Keine Trainingseinheiten, keine Besprechungen: Für die Profis des FC Bayern war der Freitag ein freier Tag. Thomas Müller, Robert Lewandowski, Thiago und Lucas Hernandez schipperten am sonnigen Mittag mit kleinen Booten über das glitzernde Wasser des Tegernsees, während der seit Mai in der Vaterrolle aufgehende Joshua Kimmich mit seiner Lina eine Kinderwagentour machte und David Alaba im Beisein ein paar angereister Kumpels einen Milchshake auf der Hotelterrasse schlürfte.
Es war ein perfekter Sommertag, der alles andere als den Anschein erwecken ließ, als würde sich irgendjemand beim deutschen Rekordmeister daran stören, dass der Kader drei Wochen vor der Schließung des Transferfensters noch immer nur 18 Feldspieler zählt und in keinem Fall in den Genuss der sofortigen Hilfe des zum Wunschspieler deklarierten Leroy Sane kommen wird.
Dieser Eindruck verfestige sich auch wenige Stunden später, als Präsident Uli Hoeneß zum traditionellen Mannschaftsabend im Edelrestaurant Freihaus Brenner unweit seines Anwesens in Bad Wiessee lud. Dort, vor einem bilderbuchartigen Berg- und Seepanorama, entwickelte sich dank des frischen regionalen Bieres vom Fass, des vielfältigen Buffets und der Blasmusik, wie sie kaum bayerischer sein könnte, eine zünftige Sause.
Alphonso Davies liefert die Gesangseinlage des Abends
Die Mannschaft hatte bei einer geheimen Olympiade im angrenzenden Wald den Grundstein gelegt. Als Javi Martinez den für Journalisten zugänglichen Essensbereich betrat, war ihm anzusehen, dass er und seine Kollegen bei der einstündigen Teambuildingmaßnahme ziemlich viel Spaß gehabt haben müssen.
Der Spanier setze sich glucksend auf die kleine Bühne, griff zu einer Gitarre und begann zu spielen. Fünf Minuten später erschien Manuel Neuer und schaltete den nach Brasilien zurückgekehrten Mannschaftsclown Rafinha per Live-Video zu, der sich nicht zierte, Martinez' wildes Gitarrengeklimper mit seiner Stimme zu untermalen.
Zur Hauptattraktion am Mikrofon avancierte an diesem Abend jedoch ein anderer. Alphonso Davies, der 18 Jahre junge und in der Öffentlichkeit für gewöhnlich eher schweigsame Kanadier, trällerte vor dem versammelten Bayern-Tross "I will always love you" von Whitney Houston.
Die hohen Töne, die er bei seiner Einlage anschlug, sorgten vor Lachen für Tränen bei seinen Mitspielern. Aber auch das von Jann-Fiete Arp gecoverte "Country Roads" und der Auftritt der beiden Trainerbrüder Niko und Robert Kovac, die "99 Luftballons" von Nena sangen, hoben die Stimmung.
Nur Hasan Salihamidzic klinkt sich aus
Der Einzige, der nicht den ganzen Abend über Spaß zu haben schien, war Hasan Salihamdzic. Der Sportdirektor klinkte sich beinahe im 15-Minuten-Takt aus, um abseits der Feierlichkeiten Telefonate zu führen. Das bis zum 2. September anhaltende Transferthema, es war auch an diesem Abend bei den Bayern präsent.
Bei den Granden am Tisch herrschte jedoch Unbekümmertheit. Der später angereiste Karl-Heinz Rummenigge, der vor dem verlorenen Supercup gegen Borussia Dortmund noch schelmisch grinsend gesagt hatte, er sei in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender "noch nie" so entspannt gewesen wie in diesem Sommer, steckte sich gemeinsam mit seinem Freund Hoeneß nach dem Hauptgang die obligatorische Siegerzigarre an. So, als hätten sie eher etwas zu feiern als zu beklagen. Die Verpflichtung von Ivan Perisic? Die von Timo Werner? Oder etwa doch die von Leroy Sane?
Für SPOX und Goal waren an diesem Abend keine Neuigkeiten über Transfers zu beschaffen. Hoeneß signalisierte wie zuletzt auch Rummenigge und Salihamidzic nicht die Bereitschaft, sich in die Karten schauen zu lassen. Er war in Begleitung seiner Gattin Susanne und seinem Labrador-Mischling Ben nur darauf aus, den getreu dem Vereinscredo "Mia san mia" verlaufenden Abend in vollen Zügen zu genießen. Womöglich, weil es wahrscheinlich sein letzter Abend dieser Art war, sein letztes Heimspiel im Tegernseer Tal.
Rückzug? Uli Hoeneß hofft auf weitere Party
Laut der Bild steht sein Rückzug im November bereits fest, erst am 29. August möchte Hoeneß selbst Auskunft über seine Zukunftspläne geben. Der 67-Jährige war in den vergangenen Monaten zumindest nicht müde, zu betonen, seinen Lebensabend fernab des Fußballtrubels mit seiner Susanne verbringen zu wollen.
An diesem schönen Freitag ließ der Präsident die Anwesenden in seiner kurzen Rede aber noch einmal wissen: "Bei diesem guten Wetter und dieser guten Stimmung soll die Saison nicht nur anfangen, sondern auch aufhören. Ich verspreche euch: Wenn wir unsere Ziele erreichen, dann werden wir uns wieder zu einer großen Party treffen!"