Es war ein legendärer Pokalabend am Mittwoch in Leipzig, da waren sich alle einig. Emotionen, strittige Entscheidungen, ein Platzverweis, Elfmeterschießen. Fußballherz, was willst du mehr? "Das Spiel hat alles gehalten, was es versprochen hat", meinte Karl-Heinz Rummenigge.
Wenn dem so ist, dann ist das kein gutes Zeichen für den FC Bayern München, dem Rummenigge als Vorstand vorsitzt, und auch nicht für RB Leipzig. Und auch nicht für den deutschen Fußball an sich. Klar, die Partie war intensiv, packend, dramatisch, turbulent.
Über diverse Szenen lässt sich je nach Gesinnung trefflich streiten. Ob Arturo Vidal Emil Forsberg wirklich drei Zentimeter vor dem Strafraum gefoult hat? Ob bei Naby Keita im Vergleich zu Corentin Tolisso wirklich mit zweierlei Maß gemessen wurde? Ob Timo Werner zurecht Abseits gewunken wurde, als er frei durch war?
Auch das ist Teil dieses Sports, auch das macht Spaß, aber der Fußball, das Spiel an sich, kam an diesem Abend viel zu kurz.
Wie gut ist der deutsche Fußball wirklich?
In Zeiten, in denen deutsche Vertreter in der Europa League von finanziell deutlich unterlegenen Teams aus kleineren Ländern aus dem Wettbewerb gedrängt werden und Borussia Dortmund sowie der FC Bayern München gegen europäische Spitzenteams in der Champions League bisher kein Land gesehen haben, rollt eine Diskussion durch die Nation, an der sich auch Bundestrainer Joachim Löw schon kritisch beteiligt hat.
Wie gut ist der deutsche Fußball im internationalen Vergleich wirklich? Wenn zwei der drei derzeit besten deutschen Mannschaften aufeinandertreffen, ist das eine Standortbestimmung. Leipzig gegen Bayern war Spektakel, beste Unterhaltung, aber eben auch fußballerisch überschaubar gut.
FC Bayern ohne klare Struktur
Immerhin war die Idee des Leipziger Fußballs klar erkennbar: Tempo, Pressing, Umschaltspiel. Das bedeutet dauerhaften Stress und Hektik. Die Kontur der Bayern war aber unscharf. Die Münchner wurden von den Bullen auf ihr Niveau gezogen, wie Jürgen Klopp das über seine Duelle mit dem BVB gegen Bayern immer gesagt hat.
Eine strukturelle Antwort blieben die Münchner bei elf gegen elf schuldig. Sie spielten das Leipziger Spiel mit und waren dabei die schwächere Mannschaft. Dabei ist es erst ein paar Jahre her, als die Bayern unter Pep Guardiola auf jeden Gegner mit einem klar definierten Stil Lösungen fanden und im europäischen Fußball State of the Art waren - Champions-League-Trophäe hin oder her.
Frei nach Helmut Fischers herrlicher Interpretation des Monaco Franzes nach einem Theaterabend, lässt sich sagen, dass Deutschland ein Fußballpublikum hat, das jeden Reinfall zu einem einmaligen Erlebnis hochjubelt. Dabei war die Vorführung altmodisch bis provinziell: "Oder haben Sie jemals einen so uninspirierten Dirigenten gesehen, einen lahmen?"
Das nächste Hochamt steht vor der Tür
Auf Robert Lewandowski würde diese Beschreibung über weite Strecken des Spiels passen. Dass Arturo Vidal und Corentin Tolisso an diesem Abend indisponiert waren, unterstrichen ihre massiven technischen Fehler. Selbst der feinfüßige Thiago ließ Bälle verspringen und blieb lange Zeit farblos, ehe er beim fußballerischen Highlight ein traumhaft herausgespieltes Tor erzielte.
Es war also kein "ausnehmend gutes Fußballspiel", wie im TV zu hören war, sondern ein mitreißender Fußballkampf auf Biegen und Brechen mit vielen Fehlern auf beiden Seiten. Am Samstag findet dieses Duell seine Fortsetzung, in einer Woche treffen die Bayern dann auf Dortmund.
Der deutsche Fußball wird auch hier ein Hochamt feiern, aber die Debatte über sein Niveau sollte er darüber nicht vergessen.