"Oder jemand vom BVB liest das und beweist ein großes Herz!" - Kultkeeper will unbedingt im Stadion von Borussia Dortmund spielen

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Torhüter Martin Männel von Erzgebirge Aue ist der dienstälteste Profifußballer Deutschlands. Seit 2008 riss der 36-Jährige, der schon als "Buffon des Erzgebirges" bezeichnet wurde, bislang 532 Partien für den aktuellen Drittligisten ab.

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Im Interview spricht Männel über seine Rekorde und die große Identifikation für den Arbeiterverein Aue, das Fernstudium zum Sportjournalisten und seine innige Liebe zum BVB. Der Keeper schwärmt zudem von Domenico Tedesco und erklärt, warum Niclas Füllkrug erheblichen Einfluss auf den Verlauf seiner Karriere hatte.

Herr Männel, Sie haben vor einiger Zeit bei der IST-Hochschule für Management ein Fernstudium absolviert und dürfen sich nun Sportjournalist nennen. Welche Schlagzeile möchten Sie in diesem Interview nicht über sich lesen?

Martin Männel: Da habe ich gerade keine konkrete im Kopf. Ich fände es aber toll, wenn mich der Leser anschließend für bodenständig und sympathisch hält.

Als Sie mit 13 Jahren zu Energie Cottbus wechselten und dort in der Sportschule waren, war eine Ihrer Aufgaben, die Ereignisse bei den Turnieren mit der Landesauswahl niederzuschreiben. Auch in Ihrer Schulzeit sollen Sie gerne geschrieben haben. Woher rührt diese Leidenschaft?

Männel: Meine Deutschlehrerin in der Grundschule war sicherlich ausschlaggebend. Ich habe schon früh Briefe mit meinen Klassenkameraden ausgetauscht, die meine Eltern immer noch auf Fehler gegenlesen mussten. Auch später in Cottbus fand ich das klasse, so kreativ zu schreiben. Durch den Fußball ist es jedoch weniger geworden.

Heißt das also, Sie werden nach Ihrer Karriere - sollte sie jemals enden - als Sportjournalist aktiv sein?

Männel: Ich habe mich noch nicht final entschieden. Es gibt drei, vier Optionen für mich, aber vielleicht wird es auch eine Kombination aus zwei verschiedenen Dingen. Das werde ich durchdenken, wenn der Zeitpunkt wirklich da ist.

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Wo wird in Ihren Augen der beste Sportjournalismus gemacht und warum ist es bei SPOX?

Männel: (lacht) Ich finde, das lässt sich pauschal nicht beantworten. Es gibt gute und weniger gute Journalisten. Man merkt, wenn jemand viel Aufwand betrieben hat, um die Themen sauber zu recherchieren oder ein tiefgründiges Interview zu führen. Es hängt auch mit der Einstellung und dem Enthusiasmus gegenüber dem Beruf zusammen.

Haben Sie Verständnis dafür, dass viele Spieler fast ausschließlich Belangloses von sich geben oder Interviews bei der Autorisierung durch die Vereine stark verändert werden?

Männel: Eigentlich nicht. Ich bin ein Freund davon, Dinge klar beim Namen zu nennen. Man ist von medialer Seite zuletzt dazu übergegangen, Halbsätze aus dem Kontext zu reißen und sich darauf zu stürzen, obwohl der gesamte Satz relativierend wirken würde. Das ist insgesamt, also auch das Nichtssagende von Spielerseite, eine bedauerliche Entwicklung.

In jüngerer Vergangenheit entwickelte sich mit dem sogenannten Transfer-Journalismus eine Art neue Gattung. Wären Sie auch mal gerne eine halbe Sommerpause lang Gegenstand wildester Spekulationen und Gerüchte, nur um einmal zu erfahren, wie sich das anfühlt?

Männel: Nein. Darauf kann ich sehr, sehr gut verzichten!

Sie sollen auch seit etwa 2010 kommerziell Webseiten programmieren. Was hat es damit auf sich?

Männel: Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für Computer und Fremdsprachen wie Englisch und Französisch. Das hat mir auch das Programmieren leicht gemacht. Ich habe mir das irgendwann selbst beigebracht. Danach habe ich begonnen, Webseiten zu erstellen und hatte Kunden wie Rechtsanwälte, Steuerberater oder Consulting-Firmen. In der Lage zu sein, Funktionen und Aussehen zu ändern oder neue Programmiersprachen zu lernen, macht mir sehr viel Spaß. Das ist gerade auf langen Busfahrten zu Auswärtsspielen eine gute Beschäftigung.

Busfahrten zu Auswärtsspielen gibt es für Sie nun in der 17. Saison im Erzgebirge in Folge. Damit sind Sie der dienstälteste Spieler in einem Profikader innerhalb der ersten drei deutschen Ligen. Seit Februar 2021 sind Sie Auer Rekordspieler, derzeit stehen Sie bei 532 Partien und 159 weißen Westen. Seit 2015 tragen Sie die Kapitänsbinde, 2017 bezeichnete Sie der damalige Präsident Helge Leonhardt als "Buffon des Erzgebirges". Wie stolz macht Sie all das?

Männel: Ich bin stolz auf meine Mannschaft und mich, wenn wir ein Spiel gewinnen. In zehn, 15 Jahren werde ich vielleicht auch mal auf diese Statistiken und Nebengeräusche stolz sein können. Wenn man mitten drin steckt, denkt man eher: Das ist halt einfach mein Job, andere arbeiten seit 20 Jahren im Supermarkt. Für mich ist das aktuell daher nicht wichtig und auch ganz schwer zu greifen. Ich will ja auch, dass da noch ein paar Spiele hinzukommen.

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2007 standen Sie bei der U19-EM für Deutschland im Tor und bekamen den Vorzug vor Sven Ulreich und Ralf Fährmann. Zusammen mit Spielern wie Jérôme Boateng, Benedikt Höwedes, Mesut Özil, Max Kruse oder Nils Petersen erreichte man das Halbfinale. Für Matthias Sammer waren Sie zu jener Zeit eine der größten Torhüter-Hoffnungen in Deutschland. Macht es Sie wehmütig, wenn Sie auf die Karrieren der damaligen Mitspieler blicken und Sie selbst nie in der Bundesliga spielten?

Männel: Nein. Ich wäre rückblickend betrachtet nirgendwo gerne anders abgebogen. Ich weiß es sehr zu schätzen, bei einem von nur 56 deutschen Profivereinen Jahr für Jahr zwischen den Pfosten zu stehen. Das ist eine Leistung und nicht selbstverständlich. Ich bin dankbar und glücklich, dass es so funktioniert hat. Man muss aber sagen: Wäre ich mit ein paar Zentimetern Körperlänge mehr gesegnet worden, hätte es vielleicht auch mit der 1. Bundesliga geklappt.

Gerade zu Beginn Ihrer Karriere begleiteten Sie längere Zeit Diskussionen um Ihre Körpergröße von 1,84 Metern. Würden Sie sagen, dass es eine speziell deutsche Eigenart ist, dies bei Torhütern so zum Thema zu machen?

Männel: Ja. Das ist natürlich schade, weil es auch das Einzige ist, das ich nicht selbst beeinflussen kann. Mein Berater hat damals mit einigen Klubs aus der 1. Liga gesprochen. Die Aussage, ich wäre zu klein, hörten wir in der Tat häufiger. So ist man am Ende dann doch immer wieder von einer Verpflichtung abgerückt. Ich hätte selbstverständlich gerne in der Bundesliga gespielt, aber da ist kein weinendes Auge dabei.

Wann hatten Sie sich damit abgefunden?

Männel: Der Grund für meinen Abgang aus Cottbus - damals ja noch Erstligist - war, dass Trainer Bojan Prasnikar zu mir sagte: 'Du wirst keine große Rolle spielen, weil du mir für einen Torhüter zu klein bist.' Das hat auch dazu geführt, dass ich mich ein Stück weit damit abgefunden habe. Mir wurde dadurch bewusst, dass ich dann eben mehr an anderen Fähigkeiten zu arbeiten habe.

Sie haben einmal gesagt, dass Ihnen eine "relativ konkrete Anfrage" aus der Bundesliga vorlag, "die eine große Möglichkeit auf Einsätze geboten hätte". Sie hätten dabei aber zunächst um den Platz als Nummer zwei oder drei gekämpft.

Männel: Ich werde den Verein niemals nennen. Es gab dort einen Stammtorwart und eine Nummer zwei, mit der man nicht so ganz zufrieden war. Dazu sollte ein dritter Torhüter kommen. Der war als Nummer drei gedacht, hätte bei entsprechender Leistung aber auch in der Hierarchie nach vorne rücken können. Am Ende hat sich der Stammtorhüter relativ schnell verletzt. Der Nummer zwei wurde dann nicht vertraut, so dass der Neue plötzlich im Kasten stand.

Hätten Sie dort nicht auch viel mehr verdienen können?

Männel: Ja, das hätte sich sehr gelohnt. Mein Anspruch war aber in dem Alter, Woche für Woche zu spielen - und das wäre dort erst einmal nicht der Fall gewesen. Vermutlich hat auch ein wenig die Risikofreude gefehlt.

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Wie oft gab es ansonsten Angebote für Sie?

Männel: Mein Berater wusste genau, was für mich interessant ist und was nicht. Das Ausland war nie ein Thema. Es gab diese Sache, die ich gerade erzählte und über die ich auch nachgedacht habe. Dann gab es noch eine Anfrage eines anderen Zweitligisten. Darüber haben wir vielleicht zehn Minuten gesprochen und dann hatte sich das wieder erledigt.

Als Sie 2008 nach Aue gingen, lautete aufgrund Ihrer Einsätze in der U19 eine der Schlagzeilen: "Nationalspieler im Veilchen-Tor". Bei Ihrem ersten Auftritt, einem Testspiel in Oelsnitz, standen Sie jedoch mit überklebtem Namen im Kasten. Was war da genau los?

Männel: Das hatte einen simplen Grund: Es gab einen Sponsorenwechsel, doch der Vertrag mit dem alten Sponsor ging noch bis Ende Juni. Das Testspiel war aber vorher. Es hätte ja keinen Sinn ergeben, die neuen Trikots mit dem alten Sponsor zu beflocken. Wir haben daher für die Torhüter die alten Trikots genommen und die Namen überklebt. Die Feldspieler trugen Trikots ohne Namen.

Wann und wie entstand denn die große Identifikation mit Aue? Können Sie das konkret benennen?

Männel: Das kam durch das Aufstiegsjahr 2010 und die Resonanz in der Region. Wir hatten zuvor nach dem Abstieg ein schwieriges erstes halbes Jahr. Die Leute waren daher tierisch dankbar, dass wir den anhaltenden Negativlauf beendet und uns regelmäßig voll reingehauen haben. Das gipfelte schließlich in der Aufstiegsfeier, wo die komplette Hauptstraße voll mit glückseligen Menschen war - für mich ein sehr schöner und entscheidender Moment. Auch im Alltag beim Bäcker, im Supermarkt oder an der Tankstelle hat man gespürt, dass die Menschen für den Verein brennen und buchstäblich ihr letztes Hemd für ihn geben. All das hat meine Liebe entfacht.

Seit Januar 2019 gehört Aue zur Großen Kreisstadt Aue-Bad Schlema und hat als einzelner Ortsteil etwas mehr als 15.000 Einwohner. Von den Annehmlichkeiten einer Großstadt ist man also weit entfernt. Ist der Fußballstandort Aue für Sie einzigartig?

Männel: Das denke ich schon. Es ist sehr besonders. Der gesamte Erzgebirgskreis mit seinen rund 330.000 Einwohnern steht mit vollem Herzen hinter dem Verein. Das ist über die Jahrzehnte gewachsen. Egal, wohin du hier in der Region kommst, an Aue-Fans kommt man nicht vorbei. Das ist anders als beispielsweise in Sandhausen. Da ist der Ort ähnlich klein, aber die Dichte an Profiklubs im Umkreis viel größer.

Wie sieht es für eine Auer Legende wie Sie im Alltag aus? Werden Sie an jeder Ecke angesprochen oder machen Sie sich rar?

Männel: Nein. Ich gehe hier ganz normal einkaufen, spazieren oder mit meinen Kindern auf den Spielplatz - wie jeder andere auch. Natürlich werde ich auch erkannt und man kommt ins Gespräch oder macht Fotos. Wir sind ja keine Ronaldos oder Messis, die sich vor Fans nicht mehr retten können. Die Nahbarkeit gehört hier mit dazu und ist wichtig, diese paar Minuten sind gut investiert. Wenngleich man auch klare Grenzen ziehen muss, damit die Privatsphäre gewahrt bleibt.

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Zur Zweitligasaison 2013/14 büßten Sie unter Trainer Falko Götz nach fünf Jahren im Tor erstmals Ihren Stammplatz ein. Neuzugang Sascha Kirschstein rückte damals für Sie zwischen die Pfosten. War das der größte Rückschlag Ihrer individuellen Karriere?

Männel: Ja, das kann man so sehen. Ich habe früh gespürt, dass es so kommt, aber es war nicht wirklich greifbar für mich, weil es auch keine konkrete Begründung gab. Die Situation war insgesamt schwierig, da am Saisonende auch mein Vertrag auslief und ich nicht wusste, was passieren würde, wenn sich bis dahin nichts an diesem sportlichen Zustand ändert.

Mit Kirschstein kassierte das Team 25 Gegentore nach 13 Spieltagen, nur ein Team wies eine schlechtere Bilanz auf. Nach einem 2:6 zu Hause gegen Fürth, als Niclas Füllkrug ein Hattrick innerhalb von zwölf Minuten und später noch ein vierter Treffer gelang, standen Sie anschließend im Derby bei Dynamo Dresden wieder im Tor. Wie blicken Sie heute darauf zurück: Waren Sie eine vorbildliche Nummer zwei?

Männel: Ich habe den Frust immer mit mir selbst ausgemacht und aus der Degradierung recht schnell auch Motivation gezogen. Ich zog mein Ding im Training durch, damit ich für den Fall der Fälle bereit bin. Sascha habe ich stets die Daumen gedrückt, damit wir am Ende die Spiele gewinnen. Aber klar, selbst dann fährt man als Profisportler geknickt nach Hause, wenn man nicht spielt. Und hatte dort dann auch bestimmt öfter schlechte Laune als gewohnt.

Apropos Füllkrug: Nachdem Aue im Sommer ein Testspiel gegen Ihren Lieblingsklub Borussia Dortmund absolvierte, sagten Sie, dass Sie ihm "in einer Zeit, in der es für mich mal nicht ganz so rund lief" etwas zu verdanken hatten. Waren damit die vier Buden gegen Kirschstein gemeint?

Männel: Ja. Das ebnete den Weg für so vieles in meiner weiteren Karriere. Nach fünf Jahren gab es einen Punkt, wo ich mir zu sicher war, stets im Tor zu stehen. Die Degradierung hat mir dann vor Augen geführt, dass ich jeden Tag Gas geben muss. Ich bin in der Zeit als Nummer zwei menschlich und sportlich enorm gereift. Hinzu kam die Sache mit dem auslaufenden Vertrag. Wäre ich nicht mehr ins Tor zurückgekehrt, hätte ich meiner Wahrnehmung nach wohl auch keinen neuen Vertrag erhalten. Und ob ich dann auf dem Niveau hätte weiterspielen können, wäre auch nicht gesichert gewesen.

Seit wann sind Sie denn BVB-Fan?

Männel: Mein Leben lang schon! (lacht) Als mein Bruder und ich früher vor und nach der Schule auf dem Bolzplatz gekickt haben, gab es dort immer nur Bayern gegen Dortmund. Die allermeisten waren Bayern-Fans, aber mir war das irgendwie zu einfach. Für mich war der BVB der sympathischere Verein. Das lag auch an der VHS-Kassette "80 Jahre BVB", die ich in die Hände bekam. Die Mentalität, die den Verein ausmacht, hat mich beeindruckt. Ich habe damals auch in BVB-Bettwäsche geschlafen. Mein Lieblingsspieler war natürlich Torhüter Stefan Klos.

Wann waren Sie erstmals im Dortmunder Stadion?

Männel: Erst im vergangenen Mai beim Hinspiel im Halbfinale der Champions League gegen PSG. Das war ein ziemlich wilder Trip, der seinen Ursprung in Bischofswerda hatte.

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Das müssen Sie genauer erzählen!

Männel: An dem Tag, als der BVB gegen Atlético das Viertelfinal-Rückspiel gewann, kickten wir dort im Sachsenpokal und zogen ins Endspiel ein. Nach der Partie haben wir in der Kabine gefeiert. Dann hat Ramzi Ferjani, der vier Jahre in Dortmunds Jugend spielte, ganz großspurig rausgehauen: 'Wenn der BVB heute Abend ins Halbfinale einzieht, besorge ich Karten für die gesamte Mannschaft.' Ich rief dann nur zu ihm herüber: Ich brauche dann aber auf jeden Fall zwei!

Er hat also geliefert?

Männel: Absolut. Ich habe meinen besten Kumpel geschnappt, der wie ich seit Kindesbeinen BVB-Fan ist, und dann sind wir am Spieltag morgens in Aue mit dem Auto losgefahren. Der Verein hat mir dankenswerterweise einen Tag frei gegeben. Nach der Partie ging es noch in der Nacht nach Hause, morgens um 5 Uhr war ich wieder zurück. Zum Glück war das Training erst für den Nachmittag angesetzt. (lacht)

Und wie empfanden Sie es im Signal Iduna Park?

Männel: Absolut überragend. Es war ein unglaubliches Gefühl für mich. Wir saßen zentral auf der Nordtribüne und haben alle Lieder mitgesungen. Ich glaube, seit dem Tag habe ich Probleme mit dem Trommelfell!

Am Tag, als die Dortmunder im Mai 2023 gegen Mainz die Meisterschaft verspielten, standen Sie noch kurz zuvor für Aue in Bayreuth im Kasten. Wie erinnern Sie sich?

Männel: Bis ich in die Kabine kam, stand es bereits 2:0 für Mainz. Ich habe gedacht, ich sehe nicht richtig. Später im Bus lief dann die Bundesliga. Nach Abpfiff war ich einfach nur fassungslos und am Boden zerstört. Ein sehr, sehr trauriger Tag.

Was wäre denn dann eigentlich gewesen, wenn Sie mal von der zweiten Mannschaft des BVB ein Angebot als Stammkeeper erhalten hätten?

Männel: Das wäre auf jeden Fall etwas, das ich mir angehört und worüber ich mir garantiert viele Gedanken gemacht hätte. Das muss ich ehrlich zugeben. Das ist einfach der Verein, von dem ich mein Leben lang geträumt habe. Es gab aber nie eine Anfrage.

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Einmal im Kasten des Signal Iduna Park stehen, ist also noch ein unerfüllter Traum von Ihnen?

Männel: Natürlich. Vor allem, weil im Dezember 2022 ein Spiel gegen die zweite Mannschaft des BVB genau dort stattfand, weil das Stadion Rote Erde umgebaut wurde und ich es verletzt verpasst habe. Ich habe wohl nur zwei Chancen: Entweder unser nächstes Spiel gegen Dortmund im November wird noch einmal verlegt oder jemand vom BVB liest das hier und beweist ein ganz großes Herz!

Manch andere Torhüter träumen davon, mal ein wichtiges Tor zu schießen.

Männel: (unterbricht) Ich auch!

Sie wissen natürlich, worauf ich anspiele: Ihnen gelang am letzten Spieltag der Saison 2014/2015 in Heidenheim in der 88. Minute per Kopf das 2:2. Es wäre jedoch ein Sieg nötig gewesen, um den Abstieg in die 3. Liga zu verhindern. Können Sie der Tatsache, immerhin einmal in Ihrer Karriere ein Tor geschossen zu haben, dennoch etwas Positives abgewinnen?

Männel: Nein. Ich hätte lieber darauf verzichtet und wir hätten stattdessen das Spiel gewonnen. Einen noch traurigeren Rahmen wie den damaligen kann es für ein Tor eines Torhüters nicht mehr geben.

Immerhin gelang 2016 der direkte Wiederaufstieg und anschließend der Klassenerhalt. Der war vor allem Domenico Tedesco zu verdanken, der Aue im März 2017 als Tabellenletzter übernahm und dann aus den ersten fünf Spielen 13 Punkte holte. Haben Sie damals gemerkt, dass er als Trainer für Höheres geeignet ist?

Männel: Auf jeden Fall. Er war fachlich und menschlich unfassbar gut. Was in diesen rund drei Monaten entstanden ist, lässt sich gar nicht wirklich in Worte fassen.

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Versuchen Sie es!

Männel: Man hat vom ersten Tag an gemerkt, wie sehr er sich damit beschäftigt hatte, was bei uns nicht gut lief. Er muss sich mindestens 15 Spiele unserer Hinrunde angeschaut haben. Die allererste Videositzung war total beeindruckend. Er ist sofort mit Lösungen, genauen Ideen und klaren Optionen für jeden Feldspieler gekommen - und das ist immer aufgegangen! Es hört sich blöd an, weil wir damals in Stuttgart 0:3 verloren haben, aber im Prinzip spielten wir die an die Wand. Die haben sich auf dem Platz gegenseitig beleidigt, weil sie gar nicht wussten, wie sie uns greifen sollen.

Dass sich Tedesco anschließend dem FC Schalke 04 anschloss, muss für Sie also eine große Enttäuschung gewesen sein.

Männel: Als er irgendwann anrief und mitteilte, dass er uns verlässt, hat mich das ganz schön getroffen. Ich hatte die komplette Sommerpause allen in meiner Familie erzählt: Ich hoffe so inständig, dass wir eine ganze Saison zusammen bekommen. Was da wohl möglich gewesen wäre!

Nach einer schweren Knieverletzung, bei der Sie auch um Ihre Karriere bangen mussten, wurde seit 2022 Ihr Vertrag jeweils um ein Jahr verlängert. Sollte sich der Verein nach der Saison entscheiden, nicht mehr mit Ihnen verlängern zu wollen, wäre das gleichbedeutend mit dem Ende Ihrer Laufbahn?

Männel: Wenn es nicht in der 1. Bundesliga ist, wäre es aktuell schon schwer vorstellbar, noch einmal woanders zu unterschreiben.

Wie lange wollen Sie noch spielen, wenn es nach Ihnen ginge?

Männel: Mein Wunsch wäre, nach dieser Saison noch ein weiteres Jahr dranzuhängen. Und dann vielleicht noch eines - oder auch jetzt schon zwei. Am Ende sind aber drei Dinge entscheidend: Wie es mein Körper wegsteckt, wie groß mein Spaß am Fußball ist und vor allem, dass ich der Mannschaft auch noch weiterhelfen kann. Wenn das alles passt, dann kann es auch noch drei, vier Jahre gehen. Ich möchte aber nicht irgendwann im 20. Jahr im Tor stehen und sagen: Bis ich nicht mehr will, kommt hier kein anderer rein. Ich glaube, es ist wahrscheinlicher, dass ich im Laufe einer Saison den Schritt zurück auf die Bank mache, als dass im Sommer ein kompletter Wechsel stattfinden wird.

Martin Männel: Seine Karriere bei Erzgebirge Aue im Überblick

WettbewerbPflichtspieleToreGelbe KartenGegentoreZu-Null-SpieleSpielminuten
2. Liga3341234758329.943
3. Liga173-101906815.444
DFB-Pokal18-32851710
Landespokal Sachsen7-183690
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