Stürmer. Auch im Kopfball ist er stark, obwohl er nicht sonderlich groß ist. Er ist ein Allrounder", charakterisierte Marco Russ den Neuzugang im Gespräch mit SPOX.
Auch die Integration ins Team gelang dem tschechischen Nationalspieler, trotz der Sprachbarriere, relativ schnell. "Er hat sich super eingefügt, ist voll integriert, das sieht man auch bei den Spielen", sagt Russ.
Dank weiterer Tore im DFB-Pokal, in der Liga und in der Europa League konnte man sich Kadlec kaum aus der Startelf wegdenken. Die Frankfurter Fans waren begeistert von ihrem Neuzugang.
Bloß kein Fenin
Bei der Eintracht hatte man sich mit dem Sturmpersonal zuletzt etwas schwer getan - oder die Stürmer mit Frankfurt. Theofanis Gekas, Martin Fenin, Srdjan Lakic und wie sie alle hießen: Sie wurden in Frankfurt nicht glücklich.
Kadlec' Landsmann Martin Fenin war auch als Hoffnungsträger nach Frankfurt gekommen, einem Bilderbuchstart folgte jedoch der sportliche Abstieg.
Auch bei Kadlec zeigte die Formkurve nach unten. Der Fenin-Vergleich drängte sich förmlich auf.
Zwar ist Kadlec mit vier Toren und drei Assists immer noch Frankfurts produktivster Angreifer, doch wie auch die restliche Mannschaft schien ihm die Dreifachbelastung zuzusetzen. Seit Oktober erzielte er kein Tor mehr. "Das konnte er nicht mehr verkraften", so Veh. "Er war nicht mehr so dynamisch, konnte seine Leistung nicht halten".
"Als Stürmer ist es immer schwierig, wenn man zwei, drei Spiele keine Tore schießt. Wir müssen schauen, dass wir ihm die Tore wieder auflegen. Man darf in einer Krise nicht alles an einem Stürmer festmachen", erklärte Tranquillo Barnetta gegenüber SPOX.
"Ganz anderer Typ als Fenin"
Von den Vergleichen mit dem unglücklichen Fenin will man in Frankfurt nichts wissen. Dafür seien schon die Charaktere zu unterschiedlich. "Kadlec ist ein ganz anderer Typ als Martin Fenin, der offener war. Er war der Witzbold in der Mannschaft. Vaclav ist eher der Ruhige. Er arbeitet hart an sich", erzählte Russ.
Deutlicher wird Veh: "Ich kenne auch die Vergleiche mit Martin Fenin. Aber das ist Blödsinn. Man sollte Menschen nie vergleichen, denn jeder ist anders."
Im Dezember hatte der Eintracht-Coach dann ein Einsehen und nahm den schwächelnden Kadlec aus der Mannschaft, zu dessen Schutz, aber auch zum Wohl der Mannschaft: "Es ist eine Entwicklung, die er mitmachen muss. Er muss sich durchbeißen, lernen körperbetonter zu spielen. Wenn man als Ausländer in die Bundesliga kommt, ist es nie einfach. Falls wir mehr Punkte gemacht hätten, wäre die Integration schneller vonstatten gegangen. Ein Jahr zuvor hätte er es einfach gehabt. Jetzt geht es für uns vor allem darum, Ergebnisse zu holen. Ich kann jetzt keine Experimente machen."
Und Veh forderte auch: "Wenn im Juli die neue Saison losgeht, dann muss er unsere Sprache besser können."
Entgegengesetzte Entwicklung zu Joselu
Für Kadlec war die Zurücksetzung eine ganz neue Erfahrung. Seine Laufbahn war bis dahin immer geradlinig verlaufen - und steil nach oben. In Frankfurt musste er sich plötzlich mit einem Platz auf der Bank anfreunden.
Der Spanier Joselu hatte ihm den Rang abgelaufen und wurde Vehs Stürmer Nummer eins. Auch das Trainingslager in Abu Dhabi in der Winterpause konnte daran nichts ändern.
Inzwischen sieht es so aus, als seien Vehs Maßnahmen von Erfolg gekrönt. Kadlec schuftet seit dem Jahreswechsel für sein Comeback und folgt einem speziell für ihn entwickelten Trainingsprogramm, um seine körperlichen Defizite auszugleichen.
"Er ist wieder spritziger und sehr agil. Ich denke, er ist so weit, um uns helfen zu können", sagte Veh Anfang Februar vor dem Spiel gegen Braunschweig. Kadlec erzielte zwar kein Tor, stand aber seinen Mann in einer guten Frankfurter Mannschaft, die einen klaren 3:0-Erfolg einfuhr.
Kadlec hat Charakter gezeigt und eine professionelle Reaktion auf seinen ersten Rückschlag in der neuen Heimat gezeigt. "Er kann ein erstklassiger Spieler werden. Dabei bleibe ich", sagt ein zufriedener Armin Veh und weicht keinen Millimeter davon ab, dass jener 18. August ein guter Tag für Eintracht Frankfurt war.
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