Der FC Bayern München verliert das Pokalfinale gegen Borussia Dortmund. Josep Guardiola muss sich im Anschluss einige Fragen gefallen lassen. War es richtig, Mario Mandzukic einen Tag vor dem Finale aus dem Kader zu streichen? War es kein Risiko, den jungen Pierre-Emile Hojbjerg gegen das formstarke Borussia Dortmund in der Startelf aufzubieten? Und dann auch noch erstmals die Anwendung des 3-4-3-Systems in dieser Saison und das im Pokalfinale? Zu viel des Guten...
Nun. Dieses Szenario ist nicht eingetreten. Der FC Bayern München hat das Pokalfinale gegen Borussia Dortmund mit 2:0 gewonnen. Die Fragen nach dem Spiel lauteten danach vielmehr, ob Mario Mandzukic kein Teamplayer sei, ob man eine derart starke Vorstellung des jungen Pierre-Emile Hojbjerg erwartet hätte und warum man dieses 3-4-3 nicht schon vorher probiert habe...
Der Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft - manchmal hat er aber auch einen Hang zur Übertreibung mit seinen fortwährenden Stimmungsschwankungen. Nach dem Aus gegen Real Madrid im Halbfinale der Champions League mutete der öffentliche Umgang mit dem FC Bayern fast schon grotesk an.
"Zu heftige Kritik"
Guardiolas Mannschaft, die über Monate hinweg als unschlagbares Gebilde in nie dagewesene Sphären gehoben wurde, galt mit einem Schlag als stark reparaturbedürftiges Konstrukt. "Die Kritik, die auf uns hereinprasselte, war teilweise zu heftig", so Philipp Lahm: "Und unsachlich."
Der Tatsache entspricht, dass der FC Bayern ein Jahr nach dem Triple das Double geholt hat - inklusive Champions-League-Halbfinale sowie Siegen im UEFA Supercup und bei der Klub-WM. "Und das in der ersten Saison. Vielen Dank, Pep!", lobte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bei seiner Bankettrede in Berlin.
Guardiola geht spätestens nach dem Finalsieg gegen Borussia Dortmund als der Sieger aus der Saison beim FC Bayern hervor. Der Katalane hatte die undankbare Aufgabe, einen Triple-Sieger zu übernehmen und diesem möglichst noch ein Update zu verpassen und zeitgleich alle Titel zu wiederholen. Ein schwieriges Unterfangen.
Pep verzichtete auf Bewährtes
Guardiola wiederholte nicht den Champions-League-Titel - und dennoch hat der Nachfolger von Jupp Heynckes seine Benchmark gesetzt. Seine wichtigste Errungenschaft neben den Titeln: Der FC Bayern hat sich unter Pep zu einem für Gegner taktisch unberechenbaren Mannschaft entwickelt.
Es verlangt viel Mut, gegen Borussia Dortmund ein völlig neues System spielen zu lassen. Pep hätte in Berlin auf Bewährtes setzen können und im Falle eines möglichen Scheiterns auf das Fehlen seiner Stammkräfte hinweisen können.
Doch zum einen hat es mit dem neuen System so funktioniert, dass man den Gegner 60 Minuten im Griff hatte und zum anderen widerlegte Guardiola alle Vorwürfe, wonach er keine Alternativpläne entwickeln könne. "Es ist nicht der richtige Zeitpunkt den Leuten zu erklären, dass diese Diskussion unglaublich ist. Aber unglaublich schlecht", sagte Matthias Sammer nach dem Spiel.
Die falscheste Neun aller Zeiten
Guardiola ist auch der Sieger der Saison, weil seine Maßnahmen gegriffen haben. Philipp Lahms Umzug ins Mittelfeld wurde anfangs kritisch beäugt - auch vom Kapitän selbst. Inzwischen sagt dieser: "Ich fühle mich als Mittelfeldspieler." Und Lahm will im Zentrum bleiben.
Auch wenn die Gangart durchaus Kritikpotenzial hat, griff auch die Maßnahme, im Finale auf Mario Mandzukic zu verzichten. Aber Guardiola pokerte hoch und gewann: Der Bayern-Trainer bot gegen den BVB die falscheste aller Neunen auf, die er wohl je nominierte. Arjen Robben mimte den Raumdeuter und leitete schließlich mit dem 1:0 in der Verlängerung den Pokalsieg ein. Der originale Raumdeuter, Thomas Müller, besorgte den Rest.
Guardiola hat in seiner ersten Saison in der Bundesliga nicht nur seine Mannschaft verbessert, sondern auch selbst eine positive Entwicklung durchgemacht: "Ich habe sehr viel gelernt und ich glaube, dass ich jetzt ein besserer Trainer bin", sagte er.
Guardiola wird mächtiger
Beim FC Bayern sieht es man es ähnlich. "Der Trainer lag mit seinen Entscheidungen goldrichtig. Ich habe immer gesagt: Das ist ein genialer Trainer, wir sind sehr glücklich, dass er bei Bayern München ist", lobte Rummenigge, der Guardiola auch nach dem CL-Aus verteidigt hatte.
Klar ist, dass Guardiola in seine zweite Saison beim FC Bayern mit noch mehr Macht gehen wird. Die Führungsriege hat er auf seiner Seite, die Mannschaft auch.
Mit den Erfahrungswerten des ersten Jahres wird Guardiola an noch mehr Schrauben drehen, noch mehr Anpassungen vornehmen. Denn trotz vieler Maßnahmen ging Guardiola in seinem ersten Jahr auch einige Kompromisse ein. Diese muss nun der Klub machen und mehr auf Peps Wünsche eingehen. Vor allem in der Personalpolitik. Mandzukic hat beim FC Bayern wohl keine Zukunft mehr, auch wenn er auf Führungsebene einige Fürsprecher hatte. Weitere personelle Änderungen könnten folgen.
Robben, der Held
Nichts befürchten muss Arjen Robben, dem nach Guardiola größten Gewinner der abgelaufenen Saison. Der Niederländer hat auf und neben dem Platz eine beeindruckende Entwicklung gemacht . Robben entwickelte sich vom Problemkind zum Publikumsliebling. Der Niederländer wurde noch eine Stunde nach Abpfiff frenetisch gefeiert.
"Arjen ist ein Vollprofi, der 2012 durch ein Tal gegangen ist. Er ist jeden Tag im Training und jeden Tag in seinem Auftreten professionell. Sein privates, sein familiäres Umfeld ist fantastisch. Es gibt keine höheren Superlative", lobte Sportchef Sammer.
Arjen Robben, Parade-Außenbahnspieler aus den Niederlanden, mutierte im letzten Spiel der Saison zum Mittelstürmer und avancierte zum Helden. Was für ein Szenario - aber so ist es tatsächlich gewesen.
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