Mitspieler Benedikt Höwedes stellte am Sonntag drei Fotos von ihm und Boateng aus unterschiedlichen Jahren in die sozialen Netzwerke und schrieb: "Wenn du für Deutschland Titel gewinnen willst, brauchst du Nachbarn wie ihn."
DFB-Präsident Reinhard Grindel sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, es sei "einfach geschmacklos", die Popularität Boatengs und der Nationalmannschaft "für politische Parolen zu missbrauchen." Millionen Menschen liebten die Nationalmannschaft, "weil sie so ist, wie sie ist". Boateng sei "ein herausragender Spieler und ein wunderbarer Mensch, der sich übrigens auch gesellschaftlich stark engagiert und für viele Jugendliche ein Vorbild ist".
Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff erklärte: "Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir mit solchen Aussagen konfrontiert werden. Sie bedürfen keiner weiteren Kommentierung, die Personen diskreditieren sich von alleine." Der frühere Profi Hans Sarpei, in Ghana geboren und in Deutschland aufgewachsen, twitterte derweil: "Jerome Boateng hat bisher 57x für die Nationalmannschaft gespielt. Damit hat er 57x mehr für Deutschland getan als die AfD."
Neuer: Integration wichtig
Gauland hatte zuvor in der FAS gesagt: "Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut, aber wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben." Inzwischen bestreitet er, Boateng beleidigt zu haben, doch darauf reagierte die FAS: "Die Äußerung von Herrn Gauland zu Jerome Boateng stammt aus einem Gespräch, das Herr Gauland mit den Berliner Korrespondenten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Eckart Lohse und Markus Wehner am Mittwoch in Potsdam geführt hat. Beide Kollegen haben die Passage aufgezeichnet, ihre Aufzeichnungen stimmen überein. Wie in früheren Gesprächen auch bestand Herr Gauland nicht auf einer Autorisierung von Zitaten. Herr Gauland stufte nur den Teil des Gesprächs, in dem er sich über AfD-Führungspolitiker äußerte, als Hintergrund ein und bat, daraus nicht zu zitieren. Daran hat sich die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung gehalten."
AfD-Chefin Frauke Petry sagte der Bild: "Herr Gauland kann sich nicht erinnern, ob er diese Äußerung getätigt hat. Ich entschuldige mich unabhängig davon bei Herrn Boateng für den Eindruck, der entstanden ist." Der Innenverteidiger von Bayern München ist in Berlin geboren, hat einen ghanaischen Vater und eine deutsche Mutter.
Unter der Woche hatte sich bereits eine regionale Facebook-Gruppe von Pegida mit offenbar rassistisch geprägten Internet-Kommentaren versucht, über die Nationalmannschaft zu profilieren. Grindel hatte die Kommentare gegen Kinderfotos von Ilkay Gündogan und Boateng auf der Kinder-Schokolade als "geschmacklos" bezeichnet.
Nationaltorhüter Manuel Neuer war daraufhin gefragt worden, ob ihn die ausländerfeindliche Stimmung im Land sorge. "Ich glaube nicht, dass die Stimmung kippt", antwortete der 30-Jährige der Augsburger Allgemeinen: "Ich bin im Ruhrgebiet groß geworden. Dort war man jahrelang davon abhängig, dass Integration gelingt. Der Bergbau hätte ohne ausländische Arbeiter nicht funktioniert."
Auch und vor allem der Sport könne das vorleben, denn er stehe "für totale Integration. Schauen Sie: Leroy Sane ist aus Gelsenkirchen, Mesut Özil genauso. Im Ruhrgebiet ist das ganz normal. Eine Ausländerdebatte würde hier keiner verstehen".
"Unterstützung des gesamten Fußballs"
Auch Liga-Präsident Reinhard Rauball und DFL-Geschäftsführer Christian Seifert stärken Boateng demonstrativ den Rücken. "Jerome Boateng genießt sportlich und menschlich die volle Unterstützung des gesamten deutschen Profi-Fußballs. Die Aussage, man wolle ihn nicht als Nachbarn haben, ist unverantwortlich", sagten Rauball und Seifert in einer gemeinsamen Erklärung.
Weiter äußerten sie: "Sie dient vor allem dazu, auf gefährliche Weise gezielt Vorurteile zu bedienen und auf dem Rücken eines prominenten Fußball-Spielers Politik zu machen. Der Fußball und die gesamte Gesellschaft sind aufgerufen, sich von derartigen Gedanken ohne jeden Zweifel zu distanzieren. An dieser Stelle kann es keine Toleranz und erst recht kein Verständnis geben."
Auch Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender von Boatengs Klub Bayern München, bezog klar Stellung: "Diskriminierungen jeder Art haben im Sport und in unserer Gesellschaft nichts verloren und verdienen die Rote Karte. Jerome Boateng ist ein wunderbarer Mensch und ein vorbildlicher Fußballprofi unseres Vereins. Wir sind stolz, dass er auch für die deutsche Nationalmannschaft spielt."
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte die Aussagen. "Dieser Satz, der gefallen ist, der ist ein niederträchtiger und ein trauriger Satz", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin auf eine entsprechende Frage.
Gauland: "Nicht über Boateng geäußert"
Gauland gab am Sonntag eine Mitteilung heraus. "Ich habe nie, wie die FAS insinuiert, Herrn Boateng beleidigt", schrieb er darin: "Ich kenne ihn nicht und käme daher auch nicht auf die Idee, ihn als Persönlichkeit abzuwerten. Ich habe in dem vertraulichen Hintergrundgespräch die Einstellung mancher Menschen beschrieben, aber mich an keiner Stelle über Herrn Boateng geäußert, dessen gelungene Integration und christliches Glaubensbekenntnis mir aus Berichten über ihn bekannt sind. Selbstverständlich können wir stolz auf unsere Nationalmannschaft sein. Ich wünsche allen Spielern viel Glück für die Europameisterschaft."
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