Bereits auf der Esplanade vor der Münchner Allianz Arena war das Flair zu spüren, das sich alljährlich wie ein biergeschwängerter, nach gebrannten Mandeln duftender Schleier auf die Stadt legt. Männer in Lederhosen sangen die einschlägigen Gassenhauer, krakeelten den Refrain von "Take Me Home, Country Roads", Frauen in Dirndln kicherten, noch ganz beflügelt vom kurz zuvor beendeten Besuch auf dem Oktoberfest.
Aus dem Inneren der Heimstätte des FC Bayern, die am Dienstagabend nicht nur in Rot, sondern zusätzlich in den bayrischen Landesfarben strahlte, drang Blasmusik. Um das Ganze abzurunden, verkündete der Twitter-Account des Rekordmeisters, aus gegebenem Anlass ausnahmsweise nur auf "Boarisch" zu informieren. Wiesn-Spieltag in Fröttmaning, eine willkommene Abwechslung zum regen Treiben, Trinken, Schunkeln auf der einige Kilometer südlich gelegenen Theresienwiese.
Für den Gegner, der sich zu ebenjener Zeit des Jahres nach München begeben muss, bedeutet das traditionell nichts Gutes. Seit wettbewerbsübergreifend 16 Wiesn-Heimspielen war der FCB im Vorfeld der Begegnung mit dem FC Augsburg ungeschlagen geblieben, die letzte Niederlage setzte es am 25. September 2010, also vor exakt acht Jahren, als der FSV Mainz drei Punkte aus der Arena entführte.
FC Bayern: Niko Kovac hat vor Augsburg gewarnt
Als weiterer Anreiz, die beeindruckende Bilanz während der Oktoberfest-Zeit auszubauen, kam die Möglichkeit für Trainer Niko Kovac hinzu, den Pflichtspiel-Startrekord von Carlo Ancelotti aus dem Jahr 2016 zu egalisieren. Der Italiener war damals mit acht Siegen in die Saison gestartet, Kovac stand vor dem Derby also bei sieben.
Ein Zahlenspiel, das den Kroaten allerdings nicht sonderlich tangierte, wie er selbst am Montagmittag auf der Pressekonferenz an der Säbener Straße noch erklärt hatte. Vielmehr hob er gebetsmühlenartig hervor, dass man sich auf dem bisherigen Erfolg nicht ausruhen wolle und warnte: "Wir dürfen nicht alles rosig sehen und denken, dass wir mit halber Kraft agieren können."
Der FCA sei eine aggressive Mannschaft, die Mann gegen Mann agiere, weshalb er ein "intensives Spiel" erwartete. Er sollte recht behalten - und den Ancelotti-Rekord aufgrund mehrerer Faktoren letztlich nicht brechen.
Wie von Kovac prophezeit, pressten die Schwaben die Bayern-Viererkette, in der überraschenderweise der später verletzte Leon Goretzka den Linksverteidiger gab, früh und brachten vor allem den Abwehr-Novizen damit einige Male in die Bredouille. Goretzka selbst stellte sich im Anschluss auch ein dementsprechend schwaches Zeugnis für sein Debüt in ungewohnter Rolle aus: "Man hat keine Automatismen, auf die man zurückgreifen kann, deshalb denkt man mehr nach", erklärte er in der Mixed Zone und ergänzte: "Das war sicherlich kein gutes Spiel von mir."
FC Bayern: Lewandowski bekommt Verschnaufpause
Tatsächlich wirkte der ehemalige Schalker als Vertreter von David Alaba bisweilen deplatziert auf dem defensiven Flügel und flüchtete sich vornehmlich in Sicherheitspässe. Ein Fakt, der im Hinblick auf die vergangenen Wochen verwunderlich anmutete, hatten die bisherigen Kovac-Rotationsschachzüge doch immer den erhofften Ertrag eingebracht. Goretzka als Linksverteidiger dürfte zur Abwechslung mit dem Stempel "weniger zukunftsträchtiges Experiment" zu den Akten gelegt werden.
Die Entscheidung, erstmals in dieser Spielzeit von Beginn an auf Sandro Wagner zu setzen, um Robert Lewandowski eine wohlverdiente Pause einzuräumen, lag zwar auf der Hand, offenbarte allerdings auch die Qualitätsunterschiede der beiden einzigen nominellen Angreifer im Kader.
"Dass Lewy in seiner aktuellen Form ein absoluter Weltklassestürmer ist, steht außer Frage", sagte Mats Hummels nach der Partie und schob nach: "Sandro hat aber eine hervorragende Torquote gehabt, vor allem in der Rückrunde. Er hat zuletzt nicht so viel gespielt, vielleicht hat das in der einen Situation dazu beigetragen." Damit spielte Hummels auf die hundertprozentige Möglichkeit Wagners an, als dieser kurz vor dem Pausenpfiff freistehend aus sieben Metern am glänzend aufgelegten Augsburger Schlussmann Andreas Luthe scheiterte.
FC Bayern: Die nächsten fünf Spiele
Wettbewerb | Datum | Gegner |
Bundesliga | 28.09.2018 | Hertha BSC |
Champions League | 02.10.2018 | Ajax Amsterdam |
Bundesliga | 06.10.2018 | Borussia Mönchengladbach |
Bundesliga | 20.10.2018 | VfL Wolfsburg |
Champions League | 23.10.2018 | AEK Athen |
FC Bayern: Mangelnde Chancenverwertung gegen Augsburg
Womit wir beim eigentlichen Problem der Münchner an diesem Abend wären: der Chancenverwertung. Kein Thema wurde nach dem Duell mit den Fuggerstädtern häufiger angesprochen, über nichts wurde mehr geklagt. Nicht nur Wagner hatte vergeben, Renato Sanches, der bei seinem Startelf-Debüt in der Bundesliga unter Kovac abermals vielversprechend auftrat, ließ gleich drei Hochkaräter liegen, Serge Gnabry fand in Luthe ebenso seinen Meister, nachdem Thomas Müller gleich zu Beginn der Partie den Pfosten getroffen hatte.
"Wir sind leichtfertig mit unseren Chancen umgegangen, heute hätten es mindestens drei Tore sein müssen", sagte Hummels, ehe sein Teamkollege Manuel Neuer, der beim späten Gegentreffer durch Felix Götze keine gute Figur gemacht hatte, die fehlende "Coolness" vor des Gegners Tor anprangerte.
Thomas Müller: "Das tut schon sehr weh"
Auch Sanches, der am vergangenen Mittwoch noch als Torschütze in der Champions League gegen Benfica geglänzt hatte, zeigte sich - trotz seiner starken Vorstellung - selbstkritisch: "Ich habe viele Chancen vergeben. Das muss besser werden", haderte der Portugiese.
Fürwahr wog die mangelhafte Trefferausbeute gegen Augsburg viel schwerer als Kovac' Personalentscheidungen. Selbst mit Goretzka als Linksverteidiger und einem Wagner, dem die fehlende Spielpraxis anzumerken war, hätte der Tabellenführer die drei Punkte in der bayrischen Landeshauptstadt behalten können beziehungsweise müssen.
"Es gibt immer Phasen, da geht gefühlt alles rein, und es gibt Phasen, da passiert das nicht", fasste es Hummels nüchtern zusammen, Müller sagte mit Blick auf den erstmaligen Punktverlust in dieser Saison: "Das Spiel fühlt sich negativer an, als es hätte sein müssen. Direkt danach tut das schon weh."
Ein Schmerz, der schon in zwei Tagen verflogen sein muss, wenn die Bayern bei Hertha BSC zum Freitagsspiel gastieren. Sollte dann der nächste Sieg eingetütet werden, dürfte die erste Maß auf der Wiesn noch ein bisschen besser schmecken.