Julian Nagelsmann ist bekannt für seine besonderen taktischen Vorstellungen - man erinnere sich nur an das fast "flügellose" Spiel von Bayern München eine Zeit lang unter seiner Ägide - und auch für seine besonderen personellen Präferenzen. Nicht immer spielen bei Nagelsmann die individuell Besten, sondern diejenigen, die perfekt zu seinen taktischen Vorstellungen passen.
Wer könnten also die Gewinner und Verlierer im DFB-Team unter dem neuen Bundestrainer sein?
Gewinner: Leon Goretzka
Zuletzt wurde Goretzka aufgrund durchwachsener Leistungen im Trikot des FC Bayern nicht zur Nationalmannschaft eingeladen. Unter Nagelsmann bildete das Duo bestehend aus Goretzka und Joshua Kimmich quasi ausnahmslos die Schaltzentrale beim deutschen Rekordmeister.
Zugleich hat der neue Bundestrainer während seiner rund zehn Jahre andauernden Karriere auf Profiniveau immer wieder gezeigt, dass er auf Box-to-Box- und Utility-Mittelfeldspieler setzt. Für Tyler Adams zum Beispiel fand Nagelsmann in Leipzig eigentlich immer eine Rolle, ob als laufstarker Rechtsverteidiger, Raumüberbrücker im Zentrum oder sogar auf den offensiven Außenpositionen.
Solange Goretzka wieder zu alter Form findet, kann er im Spielsystem von Nagelsmann eine Funktion erfüllen, gerade in der klugen Raumbesetzung zwischen Abwehr und Offensive.
Gewinner: Nico Schlotterbeck
Nagelsmann hat ein Faible für hybride Innenverteidiger, die technisch versiert sind und zugleich einen Zug nach vorn entwickeln können. Bei RB Leipzig setzte er nicht ohne Grund regelmäßig auf Marcel Halstenberg oder auch Nordi Mukiele in der Dreierkette.
Schlotterbeck mag ob mancher Unzulänglichkeit im Defensivzweikampf nicht unumstritten sein, aber großes Potenzial in der Spielentwicklung von hinten ist unweigerlich vorhanden. Da Nagelsmann ohnehin einen offensiven und zuweilen vertikalen Ballbesitzfußball präferiert, sollte Schlotterbeck mit seinem Spielstil genügend Chancen bis zur Europameisterschaft erhalten.
Gewinner: Benjamin Henrichs, Jonas Hofmann, Pascal Groß
Generell sollten taktisch intelligente und variable Spieler eine Chance unter der Ägide von Nagelsmann erhalten. Henrichs könnte beispielsweise als eingerückter Außenverteidiger fungieren oder quasi eine Hybridrolle zwischen Flügel und Achterposition einnehmen, was Nagelsmann einst auch mit Alphonso Davies versuchte.
Hofmann dürfte aufgrund seiner Pressingqualitäten und Laufstärke eine Chance als rechter Wing-Back erhalten. Und Groß ist sowieso multifunktional und besonders auf rechts vielfältig einsetzbar.
Ob das genannte Trio schlussendlich eine gewichtige Rolle während der Europameisterschaft spielt, bleibt abzuwarten. Man sollte zumindest nicht überrascht sein, wenn Nagelsmann ihnen einige Einsatzminuten während der Vorbereitung gibt und wenigstens einen der drei für seine Startelf am ersten Gruppenspieltag auswählt.
Verlierer: Emre Can
Nagelsmann ist schlichtweg kein Freund von Mittelfeldabräumern, sondern bevorzugt jene Spielertypen auf der Sechs, die defensiv solide agieren und im Gegenzug den Spielaufbau mit vorantreiben können. Can ist in der Spielgestaltung jedoch deutlich limitierter als die Konkurrenz im zentralen Mittelfeld der DFB-Elf - allen voran Kimmich und natürlich Ilkay Gündogan.
Deshalb sollte für den 29-Jährigen wenig Raum im Kader des neuen Bundestrainers bleiben. Allenfalls in einer Dreierkette könnte Can noch zu Einsatzminuten kommen, aber für diese Positionen gibt es mit dem bereits erwähnten Schlotterbeck sowie Antonio Rüdiger, Malick Thiaw oder Niklas Süle bessere Kandidaten.
Verlierer: Karim Adeyemi
Natürlich spielt Adeyemi bislang ohnehin eine durchwachsene Saison und muss zunächst im Trikot von Borussia Dortmund wieder überzeugen, um sich für die DFB-Elf zu empfehlen. Doch auch ganz grundsätzlich könnte Adeyemi als Spielertyp nicht zu Nagelsmann passen, weil der 21-Jährige meist vorn im letzten Spielfelddrittel die Breite sucht und gerne isoliert von der Seitenlinie andribbelt.
Nagelsmann hingegen möchte das Spielfeld eher verengen und nur punktuell Verlagerungsbälle auf freistehende Außenspieler sehen. In solch einem Offensivsystem fühlt sich Adeyemi nicht unbedingt wohl.
Unklar: Niklas Süle
Eigentlich ist Süle mit Nagelsmann einst bei Hoffenheim großgeworden und hatte später auch im Trikot des FC Bayern einen Stammplatz in der gemeinsamen Spielzeit 2021/22. Allerdings trennten sich im Anschluss die Wege, weil es Süle nach seinem Vertragsende gen Dortmund zog.
Falls Süle nicht in ein lethargisches Muster verfällt oder zu passiv verteidigt, sollte er auch unter Bundestrainer Nagelsmann eine realistische Chance auf einen Stammplatz erhalten. Allerdings erwartet Nagelsmann eben selbst von einem einstigen Zögling wie Süle, der bislang 85 Pflichtspiele unter ihm absolviert hat, dass er progressiv denkt und handelt - sowohl offensiv wie auch defensiv.
Unklar: Leroy Sané und Serge Gnabry
Eigentlich sollten die Jahrgänge 1995 und 1996 eine neue Erfolgsstory im DFB-Trikot schreiben. Jedoch ist daraus bekanntlich nichts geworden - und Sané sowie Gnabry wurden des Öfteren zur Personifizierung des ausbleibenden Erfolges. Beide haben die spielerischen Anlagen, um unter Nagelsmann zum Einsatz zu kommen.
Beim FC Bayern setzte der 36-Jährige schließlich auch auf beide, sofern sie fit und in Form waren, was bei Gnabry in der Saison 2022/23 nicht immer der Fall schien. Der Konkurrenzkampf ist im Nationaltrikot noch um einiges größer, denn für die Offensivpositionen gibt es mit Jamal Musiala und Florian Wirtz zwei Ausnahmetalente, denen die Zukunft gehört, und mit Kai Havertz eine Art launiges Genie, das richtig eingesetzt zu Top-Leistungen im Stande ist.
Insofern müssen sich Sané und Gnabry strecken, denn notfalls lässt der neue Bundestrainer auch Hochveranlagte links liegen und setzt auf jene, die seine Vorstellungen bestmöglich umsetzen.
DFB-Team: Der Spielplan der deutschen Nationalmannschaft
Datum | Wettbewerb | Gegner |
14. Oktober, 21 Uhr | Testspiel | USA (A) |
18. Oktober, 2 Uhr | Testspiel | Mexiko (A) |
21. November, 20.45 Uhr | Testspiel | Österreich (A) |