Mit der U19 scheiterten Sie im Halbfinale an Griechenland, anschließend hingen Sie bis zu Ihrem Abgang 2010 in Wolfsburgs zweiter Mannschaft fest. Ihre Weggefährten im DFB-Team wie Mesut Özil, Jerome Boateng oder Benedikt Höwedes starteten zeitgleich große Karrieren. Was hat das mit Ihnen gemacht?
Evljuskin: Es hat mich natürlich geärgert, das so zu sehen: Die spielen Bundesliga und Champions League gegen Real Madrid und du spielst Regionalliga gegen Havelse. Viele meinten später zu mir, dass ich bei einem anderen Verein den Sprung auch geschafft hätte. Man braucht in diesem Alter einfach Unterstützung und Rückendeckung. Es müssen Fehler akzeptiert werden. Ihnen wurde der richtige Weg aufgezeigt, sie durften sich entwickeln. Ich habe mich in diesen wichtigen Jahren eher dem Niveau der zweiten VfL-Mannschaft angepasst. Es ist halt ein Unterschied, ob du auf Schalke bei den Profis trainierst oder in der Zweiten von Wolfsburg.
In Ihrem 2016 erschienenen Buch "Eigentlich wäre ich jetzt Weltmeister. Warum der Kapitän von Boateng, Özil und Höwedes heute in der 4. Liga kickt" kommt mit Peter Hyballa ein einstiger Förderer von Ihnen zu Wort und meint, Sie hätten vielleicht noch egoistischer auf Ihre Karriere blicken müssen. Wie sehen Sie es?
Evljuskin: Vielleicht hätte ich in dieser Phase präsenter sein müssen. Die Jungs waren ja alle auf demselben Level wie ich. Es gehört auch schlicht etwas Glück dazu, wenngleich ich mir schon an die eigene Nase fasse. Ich war jung, das Selbstvertrauen spielt ebenfalls eine Rolle. Bei mir ging es immer nur bergauf und dann kam plötzlich ein unerwarteter Knick. Es waren mehrere ungünstige Dinge, die zusammengekommen sind.
Wie sehr hat Ihnen diese Entwicklung psychisch zugesetzt?
Evljuskin: Es war eine Mischung aus vielen Gefühlen. In erster Linie Frust und Unverständnis, weil ich der Meinung war, dass ich auf dem Platz und auch außerhalb zum Beispiel in Sachen Ernährung nichts anders gemacht habe als zuvor. Erst hatte all das gereicht und auf einmal ist dieser Knick drin. Ich habe mich ständig gefragt, woran das liegt und was ich falsch mache. Bin ich jetzt auf einmal schlecht? Das ging mir durchaus oft durch den Kopf. Man merkte auch, dass die heile Welt in der Jugend, als Fehler verziehen wurden, durch eine knallharte Geschäftswelt ersetzt wurde. Das prallt an einem jungen Kerl natürlich nicht einfach ab, sondern nagt am Selbstvertrauen, wenn du siehst, wie die anderen um dich herum ihren Weg gehen.
Evljuskin: "Da kam ich mir schon verarscht vor"
Warum haben Sie Wolfsburg nicht schon vor Ihrem Vertragsende 2010 verlassen?
Evljuskin: Ich hatte schon Wechselgedanken, weil ich dachte, dass ich dort nicht weiterkomme. Anfang 2009 wurde aber Lorenz-Günther Köstner Trainer der Zweiten und unter ihm hat es wieder Spaß gemacht. Ich hoffte, dass mir bei ihm der nächste Schritt gelingt und habe den Vertrag auch wegen ihm erfüllt. Anschließend war mir jedoch klar, dass ich etwas anderes sehen und auch mal raus aus Braunschweig muss.
Ihr neuer Verein sollte Rot-Weiss Essen unter Trainer Hyballa werden. Das wäre aber in Anführung nur die 4. Liga gewesen. Warum entschieden Sie so?
Evljuskin: Peter Hyballa hatte mich schon ein paar Monate zuvor kontaktiert und gesagt, dass er im Sommer einen neuen Verein übernimmt. Er wollte mich haben, auch wenn ich da noch gar nicht wusste, welcher Klub es am Ende werden wird. Ich war sehr gespannt und hatte richtig Bock auf eine neue Erfahrung. Daher meinte nur: Trainer, ich bin dabei!
Das waren Sie am Ende allerdings nicht, denn RWE wurde vor Saisonbeginn die Lizenz für die Regionalliga entzogen. Wie haben Sie davon erfahren?
Evljuskin: Ich war mit Wolfsburg zum Saisonabschluss auf Mallorca und habe dort ein paar Leute von Schwarz-Weiß Essen getroffen. Die wussten, dass ich zu RWE wechsle und erzählten mir dann etwas von Insolvenz. Dabei habe ich mich mit Daniel Reiche, meinem besten Kumpel, der gerade beim MSV Duisburg unterschrieben hatte, schon nach einer gemeinsamen Wohnung umgesehen, weil wir eine WG gründen wollten.
Wie haben Sie auf diese vermeintlichen Neuigkeiten dann reagiert?
Evljuskin: Ich dachte erst, die sind betrunken und wollen mich veräppeln. Also habe ich meinen Bruder angerufen, damit der mal nachforscht. Leider kam heraus, dass es stimmte: RWE musste über zwei Millionen Euro auftreiben, um dem Zwangsabstieg aus der Regionalliga zu entgehen. Das klappte leider nicht, mein Vertrag war damit nichtig. Da kam ich mir schon verarscht vor.