Pressekonferenzen sind in der Regel dazu da, um Antworten von Trainer oder Spielern zu bekommen. Die sind nicht immer zufriedenstellend und sehr oft auch austauschbar, aber die Rollen sind eigentlich klar verteilt: die Reporter fragen, die Protagonisten antworten.
Am Dienstag hat Robert Lewandowski den Spieß umgedreht eine kluge Frage gestellt. "Was bedeutet Dominanz, wenn es am Ende 2:2 steht?"
Der FC Bayern hat in Turin, auch das hat Lewandowski gesagt, 60, 70 Minuten herausragenden Fußball gespielt, vielleicht war es die beste Leistung unter Guardiola. Aber ein paar Minuten später herrschte plötzlich Gleichstand. Aus einer fantastischen Ausgangslage wurde eine gute Ausgangslage für das Rückspiel.
Guardiolas schwache Auswärtsbilanz
Aber das Remis bleibt die nächste Auswärtspartie in der K.o.-Phase der Königsklasse, die der FC Bayern nicht für sich entscheiden konnte. Unter Guardiola haben die Münchner überhaupt erst ein Spiel ab dem Achtelfinale in der Fremde gewonnen, gleich das erste in London bei Arsenal (2:0).
Es folgten drei Remis (ManUnited, Donezk, Juventus) und drei Niederlagen (Real Madrid, Porto, Barcelona). Dazu gesellen sich noch zwei Pleiten in der Gruppenphase gegen Manchester City (2014/15) und Arsenal (2015/16).
Die Auswärtsbilanz des FCB gegen internationale Schwer- und Mittelgewichte liest sich also nicht sonderlich gut. Die Ausnahme von der Regel war die Vorrunden-Gala beim 7:1 in Rom.
Dampfwalze in der Arena
Ganz anders zuhause: Abgesehen vom 0:4-Debakel gegen Real Madrid gab es neben einem Remis gegen Arsenal, das im Achtelfinal-Rückspiel zum Weiterkommen reichte, und einer Niederlage in der Gruppenphase gegen ManCity ausnahmslos Siege. Vor allem in der letztjährigen und aktuellen Spielzeit haben die Bayern zuhause eine furchteinflößende Bilanz: 9 Spiele, 9 Siege, Torverhältnis 36:4.
Unvergessen vor allem das 6:1 gegen den FC Porto, als der FC Bayern in der ersten Halbzeit wie aus einem Guss spielte und das 1:3 aus dem Hinspiel schnell mit einem 5:0 konterte. Davor gab es schon das 7:0 gegen Donezk und danach noch das begeisternde 3:2 gegen Barca, als Bayern noch viel mehr Tore hätte erzielen können.
Wobei man sich vor allem bei diesem Spiel nie ganz sicher sein konnte, ob Bayern wirklich Chancen auf eine sensationelle Wende hatte, oder Barca es im Gefühl des sicheren Erfolgs nur knapp hat aussehen lassen.
An der erneut bärenstarken Offensivleistung der Bayern lässt sich aber nicht rütteln und auch nicht daran, dass ein Gefühl herrschte wie in den 70er und 80er Jahren, als ein 0:3 im Hinspiel noch keine erdrückende Bürde war und ein 5:0 im Rückspiel keine Seltenheit.
Schwierige Suche nach den Gründen
Die Suche nach den Gründen für diese Diskrepanz zwischen Auswärts- und Heimbilanz ist schwierig, auch Spieler und Trainer haben dafür nur die klassischen Antworten parat, dass man sich mit den Fans im Rücken zuhause im gewohnten Umfeld wohler fühle und der Gegner im heimischen Stadion eben auch stark sei.
Natürlich spielt die Konstellation immer eine Rolle. Die Bayern haben in der K.o.- Phase bisher immer zuerst auswärts und dann zuhause gespielt. Das resultierte in drei der sieben Fälle aus dem Gruppensieg. Guardiola ist kein Trainer, der Leistungen an Ergebnissen misst, aber Ergebnisse haben Einfluss auf die zu erbringenden Leistungen.
Wenig Ballbesitz, viele Tore?
Ein Blick in die Opta-Daten verrät, dass die Bayern vor allem in der vergangenen Saison ihre Auswärtsspiele sehr vorsichtig angelegt haben. In Lwiw gegen Schachtjor, in Porto und in Barcelona hat Bayern zwar jeweils deutlich mehr Ballbesitz und hohe Passquoten, aber kaum Torabschlüsse (Donezk: 8 Schüsse/1 aufs Tor, Porto: 5/3, Barcelona: 8/0).
Und das lag nicht nur an den fehlenden Flügelspielern Arjen Robben und Franck Ribery, die gegen Schachtjor beide auf dem Platz standen. Das Spiel war insgesamt mehr auf Kontrolle des Gegners angelegt, was in Donezk (1 Torschuss/1 aufs Tor) sehr gut, in Porto (6/4) bis auf die individuellen Fehler vor den Gegentoren gut und in Barcelona (15/8) aufgrund der Klasse des Gegners nur phasenweise gelang.
In den Heimspielen war Bayern dagegen viel zielstrebiger im Spiel Richtung Tor, hat deutlich mehr Torabschlüsse (Donezk: 25/13, Porto: 21/10, Barcelona: 19/8) und, das ist erstaunlich, jeweils weniger Ballbesitz als im Hinspiel. Nur gegen ein nach drei Minuten in Unterzahl agierendes Donezk knackte Bayern die 60 Prozent.
Passt die Juve-Schablone erneut?
Den auswärts etwas verhaltenen Eindruck der letzten Saison haben die Münchner in dieser Spielzeit wieder zerstreut. Sowohl bei Arsenal als auch in Turin kam Bayern mit viel Ballbesitz zu vielen Torschüssen (Arsenal: 20/6, Juventus: 13/5), ließ aber auch 13 bzw. 11 gegnerische Abschlüsse zu.
Die Leistung in Turin war sicherlich eine der besten in der Ära Guardiola. Juves Abwehrroutinier Andrea Barzagli gab im Kicker zu, dass er "so eine ultra-offensive Haltung nicht erwartet" hatte. "Es war beeindruckend, wie sehr uns die Münchner fast eine Stunde lang mit ihrer herausragenden Qualität zerquetscht haben."
Philipp Lahm sprach hinterher von einer "Schablone", die der Trainer für Juventus vorbereitet und die perfekt gepasst habe. Ob das auch im Rückspiel gelte, wollte er am Montag nicht abschließend beurteilen. "Aber man hat dort gesehen, dass unser Spiel funktioniert und deswegen werden wir uns nicht großartig ändern."
Leichte Anpassungen werden dennoch nötig sein, denn Juventus hat angekündigt, mutiger zu beginnen als im Hinspiel. Ein stürmisches Juventus ist deshalb nicht gleich zu erwarten, aber die Italiener wissen, dass ein 0:2 nicht immer aufzuholen ist. Vor allem nicht gegen den FC Bayern, vor allem nicht in München.
Die Bilanz des FC Bayern gegen Juventus