Nur wenige Gegner laufen gegen den FC Barcelona mit ausgebreiteten Armen in das gezückte, katalanische Messer. Einen Großteil der Saison bekommt Barca es mit Rivalen zu tun, die sich eng um den Strafraum staffeln, die wenig Räume lassen und die mit allerhand Variationen experimentieren, um Lionel Messi aus dem Spiel zu nehmen.
Immer und immer wieder tritt man in der heimischen Liga gegen ein Bollwerk an. Meist mit einem guten Ende, manchmal mit einem enttäuschenden, so wie am Wochenende gegen Malaga (0:1). Viele Trainer haben dafür eine Lösung gesucht, jeder hatte bisher seine eigenen Ansätze und Überlegungen, um gegen eine Defensive aus zehn Mann Gefahr zu erzeugen.
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Pep Guardiola trieb den Ballbesitz auf die Spitze, Tito Vilanova setzte auf eine tiefere Ballrotation. Gerardo Martino nahm davon Abstand und entschied sich zu mehr direktem Spiel und einem Flankenfokus von der rechten Seite. Dann ist da noch Luis Enrique. Der Asturier, der so viel Kritik einstecken musste, wie schon lange kein Trainer mehr auf seiner Posten.
Neue und alte Ideen vereint
Enrique hat alte Tugenden aufgenommen. Ständige Bewegung, nahe am Juego de Posicion, das von Guardiola vertreten wurde, mit pendelnden, perfekt abgestimmten Abläufen. Das Tridente aus Luis Suarez, Lionel Messi und Neymar funktioniert wie eine gut geölte Maschine und wird ergänzt vom arbeitenden Ivan Rakitic, den Dauerläufern Jordi Alba und Dani Alves, sowie Ideengeber Andres Iniesta.
Auf der anderen Seite bringt Enrique eigene Ansätze mit, die sich im Laufe der Saison immer klarer herauskristallisiert haben. Das Spiel ist direkter geworden, vertikaler geht es in die Spitze. Auch gegen Manchester City durfte sich ein ballferner Stürmer von den Defensivaufgaben befreien und auf die langen, öffnenden Diagonalbälle warten.
Dann spielt Barca seine neue Stärke aus. Suarez agiert als Wandspieler, lässt viel tropfen und geht dann selbst wieder in die Spitze. Neymar und Messi gehen in den Konterangriffen voll auf, können sie doch ihre Stärke im Eins gegen Eins und ihre Schnelligkeit voll ausspielen. Mit Javier Mascherano und Alves finden sich zudem Verteidiger mit herausragendem Auge für Schnittstellenbälle im Kader.
Zweite Halbzeit offenbart alte Lethargie
Gegen City funktioniert beides. Die Engländer versuchten es mit Angriffspressing und mussten zusehen, wie ihre Chancen von Minute zu Minute geringer wurden. Die Mischung, die Enrique aus zwei Spielstilen geschaffen hat, ist eiskalt und tödlich gegen eine unorganisierte Defensive, wie sie Manuel Pellegrini auf das Feld schickte.
Doch noch ist nicht alles Gold, was glänzt. Während die erste Halbzeit gegen die Citizens die vielleicht beste dieser Saison gewesen sein dürfte, fiel die zweite Hälfte doch merklich ab. Begünstigt von einem unerklärlich schwachen City hatte Barca den Ball und das Spiel zu jeder Zeit im Griff gehabt. Die Bewegungen zwischen den Linien waren ideal, Fernando und James Milner wussten nicht, wie ihnen geschieht. Enrique sprach davon, "begeistert" gewesen zu sein.
Doch mit der Pause zeigte Barcelona ein anderes Gesicht, das noch immer gelegentlich zum Vorschein kommt. Die Gedankenschnelligkeit schien verloren gegangen zu sein. "In der ersten Halbzeit haben wir keine drei Pässe angebracht", gab Pellegrini zerknirscht zu Protokoll. Das Bild nach der Pause war jedoch ein komplett anderes.
Für diese Momente hat Enrique eigentlich vorgesorgt. Die neue Stärke bei Standards, an denen hart gearbeitet wurde, sowie die Blitzangriffe nach gegnerischem Ballbesitz haben Barca schon viele direkte Gegenschläge nach einem Anschlusstreffer eingebracht, doch den Hebel umzulegen, gelang im Etihad nicht. Somit blieb dem Coach am Ende nichts anderes übrig, als zu attestieren: "Ich hätte dieses Ergebnis vor dem Spiel sofort unterschrieben."
Kompaktheit geht verloren
Die Gastgeber spielten ihren großen Trumpf aus. Fernandinho und Wilfried Bony brachten zusätzliche Physis ins Spiel, schon zuvor hatte Barcelona mit dem großgewachsenen Edin Dzeko einige Probleme gehabt. Die Folge war ein offeneres Spiel mit mehr Tempo, mit mehr Hektik. Das trifft den FCB noch immer - auch nach der kurzen Winterpause hat Enrique noch kein Mittel gegen chaotische Spielphasen gefunden.
Das Problem findet sich auch auf der Bank. Der Kader ist nach den ersten zwölf, vielleicht 13 Namen auf Spezialisten und Rollenspieler zusammengeschrumpft. Der Trainer zieht seine Optionen kaum vor der 70. Minute, die Wechsel sind meist positionstreu. Sein beliebtester Wechsel: Ein Innenverteidiger für Rakitic, um Javier Mascherano ins defensive Mittelfeld vorzuschieben.
Wirklich eingeschlagen hat diese Praxis noch nicht. Das macht klar, was noch an Arbeit wartet. Barcelona hat sich wieder zu einem potentiellen Titelanwärter entwickelt, das muss festgehalten werden. Die Grundbausteine stehen, die Mannschaft ist defensiv kompakt, die Offensive hat mit dem Fokus auf Dribblings von Neymar und Messi einen neuen Anstrich bekommen.
"Oberstes Ziel war ein Sieg"
Wenn man so will, geht der Mörtel zwischen den Steinen noch ab. Die erste Hälfte zeigte, was dann möglich ist. Dann ist der FC Barcelona vielleicht sogar Favorit auf den Titel. Die zweite Hälfte dagegen zeigte, was möglich ist, wenn Enrique es nicht schafft, die Mannschaft zu stabilisieren. Dann wackelt das Gesamtkonstrukt noch bedenklich und hat nicht zu übersehende Schwächen.
Schwächen, die von Manchester City in der zweiten Halbzeit angedeutet wurden, allerdings nicht voll ausgenutzt werden konnten. Andere Mannschaften werden sich dies zum Vorbild nehmen, dann könnte es deutlich enger werden.
Bis dahin ist jedoch noch ein wenig Zeit, denn das Rückspiel steht erst in drei Wochen an. Bis dahin ist man zufrieden in Barcelona, auch wenn es nur für 45 Minuten reichte. "Das oberste Ziel war ein Sieg und diesen haben wir uns verdient", sagte Enrique nach dem Spiel. "Wir haben keinen Grund, uns jetzt zu ärgern, wir haben gegen einen starken Gegner gewonnen."
Manchester City - FC Barcelona: Die Statistik zum Spiel