Der chilenische Lahm

Arturo Vidal spielte von 2007 bi 2011 für Bayer Leverkusen
© getty

Arturo Vidal ist bei Juventus zu einem der Top-Stars der Serie A gereift. Er hält sich selbst für den besten zentralen Mittelfeldspieler der Welt. Das Duell mit dem DFB-Team (Mi., 20.30 Uhr im LIVE-TICKER) ist für ihn und die chilenische Auswahl ein Vorgeschmack auf die WM 2014.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Bayer Leverkusen war mal wieder schneller. Der Wersklub hat mit Südamerikaimporten schon oft ein glückliches Händchen sowie ein gutes Auge im Scouting bewiesen - und am Ende auch ein gutes Geschäft gemacht.

Bei Arturo Vidal war es ähnlich. Als sich viele in der Branche noch erkundigen mussten, wer denn dieser 19-jährige Chilene sei, hatte sich Bayer schon mit ihm auf einen Vertrag geeinigt. Für die chilenische Rekordablöse von 5,6 Millionen Euro wechselte Vidal 2007 von Colo Colo nach Leverkusen.

Sportdirektor Rudi Völler wusste schon im Moment der Vertragsunterzeichnung, dass Vidal ein paar Monate später nicht mehr zu diesem Preis zu haben gewesen wäre und Bayer im Kampf mit den Spitzenklubs chancenlos gewesen wäre.

Keine Anlaufzeit in Europa

Vidal gehört zu einer der vielversprechendsten Generationen, die der chilenische Fußball je hatte. Er war Teil und Anführer der Mannschaft, die bei der U-20-Weltmeisterschaft in Kanada 2007 Bronze gewann. Neben Vidal standen auch Alexis Sanchez, Gary Medel und Mauricio Isla im Kader, allesamt Leistungsträger der aktuellen A-Nationalmannschaft.

Im offiziellen Report der FIFA zur U-20-WM wurde unter dem Punkt "Outstanding Players" zu Vidal vermerkt: "technisch hervorragender linker Mittelfeldspieler, unermüdlicher Kämpfer mit großem Laufpensum."

Mit diesen Eigenschaften machte sich Vidal auch in Deutschland einen Namen. Anlaufzeit benötigte Vidal im neuen Umfeld nicht. Schon am zweiten Spieltag stand er in der Startelf, 32 weitere Pflichtspieleinsätze in seiner ersten Saison folgten. Schnell hatte er sich zurechtgefunden, integriert, einen Stammplatz erobert.

Auf vielen Positionen Weltklasse

Als Bayer zur Saison 2010/11 Micheal Ballack zurückholte und mit Simon Rolfes, Lars Bender und Stefan Reinartz weitere Konkurrenz in den eigenen Reihen vorhanden war, wurde Vidals Position in Frage gestellt.

Doch der Chilene setzte sich durch und wurde in gewisser Weise zu einer modernen Version Ballacks. Auch wenn der Begriff ausgelutscht sein mag, ist Vidal die Kopiervorlage für einen Box-to-Box-Player. Sein Spiel ist nicht auf spezielle Fähigkeiten beschränkt, er ist aggressiv, robust und stark in der Balleroberung und gleichzeitig flink, gewitzt und ausgezeichnet im Torabschluss.

Er ist auch nicht auf seine Lieblingsposition im zentral-defensiven Mittelfeld festgelegt. Bei Bayer und in der Nationalmannschaft wurde er vereinzelt auch als Außenverteidiger eingesetzt, auf beiden Seiten. Wie Deutschlands Kapitän Philipp Lahm verkörpert er auf allen Positionen Weltklasse.

"Sechser wie ihn gibt es wenige: flexibel, tödlich im Strafraum, schlau bei der Balleroberung", sagt Chiles Nationaltrainer Jorge Sampaolisa. Vidal selbst meint: "Ich bin in dieser Rolle der Beste, weil keiner so gut wie ich verteidigt und zudem auch noch so viele Tore schießt."

Der südamerikanische Fußballtraum

An Selbstvertrauen hat es Vidal nie gemangelt, sein Lebenslauf hat aus ihm früh einen Mann gemacht. Vidal erfüllt die Klischees des südamerikanischen Fußballtraums. Aufgewachsen in San Joaquin, einem Armenviertel der Hauptstadt Santiago, seine Mutter musste ihn und seine fünf Geschwister mit mehreren Knochenjobs durchbringen. Der Vater verschwand früh, von ihm will Vidal nichts mehr wissen.

"Ich musste mich von klein auf durchsetzen. Es war bei uns gefährlich. Drogen spielten eine große Rolle. Und: man musste aufpassen, dass nichts geklaut wurde. Meine Mutter Jaqueline musste immer schauen, wo wir was zu Essen herbekommen", sagt Vidal.

Mit seinem mittlerweile stattlichen Einkommen hat er seine Familie aus der Armut befreit. Den Namen seiner Mutter hat er sich auf den Oberarm tätowieren lassen. In Chile ist er ein Superstar.

Zoff mit dem FC Bayern

Als Leverkusen 2011 für Vidal zu klein wurde und er seinen Abschied forcierte, schien sein Weg vorgezeichnet. Er wollte seinem Trainer Jupp Heynckes folgen und zum FC Bayern wechseln. Doch Bayer wollte Vidal nicht innerhalb der Bundesliga verkaufen und einigte sich dagegen mit Juventus auf einen Transfer über 14 Millionen Euro.

Es war ein Wechsel mit vielen Nebengeräuschen. Uli Hoeneß warf Vidal Wortbruch vor und stellte ebenso wie Karl-Heinz Rummenigge seinen Charakter in Frage. "Solche Spieler möchte ich nicht beim FC Bayern haben", sagte Rummenigge.

Vidal redet nicht so gerne über dieses Thema. Die Aussagen hätten ihn zwar getroffen, aber er habe sich in der Sache nichts vorzuwerfen.

Beispiel für das neue Juve

Die Bayern können knapp drei Jahre später verschmerzen, dass Vidal sich anders entschieden hat. Aus welchen Gründen auch immer. Und auch Vidal hat in Turin sein Glück gefunden, er ist einer der Topstars der Serie A.

Neben den italienischen Weltmeistern Gianluigi Buffon und Andrea Pirlo ist er das Gesicht der Mannschaft. Kein anderer Spieler steht so exemplarisch für das neue Juventus von Antonio Conte.

Zuletzt gab es Gerüchte über das Interesse des FC Barcelona und von Real Madrid. Beide Seiten dementierten. "Das ist lächerlich. Alles, was ich will, ist mit Juventus Titel zu gewinnen." Auf Vereinsebene.

"Die anderen sollen uns fürchten"

Auch mit der Nationalmannschaft fährt er zur WM nach Brasilien, um den Pokal zu gewinnen. Nicht nur Vidal zählt sein Team zu den Geheimfavoriten, vor allem bei einem Turnier in Südamerika. Schon 2010 sorgte das Team des damaligen Trainers Marcelo Bielsa für Aufsehen mit seinem aggressiv-offensiven Spiel und der ungewöhnlichen 3-3-1-3-Formation.

"Man muss auf Chile aufpassen. Wir können für eine große Überraschung sorgen", sagt Vidal. Der Test gegen Deutschland kommt als Standortbestimmung gerade recht. Schließlich hat Chile die vielleicht härteste Gruppe des Turniers erwischt.

"Wir hatten das Pech mit Spanien und Holland in eine Gruppe gelost worden zu sein", sagt Vidal. "Aber mit dem Spiel gegen Deutschland können wir ein Signal an die anderen Länder senden. Sie sollen uns fürchten."

Der Kader der chilenischen Nationalmannschaft