"Wir werden's gewinnen, wir wollen's gewinnen", hatte Lars Ricken am vergangenen Wochenende über das nun mit 1:1 geendete Spiel gegen den FC Bayern München orakelt. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke stimmte dem Geschäftsführer Sport ein paar Tage später zu: "Ich empfinde es genauso."
Dass die Dortmunder so optimistisch in die Partie gegen den ungeschlagenen Tabellenführer gingen, der mit der besten Abwehr der Liga als bestes Auswärtsteam zum BVB reiste, war durchaus ungewöhnlich. Allerdings gleichermaßen nachvollziehbar, schließlich hatte Dortmund alle bisherigen acht Heimspiele der Saison gewonnen und zuletzt aufsteigende Form gezeigt.
Vielleicht fußten die Prognosen aber auch auf der Tatsache, dass die Borussia trotz der starken Heimbilanz als Underdog in die Partie ging. Der Rekordmeister gewann schließlich die sieben Pflichtspiele zuvor allesamt ohne Gegentor und war klarer Favorit - und dem BVB liegt die Rolle als Außenseiter schon seit längerer Zeit.
In der jüngeren Vergangenheit war das besonders in den Begegnungen der Champions League der Vorsaison zu sehen, als man nicht nur die Todesgruppe mit Milan, Newcastle und PSG gewann, sondern eben später auch die K.o.-Duelle mit Atlético und erneut gegen die Pariser. Auch zuletzt im Heimspiel gegen RB Leipzig war es so, da kam Dortmund aus einer Phase mit drei Niederlagen am Stück und ging personell auf dem Zahnfleisch.
Der BVB tut sich als Underdog leichter
Sind die Erwartungen gering und trifft man auf einen Gegner, der nicht das Selbstverständnis des Underdogs mitbringt, tut sich die Borussia leichter als gegen die Mehrzahl der in Dortmund auftretenden Teams, die ihr Heil in einer kompakten Defensive suchen. Es war gewiss keine Glanzleistung, die der BVB am Samstagabend gegen die Münchner bot, aber man hatte die Bayern mit seinen Mitteln am Rande einer Niederlage und bestätigte vor allem für sich selbst den Aufwärtstrend der vergangenen Spiele.
"Ich habe eine sehr gute Dortmunder Mannschaft gesehen, ich bin stolz auf die Jungs", sagte daher auch Trainer Nuri Sahin bei Sky. "Wir haben sehr intensiv gespielt, sind sehr hoch angelaufen und haben das sehr gut gemacht."
Diese Worte passen vor allem auf die ersten 45 Minuten. Da, aber teilweise auch im zweiten Durchgang, spielte Dortmund fokussiert und stand defensiv sehr kompakt - ohne allerdings tief am eigenen Strafraum zu verharren. Vielmehr zeigte sich der BVB in allen Spielphasen sehr aktiv, presste gut und zwang die Bayern zu Fehlern im Aufbauspiel. Auch nach Ballverlusten gelang es den Hausherren, schnell acht, neun Spieler hinter die Kugel zu bekommen, sodass Räume und Passwege für die Gäste zugestellt waren.
Das sind die Gründe für den Aufschwung des BVB
Ging es nach vorne, dann meist zügig und schnörkellos. Dortmund leistete sich selten Fehler im Spielaufbau - und da ist man auch bei einem von mehreren Punkten, weshalb die Westfalen zuletzt formverbessert daherkamen und vier ihrer sechs Pflichtspiele im November gewannen (im Oktober waren es noch zwei von sechs).
Sahins Umstellung auf ein 4-3-3 mit Felix Nmecha als alleinigem Sechser hat Dortmunds Balance im Spiel deutlich verbessert. Der Nationalspieler befindet sich nach langem Anlauf in seiner absolut besten Phase, seit er beim BVB ist und beweist, dass er in beide Spielrichtungen zu einem echten Anker werden kann. Nmecha zeigt sich derzeit ballsicher, technisch stark, pressingresistent und aggressiv in der Defensive.
Zusammen mit den vor ihm positionierten, gleichermaßen laufstarken Achtern Pascal Groß und Marcel Sabitzer hat Nmecha das Dortmunder Zentrum deutlich stabilisiert. Für Sahin gibt es eigentlich keinerlei Grund, daran nach der Rückkehr des gesperrten Emre Can etwas zu verändern. Dem Kapitän dürfte vielmehr eine dauerhafte Versetzung in die Viererkette helfen, seine schwache Saison wieder anzukurbeln.
BVB muss den Punkt gegen die Bayern auswärts vergolden
Da könnte sich mit der Blessur von Waldemar Anton, der gegen die Bayern früh raus musste, schließlich auch ein Türchen öffnen. Allerdings nicht bei Nico Schlotterbeck. Der Innenverteidiger, am Samstag erstmals Spielführer, bewies im abgelaufenen Monat eine starke Form und ist nicht nur im Kerngeschäft des Verteidigens eine Bank, sondern hilft im Aufbauspiel auch durch konstant gute, die Pressinglinie des Gegners überspielende Zuspiele.
Links von ihm hat Ramy Bensebaini vom selben Baum des Selbstvertrauens genascht wie Nmecha. Der Algerier agiert defensiv momentan äußerst zuverlässig und schaltet sich auch immer wieder sinnvoll nach vorne ein. Auch Maximilian Beier hat Anteil am dezenten Aufschwung. Der Neuzugang ist mittlerweile deutlich besser integriert, spielt sehr flexibel und kam in den vergangenen acht Pflichtspielen auf sechs Scorerpunkte - wenn wahlweise der zuletzt überragende Jamie Gittens oder Sabitzer ihre Großchancen versenken, wäre bei Beier eine weitere (starke) Vorlage hinzugekommen.
"Es hilft, dass wir in einer guten Form sind. Die Mannschaft ist eingespielt", hatte Ricken bereits vor Anpfiff gesagt und fühlte sich nach den 90 Minuten "bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind und Stabilität reinbekommen haben". Das dürfte nach dem Gradmesser Bayern tatsächlich die wichtigste Erkenntnis für den BVB sein. Gerade das Ergebnis hilft aber nur, wenn der Punkt am nächsten Wochenende in Gladbach mit dem überfälligen ersten Auswärtssieg der Saison vergoldet wird - in einer Partie, in der Dortmund die wohlige Underdog-Rolle wieder ablegen muss.
BVB: Die nächsten Spiele von Borussia Dortmund
Datum, Uhrzeit | Wettbewerb | Gegner |
Sa., 7. Dezember, 18.30 Uhr | Bundesliga | Borussia Mönchengladbach (A) |
Mi., 11. Dezember, 21 Uhr | Champions League | FC Barcelona (H) |
So., 15. Dezember, 17.30 Uhr | Bundesliga | TSG 1899 Hoffenheim (H) |