Für Außenstehende kam es im vergangenen Sommer relativ überraschend, dass Nnamdi Collins von Borussia Dortmund zu Eintracht Frankfurt wechselte. Der Innenverteidiger hatte schließlich erst während der vorherigen Rückrunde in der zweiten Mannschaft des BVB in Liga 3 debütiert und am Ende acht Spiele bestritten, sieben davon in der Startelf und fünf über 90 Minuten.
Wieso also sollte ein solches Talent, das zuvor Kapitän der U19 war, mit ihr Deutscher Meister wurde und das Team ins Viertelfinale der Youth League führte, die Borussia verlassen? Die SGE zahlte eine knappe Million Euro Ablöse, hinzu kam noch eine Ausbildungsentschädigung, und stattete ihn mit einem Fünfjahresvertrag aus.
BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl wurde in der offiziellen Mitteilung des Transfers damit zitiert, dass "Nnamdi mit dem großen Wunsch auf uns zukam", den Klub wechseln zu wollen. Eine legitime Bitte freilich, die man sich nach SPOX-Informationen allerdings auch etwas selbst zuzuschreiben hatte.
Begonnen hatte alles vor einigen Jahren mit dem Interesse aus England. Manchester United und vor allem der FC Chelsea waren heiß auf Collins, der damals noch ein Jahr Vertrag hatte. Bis zu fünf Millionen Euro (!) waren die Blues bereit, für den 16-Jährigen hinzublättern. Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc aber wollte Collins, auf den man große Stücke setzte und der bereits seit 2016 im Verein spielte, unter keinen Umständen abgeben.
Beim BVB wurde Nnamdi Collins auch zum Reizthema
Aufgrund des Interesses von Chelsea, das zudem auch öffentlich durchsickerte, war Collins in einer guten Verhandlungsposition mit dem BVB. Er erhielt einen neuen, sehr gut dotierten Vertrag, hatte aber auch mit dem einhergehenden Hype umzugehen, der sich an diese Episode anschloss.
In der Folge kam auch etwas Pech hinzu. Collins durfte unter Cheftrainer Lucien Favre bei den Profis mittrainieren und machte auf den Schweizer auch einen guten Eindruck. Favre wollte Collins bei den Profis behalten, doch dann schlug die Corona-Pandemie zu. Unter der neuen Situation litt auch die Schule, Collins wurde klassisch ausgebremst.
Intern wurde der Abwehrspieler zudem ein wenig zum Reizthema, sein fürstliches Arbeitspapier wurde teils kritisch beäugt. Collins blieb zunächst in der U19. Das gefiel Klub wie Trainer Mike Tullberg, schließlich gehört es zur Strategie des BVB, mit den Nachwuchsmannschaften so viele Titel wie möglich zu holen und damit Strahlkraft nach außen besonders für internationale Top-Talente zu erzeugen.
Nnamdi Collins traf sich mit José Mourinho
Weshalb Collins jedoch auch zum Start der Saison 2022/23 ein drittes Jahr in der U19 verbringen sollte, erschloss sich nicht wirklich. Trotz seines Aufstiegs in die zweite Mannschaft fehlte ihm am Ende ein Plan, wie er beim BVB den Sprung zu den Profis schaffen sollte.
Das rief die Eintracht auf den Plan, aber auch die AS Rom unter dem damaligen Trainer José Mourinho. Collins traf sich sogar mit dem Portugiesen, die Giallorossi bekundeten großes Interesse an Collins. In Rom wäre er als Innenverteidiger Nummer fünf bei den Profis eingeplant gewesen.
Doch auch die Hessen hatten sich schwer um Collins bemüht, der der SGE schließlich den Zuschlag gab, weil er den Schritt in Italiens Hauptstadt noch etwas zu groß für sich fand. In Frankfurt hatte Collins allerdings erneut Pech.
Nnamdi Collins und die zwei geplatzten Leihgeschäfte
Ein sofortiges Leihgeschäft mit LASK Linz war bereits mündlich vereinbart, der Flug nach Österreich gebucht - doch dann tauchte der Erstligist plötzlich ab und meldete sich nicht mehr. Der Deal platzte. Selbes Spiel kurz danach beim FC Utrecht.
Trainer Michael Silberbauer wollte Collins haben, doch die Niederländer pochten auf eine Kaufoption im Vertrag. Die Eintracht war dagegen, die Verhandlungen zogen sich. Und zwar so lange, bis Utrecht unter dem Dänen den Saisonstart gehörig in den Sand setzte und Silberbauer entlassen wurde.
Collins blieb somit entgegen des ursprünglichen Plans in Frankfurt, hatte aber durch die lange unklare Zukunft eine alles andere als optimale Vorbereitung hinter sich. Er arbeitete zunächst zwei Monate lang an seiner Fitness bei der zweiten Mannschaft in der Regionalliga und absolvierte dort erste Partien. Im Herbst war Collins schließlich bereit für das Training bei den Profis, Spielpraxis erhielt er weiterhin in der Zweiten.
Bei Eintracht Frankfurt feiert Nnamdi Collins sein Bundesligadebüt
Cheftrainer Dino Toppmöller war mit Collins' Trainingsleistungen sehr zufrieden, er stellte ihm für die Rückrunde sein Bundesligadebüt in Aussicht. So kam es Anfang April auch, zumal Toppmöller ohnehin als Förderer der Talente gilt.
Schließlich verhalf er vor Collins bereits Elias Baum, Nacho Ferri und Noel Futkeu zu ihren ersten Minuten - Collins war jedoch der erste aus der zweiten Mannschaft, der im Heimspiel gegen Werder Bremen von Beginn an ran durfte. Somit war er nur acht Monate nach seinem Abgang aus Dortmund schon deutlich weiter, als er es beim BVB wohl je hätte sein können.
"Nnamdi Collins hat ein ordentliches Bundesligadebüt gegeben, zumal zu Hause vor 58.000 ins kalte Wasser geschmissen", sagte Toppmöller, der damals den verletzten Ellyes Skhiri ersetzen musste und Tuta ins defensive Mittelfeld schob. Den freien Platz bekam Collins - und nicht der deutlich erfahrenere Hrvoje Smolcic.
Nnamdi Collins: Das sind seine Schwächen
Auch Sportvorstand Markus Krösche lobte: "Nnamdi hat es gut gemacht. In den letzten Wochen und Monaten war er auch schon im Training sehr gut, bei der U21 sehr, sehr gut. Er hat ein richtig gutes Bundesligadebüt gegeben."
Zu den 65 Minuten gegen Werder gesellten sich eine Woche später noch 25 in Stuttgart. In diesen Partien bekam man erste Eindrücke, was Collins schon kann und was noch nicht. Gegen Bremen zeigte sich mit 33,3 km/h sein großes Tempo, er war damit hinter Ansgar Knauff (34,5) zweitschnellster Frankfurter. Bereits mit 16 legte er 30 Meter in 3,78 Sekunden hin - es waren die schnellsten Werte, die jemals im Dortmunder NLZ gemessen wurden. Collins spielte zudem acht Pässe ins und zwölf im Angriffsdrittel. Das waren Werte auf dem Niveau von Robin Koch.
Woran der 20-Jährige noch zu arbeiten hat, ist das Stellungsspiel und sein Timing, besonders beim Kopfball. Auch sein schwächerer linker Fuß ist noch ausbaufähig. Das Training unter Toppmöller hat Collins aber vorangebracht, gerade die Einheiten mit Defensivcoach Stefan Buck waren wertvoll. Physisch wie athletisch bringt er bereits sehr viel mit, in Zweikämpfen kann er es mit Gegenspielern auf Top-Niveau aufnehmen.
Nnamdi Collins liegen Angebote aus den Bundesligen vor
Es blieb letztlich bei diesen zwei Auftritten, weil ihn erneut das Pech verfolgte. Nach dem Spiel gegen den VfB erwischte Collins ein Infekt mit dreitägigem Fieber. Eineinhalb Wochen konnte er nicht trainieren - und als er wieder einstieg, verdrehte er sich das Knie, die Saison war gelaufen.
Man bräuchte nun eine Glaskugel, um herauszufinden, welcher nächste Schritt für ihn der beste ist. Nach SPOX-Informationen befindet sich die Eintracht aktuell in Gesprächen mit der Spielerseite, um dieses Thema auszuloten. Collins liegen Angebote für Leihen aus der Bundesliga, aber auch von ambitionierten deutschen Zweitligisten vor.
Die Sache ist durchaus knifflig. Koch und Willian Pacho befinden sich nach der EM und Copa América noch im Urlaub, der neu verpflichtete Innenverteidiger Aurèle Amenda laboriert aktuell an einer Muskelverletzung mit Sehnenbeteiligung. Da Toppmöller mit Tuta vorrangig als Sechser plant, sieht man Collins bei der SGE als einen von vier zentralen Abwehrspielern. Die Rolle als Herausforderer soll er sich durchaus zutrauen, heißt es.
Nnamdi Collins und die Zukunft: Herausforderer oder Leihe?
Collins' Chancen auf Spielzeit sind also da, doch das wären sie natürlich auch bei einem Klub in Liga 2, der ihn als Stammspieler einplant. Mit Leihgeschäften hat die Eintracht in den vergangenen Jahren gute Erfahrungen gemacht, siehe Daichi Kamada oder Tuta. In der abgelaufenen Saison kam Stürmer Igor Matanovic beim Karlsruher SC auf 14 Tore und sieben Vorlagen in 32 Partien.
Collins ist in Frankfurt nun endgültig von einem Jugend- zu einem Seniorenspieler gereift. Daher wollen ihn die Hessen unbedingt weiter fördern und ihm die nötige Spielpraxis garantieren. Die weiteren Gespräche werden zeigen, in welche Richtung es sich für den deutschen U20-Nationalspieler entwickelt. Klar ist: Der Weg zu den Profis war in Frankfurt deutlich kürzer für ihn als beim BVB.
Die Leistungsdaten von Nnamdi Collins
Verein | Pflichtspiele | Tore | Vorlagen |
Borussia Dortmund U17 | 21 | 4 | 1 |
Borussia Dortmund U19 | 57 | 4 | 3 |
Borussia Dortmund II | 8 | - | - |
Eintracht Frankfurt II | 16 | - | - |
Eintracht Frankfurt | 2 | - | - |