Bei den Mainzern ist es wie so oft in den letzten Jahren: Waren es in den vergangenen Spielzeiten allerdings meist Spieler wie Andre Schürrle, Lewis Holtby oder Adam Szalai, die die Rheinhessen verließen, so musste sich der Verein im Sommer diesmal einen neuen Trainer suchen.
Nach fünf erfolgreichen Jahren heißt der Coach am Mainzer Bruchweg nicht mehr Thomas Tuchel, sondern Kasper Hjulmand. Ein ungewollter Umbruch auf der Trainerbank. Nicht ganz geräuschlos lief die Trennung ab, nachdem Tuchel das Team im vergangenen Jahr noch in die Europa League führte und zum Saisonende überraschend seinen noch bis 2015 laufenden Vertrag kündigte. Der Coach legt nun ein Sabbatical ein.
Dass sich das neue Team in der Vorbereitung unter Hjulmand noch nicht gefunden hat, zeigte sich bei dem peinlichen Aus in der EL-Quali gegen Asteras Tripolis (1:0, 1:3). Neben dem Trainer-Wechsel hat der FSV mit dem Verlust von Eric-Maxim Choupo-Moting (FC Schalke 04) und Nikolai Müller (HSV) einen personellen Aderlass zu verkraften.
Hektisch wurden die Verantwortlichen in Mainz naturgemäß nicht, dennoch ist die Stimmung bei den Fans vor dem Bundesliga-Auftakt in Paderborn und dem DFB-Pokal-Spiel gegen den Chemnitzer FC angespannt.
Zwar genießt der neue Coach bei Christian Heidel und Co. höchstes Vertrauen, doch der Saisonstart wird für den Verlauf der gesamten Saison von entscheidender Bedeutung sein.
Das ist neu:
Der Trainer. Die Taktik. Die Offensive. Doch das wichtigste ist geblieben: Mainz bleibt seinem Stil treu. Unaufgeregt und relativ zügig, aber mit einer klaren Idee wurde ein Nachfolger für Tuchel präsentiert. Hjulmand hat zwar seine eigenen Ideen vom Fußball, passt aber ins Mainzer Konzept. Er gilt als kommunikativer als Tuchel.
Die Mainzer wissen, dass sie sich in der kommenden Saison erst noch finden, aber nicht neu erfinden müssen - und gehen trotz der herben Verluste auf und neben dem Platz mit einer Lockerheit an die neue Saison, die garantiert nicht einfach werden wird.
Mit Stefanos Kapiano (Panathinaikos) kam ein junges Torwart-Talent, das den Konkurrenzkampf mit Loris Karius verschärfen soll. Mit seinen gerade einmal 20 Jahren hat der Grieche bereits über 40 Ligaspiele absolviert und könnte Karius den Platz streitig machen. Kapino hatten angeblich einige europäische Topklubs auf dem Zettel.
Daniel Brosinski und Gonzalo Jara sollen die Lücke schließen, die der Abschied von Zdenek Pospech hinterlassen hat. Chinedu Ede und Nikita Rukavytsya kehren nach Leihe an den Bruchweg zurück, werden aber wohl auch unter Hjulmand keine große Rolle spielen.
Absoluter Königstransfer ist Filip Djuricic. Der 15-fache serbische Nationalspieler kommt für ein Jahr von Europa-League-Finalist Benfica und soll für Tempo und Kreativität in der Offensive sorgen.
Hjulmand brachte zudem mit Flemming Pedersen und Keld Bordingaard zwei neue Co-Trainer mit, mit Sven Hoffmeister ist neben Stephan Kuhnert ein neuer Torwart-Trainer dazu gestoßen. Zudem rückte von der U 23 Fitnesstrainer Jonas Grünewald zu den Profis.
Die Taktik:
Unter Tuchel war die taktische Flexibilität das große Plus. Das Team konnte in verschiedenen taktischen Varianten antreten und reagierte so meist von Spiel zu Spiel auf die unterschiedlichen Gegner - mit großem Erfolg. Selbst Pep Guardiola schwärmte von den Variabilität der Mainzer und adelte die 05er als eine der taktisch besten Mannschaften der Bundesliga.
Da die Rheinhessen auch in diesem Jahr nicht den individuell überragenden Kader besitzen, wird auch unter Hjulmand die Taktik von entscheidender Bedeutung sein. Bisher ließ der Däne das Team meist im 4-2-3-1-System agieren. Derzeit scheinen Julian Baumgartlinger und Johannes Geis auf der Doppelsechs gesetzt. Möglich auch, dass Mainz ab und an und je nach Gegner mit einer Doppelspitze in einem 4-4-2 agiert.
Überraschende taktische Maßnahmen blieben unter dem neuen Coach in der Vorbereitung verständlicherweise aus. Zunächst einmal müssen sich Trainer und Team finden, ehe in diesem Bereich großartige Neuerungen zu erwarten sind.
Das von Hjulmand geforderte hohe Pressing klappte in der Vorbereitung noch nicht wie gewünscht. Außerdem fällt der Mannschaft die Umstellung auf Ballbesitz-Fußball noch schwer. Unter Tuchel agierte man meist aus einer sehr defensiven und tiefstehenden Grundordnung, um dann schnell umzuschalten. Das soll sich nun ändern. Die Mainzer wollen das Spiel mehr dominieren.
Der Spieler im Fokus:
Shinji Okazaki traf im vergangenen Jahr 15 Mal. Kein Japaner netzte in einer Saison häufiger. Daran wird sich der 28-Jährige messen lassen müssen. Durch den Abgang von Müller fehlt ihm in der Offensive noch die Unterstützung, derzeit ist er der einzig torgefährliche Spieler im Mainzer Kader. So sind die 05er mehr denn je von seinen Toren abhängig.
In der letzten Saison machte Okazaki einen großen Sprung nach vorne, verbesserte sich vor allem im Abschluss und zeigte ein deutlich besseres Spielverständnis als zu seiner VfB-Zeit. Nun aber muss er den nächsten Schritt gehen. Nach einer nicht nur für ihn enttäuschenden WM, gilt der Fokus nun wieder ganz der Bundesliga.
Man darf dennoch gespannt sein, ob der 1,74 Meter große Angreifer eine ähnliche Gala-Saison wie im letzten Jahr abliefert und er sich zu einem der Topstürmer der Liga entwickeln kann. Für den FSV wäre es extrem wichtig.
Shinji Okazakis Statistiken der Saison 2013/14
Die Prognose:
Es steht den Mainzern sicherlich keine einfache Saison ins Haus. Hjulmand genießt zwar viel Vertrauen und kam mit einigen Vorschlusslorbeeren, dennoch wird es wohl noch ein wenig Zeit brauchen, bis die Mechanismen wie gewünscht greifen.
Die Abgänge sind für Mainzer Verhältnisse nicht eins zu eins zu ersetzen, daher sollten die Neuzugänge wie beispielsweise Djuricic tunlichst einschlagen und die vorhandenen Spieler wie Christoph Moritz oder Yunus Malli ihr vorhandenes Potenzial dauerhaft abrufen.
Sollte bereits der Saisonstart in die Hose gehen, dürfte den Mainzern eine schwierige Saison mit Blick in Richtung Abstiegskampf bevorstehen. Aktionismus ist einem solchen Fall aber nicht von den 05ern zu erwarten.
Zudem wird wohl bis Ende August noch am Kader gebastelt werden. Gerade auf dem Transfermarkt bewies Heidel in den vergangenen Jahren ein glückliches Händchen.
Eine Platzierung zwischen Rang 10 und 15 scheint realistisch. Das Thema Klassenerhalt wird die Mainzer aber eine lange Zeit intensiv begleiten.
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