Die Überraschung war offensichtlich gelungen: Als die Bayern-Legenden Franck Ribery und Arjen Robben an der Seite von Basketball-Geschäftsführer Marko Pesic mitsamt Meisterschale, DFB-Pokal und BBL-Trophäe durch die Stuhlreihen der Olympiahalle schritten, rang Uli Hoeneß bereits mit den Tränen, bevor die Veranstaltung überhaupt angefangen hatte.
"Uli Hoeneß, Du bist der beste Mann", schallte es durchs Rund, die 6091 Mitglieder erhoben sich ehrfürchtig von ihren Sitzen, um ihm, dem Macher, der nach über 40 Jahren als Boss des deutschen Rekordmeisters abtrat, einen unvergesslichen Empfang zu bereiten. Der 67-Jährige bedankte sich artig und merklich gerührt von der Zuneigung seiner FCB-Familie. Nachdem Zahlenjongleur Dieter Mayer und der zweite Vizepräsident Walter Mennekes ihre Berichte abgelegt hatten, nahm sich Hoeneß rund 20 Minuten Zeit, ließ seine ruhmreiche Karriere Revue passieren - und wurde dabei auffallend politisch.
Kommentar zum Abschied von Uli Hoeneß: Aus der Zeit gefallen
Auch Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und Herbert Hainer, der wie erwartet zum neuen Präsidenten gewählt wurde, zeigten klare Kante. Zudem gab es Jubelarien für Oliver Kahn, der die Geschicke in naher Zukunft leiten wird, Sportdirektor Hasan Salihamidzic wurde kritisiert, erfuhr im Publikum aber auch Rückendeckung. Die Erkenntnisse der letzten Hoeneß-JHV.
1. Klare Kante gegen rechte Hetze
"Wenn ich vom FC Bayern träume, dann denke ich an einen Tanker, der auf den Weltmeeren entlanggleitet, möglichst nicht mit Schwer-Öl fährt und statt Containern Menschen geladen hat", sinnierte Hoeneß. "Dieser Tanker muss geradeaus fahren, darf nicht nach links schauen - und schon gar nicht nach rechts! Dann dürfen wir alle stolz sein." Ein deutliches Statement mit Blick auf den wachsenden Rechtspopulismus und -extremismus in der Gesellschaft.
Ganz ähnlich positionierte sich auch Rummenigge, der die jüngsten Rassismus-Vorfälle in diversen europäischen Fußballstadien verurteilte und klarstellte: "Der FC Bayern hat dafür nur eines übrig - und das ist die Rote Karte. Mia san bunt."
Hainer, zum Zeitpunkt seiner Rede noch um die Stimmen der Mitglieder buhlend, bezog ebenfalls politisch Stellung: "Die Welt verändert sich und der FC Bayern muss mit der Zeit gehen und sich der Welt öffnen." Der ehemalige adidas-Chef appellierte, "in Zeiten einer immer größer werdenden Spaltung der Gesellschaft" für Toleranz und Respekt einzustehen. Bei den Mitgliedern punktete der 65-Jährige mit dieser Haltung.
2. Kritik an Werbedeal mit Qatar Airways und Engagement im Wüstenstaat
Bei allem überwältigenden Zuspruch, den Hoeneß, Rummenigge und Hainer für ihre politische Positionierung erfuhren, gab es an anderer Stelle mächtig Kritik von etlichen Anwesenden. Der Tenor: Wie könne es sein, für Respekt, Gleichberechtigung und Toleranz zu werben, wenn gleichzeitig Qatar Airways als Sponsor auf den Ärmeln der Bayern-Trikots prangt und der Münchner Tross Winter für Winter seine Zelte in Katar aufschlägt.
"Wir können uns ja kein Trikot mehr kaufen", erklärte ein Mitglied bei seiner Rede und führte aus, dass Qatar Airways ein Unternehmen aus einem Staat sei, in den der jüdische Ex-Präsident Kurt Landauer nur unter schärfsten Auflagen hätte einreisen dürfen. "Hier ist für viele Fans eine Grenze überschritten." Applaus aus dem Publikum.
Rummenigge zeigte Verständnis für die Kritik, war allerdings um eine Rechtfertigung bemüht: "Ich weiß, dass viele hier das Engagement kritisch sehen", sagte der Vorstandschef und schob nach: "Es hat sich seit der Partnerschaft aber vieles in Katar verbessert. Ich will Ihnen eines sagen: Der Dialog verbessert Dinge, das Ignorieren und Kritisieren hilft nicht, eine Situation zu verändern." Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel habe die Bayern bestärkt, mit dem Wüstenstaat in den Dialog zu treten. Bis zur WM 2022 sei Katar sicherlich noch einen Schritt weiter.
Für die meisten Besucher dürfte es sich dabei um einen schwachen Trost handeln. Vor allem die verheerende Situation der Gastarbeiter, die mit dem Stadionbau für das Großevent beauftragt wurden, war in der Vergangenheit immer wieder in den Fokus gerückt. Laut Amnesty International seien zudem Frauen in Katar "nach wie vor durch Gesetze und im täglichen Leben von Diskriminierung betroffen."
3. Die große Vorfreude auf Oliver Kahn: Titan rostet nicht
Eine Bayern-Ikone wurde von den Mitgliedern an diesem Freitagabend ganz besonders ausgiebig gefeiert: Oliver Kahn, der Rummenigge in rund zwei Jahren als Vorstandsboss ablösen wird. Mit "Oli"-Sprechchören huldigten die Besucher dem einstigen Weltklassekeeper, der daraufhin kurz von seinem Platz neben Salihamidzic aufstand und seine Fans mit einem kurzen Winken bedachte.
"Da hast Du viel Arbeit vor Dir, um den Vorschusslorbeeren gerecht zu werden", scherzte Hoeneß, nachdem sich der Jubel in der Halle gelegt hatte. Er gab aber auch zu bedenken, dass nicht alles von heute auf morgen funktionieren werde. Dementsprechend müsse Kahn ein "starkes Team" mit Brazzo bilden. Rummenigge prophezeite seinem Nachfolger indes: "Oliver Kahn wird uns bereichern. Er war auf dem Platz ein Titan - und Titan rostet ja bekanntlich nicht. Von daher können wir uns auf einiges gefasst machen - oder die anderen 17 Bundesligavereine."
4. Hasan Salihamidzic: Tadel und Zuspruch
Als Markus Müller für seine Wortmeldung auf die Bühne trat, dürften einige bereits geahnt haben, in welche Richtung seine Rede gehen würde: Vor allem Salihamidzic wurde von dem Mitglied ins metaphorische Fadenkreuz genommen. "Heute ist er vielleicht derjenige, der das Scouting revolutioniert hat, zum Beispiel mit Alphonso Davies, der uns begeistert." Mit Ruhm habe sich Brazzo in der jüngeren Vergangenheit allerdings ansonsten nicht bekleckert.
"Dabei rede ich nicht von seiner fehlenden Eloquenz. Ein großer Redner wird er wohl nicht mehr werden. Ich empfehle einen Rhetorik-Kurs." Zudem käme die Transferperiode unter Salihamidzics Federführung einer Farce nahe und der Verein solle wirklich überlegen, ob dem Bosnier "wirklich einen Gefallen tut, wenn man ihn in den Vorstand beruft."
Ein polarisierender Auftritt, der viele Buhrufe und Pfiffe nach sich zog. Rummenigge sprang seinem Kollegen gleich darauf zur Seite: "Keiner, der über ihn schreibt, keiner, der sich in den Sozialen Medien über ihn auskotzt, kennt ihn. Er ist super engagiert. Er hat nur das Wohl und Wehe des FC Bayern im Sinn. Ich bitte Sie, mit diesen Themen in Zukunft sensibler umzugehen. Deutsch ist nicht seine Heimatsprache. Hasan ist auf einem guten Weg. Geben Sie ihm eine Chance. Er verdient sie."
Unterstützung erhielt Salihamidzic auch von einem weiteren Redner, der dem ehemaligen Profi "ein gutes Schulzeugnis" ausstellen würde und sich mehr Unterstützung für Brazzo wünschte.
5. Herbert Hainer: Die Abteilung Anti-Attacke
98,1 Prozent der abstimmungsberechtigten Mitglieder hatten Hainer ihr Vertrauen ausgesprochen. Damit erhielt der Dingolfinger sogar mehr Stimmen als Hoeneß bei seiner Wiederwahl im Jahr 2016 (97,7). Der neue Präsident machte einen sachlichen, souveränen Eindruck und wusste mit dem einen oder anderen markigen Spruch zu gefallen.
Er sei "ein lausiger Schüler" gewesen, er habe seinem Bruder verziehen, dass dieser bei 1860 gespielt habe und er habe es nicht als seine Berufung verstanden, bei Procter und Gamble Windeln und Waschmittel zu verkaufen.