BVB rumpelt in die Saison: Emre Can könnte Edin Terzics größtes Problem werden

terzic-bvb-1200
© imago images

Gewiss: Emre Can ist bei weitem nicht der einzige BVB-Spieler mit ausbaufähiger Form in dieser Frühphase der Saison. Doch kein anderer könnte Trainer Edin Terzic so in die Bredouille bringen wie der neue Kapitän.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Emre Can hat beim insgesamt schwachen 1:1 des BVB im kleinen Revierderby beim VfL Bochum kein gutes Spiel gemacht. Es war die zweite stark ausbaufähige Leistung des neuen BVB-Kapitäns im zweiten Saisonspiel. Das allein wäre noch nicht unbedingt eine Erwähnung wert, Can ist bei weitem nicht der einzige Dortmunder, der in dieser frühen Phase der Saison seine Normalform beim Vizemeister noch nicht erreicht hat.

Und doch hängt von der Form Emre Cans mehr als nur der sportliche Ertrag von Borussia Dortmund ab. Ob er will oder nicht: Can kann, wenn er nicht wieder in die Spur kommt, wie kein Zweiter in der Mannschaft Trainer Edin Terzic mindestens in Erklärungsnot und vielleicht sogar in die Bredouille bringen.

VfL Bochum vs. BVB - 1:1

Tore

1:0 Stöger (13.), 1:1 Malen (56.)

Aufstellung VfL Bochum

Riemann - Masovic, Ordets, Bernardo - Passlack (81. Gamboa), Losilla, Stöger (81. Osterhage), Wittek (48. Soares), Bero - P. Hofmann (59. Broschinski), Asano (59. Antwi-Adjei)

Aufstellung Borussia Dortmund

Kobel - M. Wolf, N. Schlotterbeck, Hummels (46. Süle), Bensebaini - Sabitzer (62. Adeyemi), Can, Malen (81. Bynoe-Gittens), F. Nmecha (81. Özcan), Brandt - Haller (81. Moukoko)

Gelbe Karten

Stöger (66.) / Can (75.)

06_Can
© getty

BVB: Emre Can duckt sich nicht weg und ist der Selbstkritik fähig

Der Coach hat (zusammen mit Sportchef Sebastian Kehl) den Nationalspieler zum Nachfolger von Marco Reus als Kapitän der Borussia ernannt. Das ergibt angesichts der Vertragssituation (im Juli vorzeitig bis 2026 verlängert), der Führungsqualitäten und rhetorischen Fähigkeiten des 29-Jährigen durchaus Sinn - auch wenn wir schon damals die Frage aufwarfen, welcher Emre Can wohl Kapitän werde.

Can ist keiner, der sich in Krisen wegduckt, er spricht Probleme klar an, gehört zu den reflektierten Vertretern seiner Art, ein gewisser Hang zur Selbstkritik hat ihn schon immer ausgezeichnet. "Wir haben überhaupt kein gutes Spiel gemacht. Wir wollen dominieren, aber wir spielen zu viele lange Bälle, haben mit dem Ball zu wenig gute Lösungen. Wir haben die Zweikämpfe verloren, wir haben die ersten Bälle verloren, wir haben die zweiten Bälle verloren. Wir ziehen nicht unser Spiel durch, sondern spielen einfach Bochums Spiel mit", sagte Can etwa nach dem 1:1 in Bochum bei Sky.

Zum aktuellen Lage gehört aber: Dortmunds Probleme haben eben auch viel mit Cans Spiel zu tun - und mit Terzics Entscheidung.

Zugegeben: Can rechtfertigte seine vorzeitige Vertragsverlängerung bis 2026 im Juli durch seine vorangegangene stärkste Halbrunde, seit er 2020 von Juventus zum BVB gekommen war. "Emre hat sich in der abgelaufenen Saison zu dem Führungsspieler entwickelt, den wir immer in ihm gesehen haben", sagte Sportdirektor Sebastian Kehl bei der Verlängerung.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Can beim BVB eben nicht immer der Führungsspieler war, den sie beim BVB schon immer gesehen hatten. Ebenfalls zur Wahrheit gehört, dass Kehl dem Vernehmen nach nichts dagegen gehabt hätte, Can in dieser Transferperiode einen weiteren Führungsspieler und Abräumer im defensiven Mittelfeld zur Seite zu stellen.

Lange bevor der BVB beschloss, den Verlust des zu Real Madrid abgewanderten Wunderjungen Jude Bellingham mit Felix Nmecha und Marcel Sabitzer zu kompensieren und lange bevor Can seinen Vertrag unterschrieb, schien schließlich schon der Transfer von Edson Álvarez zum BVB auf der Zielgerade zu sein.

FC Bayern, Sechser, Thomas Tuchel, Aurélien Tchouaméni, Pierre-Emile Höjbjerg, Edson Álvarez
© getty

Borussia Dortmund: Terzic legte sein Veto gegen Edson Álvarez ein

Der Mexikaner, der bei Ajax Amsterdam in der vergangenen Saison eindrucksvoll das Mittelfeld aufgeräumt und manchmal auch abgeräumt hatte, aber gleichzeitig auch durch seine Dribblings aufgefallen war, soll sich sogar schon Häuser in Dortmund angesehen haben, als der Transfer zum BVB in letzter Sekunde platzte. Das überraschte damals viele. Galt doch Álvarez als absoluter Wunschspieler von Sebastian Kehl. Auch der frühere Dortmunder und heutige Ajax-Boss Sven Mislintat soll fest von einem Wechsel des 25-Jährigen zum BVB ausgegangen sein. Doch Edin Terzic soll damals laut übereinstimmender - und vom BVB nicht dementierter - Medienberichte sein Veto eingelegt haben.

Terzic sprach Can das Vertrauen im defensiven Mittelfeld aus und machte ihn durch das Kapitänsamt erst recht unantastbar.

Álvarez hat dann bei West Ham United die Nachfolge des Weltklasse-Sechsers Declan Rice angetreten. Beim BVB schaffen es Sabitzer und Nmecha derweil zu zweit, Bellingham allerhöchstens zur Hälfte zu ersetzen, trotz teils vielversprechender individueller Ansätze vor allem von Nmecha. Der Spielaufbau, schon mit Bellingham in der vergangenen Saison immer wieder eine Schwachstelle des BVB, ist in dieser Frühphase der Bundesligasaison das Gegenteil von dynamisch. Und das hat eben sehr viel mit Emre Can und seiner Art, Fußball zu spielen, zu tun.

Sebastian Kehl, Edin Terzic, BVB
© imago images

Emre Can hat Qualitäten, aber sind das die richtigen für den BVB-Fußball?

Can ist nicht sonderlich schnell, vor allem aber macht er das Spiel nicht schnell. Seine Aktionen sind nicht immer präzise, zudem spielt er im Zweifel lieber einen kurzen Pass zur Seite oder nach hinten statt in die Spitze. Am ersten Spieltag, beim ebenfalls schwachen 1:0 gegen den 1. FC Köln, spielte Can laut den Daten von fbref.com gerade mal einen raumgreifenden Pass (also einen Pass über mehr als zehn Meter nach vorne oder in den Strafraum); Cans Teamkollegen Marcel Sabitzer gelangen am ersten Spieltag sieben solcher raumgreifenden Pässe, Bayerns Joshua Kimmich elf. In der gesamten vergangenen Saison gelangen Can wettbewerbs- und mannschaftsübergreifend in 42 Spielen 118 solcher Pässe, bei Kimmich waren es 425 raumgreifende Pässe in insgesamt 62 Spielen.

Can war noch nie ein Spielaufbauer. Und seine Positionierung ist nicht immer einwandfrei. In Bochum klafften zwischen ihm und Marcel Sabitzer auf der Doppelsechs und den offensiver postierten Julian Brandt und Felix Nmecha teils Löcher von 40 bis 60 Metern.

Can ist keiner, der das Mittelfeld spielerisch zusammenhält oder überhaupt sonderlich gut Fußball spielt. Can ist Kämpfer, Abräumer, Antreiber und Mentalitätsspieler. Can hat unbestritten große Qualitäten, doch die Frage ist, ob diese dem Spiel und der Spielidee des BVB und seines Trainers wirklich immer helfen.