"Dieser Höhepunkt bleibt unvergessen": Als Christoph Daum mit dem VfB Stuttgart das größte Drama der Bundesliga-Geschichte erlebte

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Der VfB Stuttgart trauert um seinen ehemaligen Trainer Christoph Daum. In diesem Zusammenhang erinnern die Schwaben an die Saison 1991/1992, als sich der VfB am letzten Spieltag in einem dramatischen Dreikampf mit Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt zum Meister krönte.

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"Die Nachricht vom Tod von Christoph Daum hat den VfB Stuttgart in tiefe Trauer versetzt. Der ganze Klub gedenkt einer der prägenden Personen des deutschen Fußballs, dem gerade der VfB sehr viel zu verdanken hat. Seine Zeit des Wirkens mit dem Höhepunkt der Deutschen Meisterschaft 1992 bleibt unvergessen. Leider ist seine besondere Energie nun erloschen. Wir sind mit unseren Gedanken eng bei seiner Familie und seinen Freunden", schrieb der VfB nach dem Bekanntwerden von Daums Tod im Alter von 70 Jahren auf X.

Zu diesem Anlass blicken wir auf einen historischen Fußball-Thriller zurück.

Dieser Artikel wurde im August 2022 veröffentlicht

16. Mai 1992, 38. und letzter Spieltag der nach dem Mauerfall vorübergehend auf 20 Mannschaften aufgestockten Bundesliga. Mit Eintracht Frankfurt, dem VfB Stuttgart und Borussia Dortmund, die alle 50 Punkte auf dem Konto hatten, machten sich noch drei Klubs Hoffnungen auf die Meisterschaft.

Klarer Favorit war die Eintracht. Das Team von Trainer Dragoslav Stepanovic war mit Spielern wie Anthony Yeboah, Andreas Möller oder Uwe Bein traumhaft besetzt und spielte bereits die gesamte Saison über den "Fußball 2000". Einen Fußball, der in seiner Eleganz und Schönheit seiner Zeit um Jahre voraus war.

Trotz Punktgleichheit sprach auch die tabellarische Ausgangslage für die Hessen. Frankfurt hatte ein um sieben Treffer besseres Torverhältnis als der zweitplatzierte VfB. Auf den BVB, der auf Rang drei lag, waren es sogar 18 Tore Vorsprung. Und der FC Bayern? Belegte am Ende den zehnten Platz und spielte keine Rolle.

Dazu hatte die SGE einen vermeintlich leichten Gegner: Ein Auswärtsspiel bei Hansa Rostock, das quasi abgestiegen war und zuletzt fünf Mal in Folge verloren hatte. Dortmund musste beim ebenfalls um den Klassenerhalt kämpfenden MSV Duisburg ran, Stuttgart bei Bayer Leverkusen, das noch auf eine UEFA-Cup-Teilnahme schielte. Ein Sieg der Eintracht hätte also die erste Meisterschaft seit 1959 bedeutet. Reine Formsache?

9. Minute: Dortmund ist Tabellenführer

Stephane Chapuisat bringt den BVB in Duisburg nach Vorlage von Michael Zorc in Führung, die Dortmunder springen in der Blitztabelle auf Platz eins. Stuttgart erwischt in Leverkusen einen holprigen Start, während den Frankfurtern in Rostock die Nervosität deutlich anzumerken ist: Ungenauigkeiten, Fehlpässe, Leichtsinn. Trotzdem: So richtig will noch niemand an einen Ausrutscher des Spitzenreiters glauben.

Zwischenstände: Rostock - Frankfurt 0:0, Leverkusen - Stuttgart 0:0, Duisburg - Dortmund 0:1

Tabellenführer: Dortmund

"Für mich gab es überhaupt keine Überlegung, dass Rostock uns schlagen könnte", erinnerte sich Stepanovic Jahre später bei Sport1. Und Eintracht-Stürmer Axel Kruse ergänzte: "Wir haben überhaupt nicht daran gedacht, dass wir vielleicht nicht Deutscher Meister werden könnten."

Die Konkurrenz aus Stuttgart und Dortmund war auch nicht wirklich von einer Überraschung im Ostseestadion überzeugt. "Eigentlich waren wir uns sicher, dass Frankfurt in Rostock gewinnt und damit Meister wird. Entsprechend waren unsere Hoffnungen relativ begrenzt", sagte Dortmunds Thomas Helmer.

Dragoslav Stepanovic war damals Trainer der Eintracht.
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Dragoslav Stepanovic war damals Trainer der Eintracht.

Beim VfB war die Stimmung nach einem mageren 1:1 gegen Wattenscheid in der Vorwoche komplett im Keller. "Die Titelchance schien verspielt", meinte Kapitän Guido Buchwald: "Aber dann haben uns Christoph Daum und Dieter Hoeneß nochmal extrem angeheizt."

Manager Hoeneß erhöhte die Siegprämie von 3000 auf 8000 Mark. Trainer Daum redete die ganze Woche über nur vom Titelgewinn, prophezeite einen Frankfurter Ausrutscher und hängte am Samstagmorgen ein martialisches Plakat in der Kabine auf: "15.30 Uhr - Krieg in Leverkusen!"

20. Minute: Nackenschlag für den VfB

Stuttgarts Libero Slobodan Dubajic spielt den Ball mit der Hand, Schiedsrichter Hans-Peter Dellwing gibt Elfmeter und Martin Kree verwandelt zum 1:0 für Leverkusen. Während es in Rostock und Duisburg vorerst ruhig bleibt, folgt im Ulrich-Haberland-Stadion eine unglaubliche Szene. Andreas Thom vernascht die VfB-Abwehr und hebt den Ball über Keeper Eike Immel hinweg in Richtung Tor. Mit einer halsbrecherischen Aktion, einer Art Fallrückzieher kurz vor der eigenen Torlinie, verhindert Günther Schäfer den Gegentreffer. Auf wundersame Weise bugsiert der Verteidiger die Kugel über den Kasten und hält den VfB am Leben.

Zwischenstände: Rostock - Frankfurt 0:0, Leverkusen - Stuttgart 1:0, Duisburg - Dortmund 0:1

Tabellenführer: Dortmund

Bis heute gibt es in der Bundesliga keinen Feldspieler, der für eine Rettungstat noch Jahrzehnte später so sehr verehrt wird wie Schäfer. Neben seiner Vereinstreue - der mittlerweile 60-Jährige trug 21 Jahre das VfB-Trikot und ist heute Teammanager der Schwaben - ist die Szene von Leverkusen der wesentliche Grund für seinen Status als Klub-Ikone.

"Ich hatte vor allem wahnsinnige Schmerzen nach dem Flug, weil ich mit der Hüfte direkt auf die Torstange gefallen war", sagte Schäfer rückblickend: "Diese Szene hat einen festen Platz in der Fußballgeschichte. Nicht nur in der des VfB, sondern der gesamten Bundesliga."

43. Minute: Der VfB ist wieder im Geschäft

Christian Wörns foult Stuttgarts Ludwig Kögl, es gibt zum zweiten Mal Elfmeter. Der Pfiff ist umstritten, weil das Foul womöglich vor der Strafraumgrenze begangen wird. Fritz Walter, mit 22 Treffern Torschützenkönig der Saison 1991/1992, lässt sich die Chance nicht entgehen und gleicht aus.

Zwischenstände: Rostock - Frankfurt 0:0, Leverkusen - Stuttgart 1:1, Duisburg - Dortmund 0:1

Tabellenführer: Dortmund

Frankfurt glänzte in der Saison 91/92 gegen starke Mannschaften. Stand aber ein Team defensiv und agierte körperbetont, bekam die Stepanovic-Elf häufig Schwierigkeiten. So ließ die Eintracht immer wieder gegen Underdogs leichtfertig Punkte liegen.

Ganz bitter verlief aus Frankfurter Sicht der vorletzte Spieltag, als beim 2:2 gegen Werder Bremen ein riesiger Schritt in Richtung Titel verpasst wurde. Die Bremer hatten sich drei Tage zuvor durch einen 2:0-Sieg im Finale gegen die AS Monaco den Titel im Europapokal der Pokalsieger gesichert und anschließend "eine Party nach der anderen geschmissen", wie Werder-Verteidiger Uli Borowka in seinem Buch "Volle Pulle" schrieb.

Einen komplett nüchternen Bremer Spieler suchte man in Frankfurt somit vergeblich. Borowka hatte seinem Kumpel Andreas Möller vor dem Spiel noch zugerufen: "Ey Andy, macht mal locker, heute gewinnt ihr sowieso. Wir werden euch jedenfalls nicht daran hindern."

Doch dann agierten die Frankfurter übermotiviert. "Sie haben auf uns eingetreten, als hätte man ihnen für jeden blauen Fleck eine Prämie versprochen", berichtete Borowka: "Nach der dritten harten Grätsche wurde es uns zu bunt." Die Norddeutschen hielten fortan dagegen und klauten einen Zähler.

Halbzeit: Der BVB ist Meister

Dortmund ist in den ersten 45 Minuten in Duisburg spielbestimmend. Helmer und Flemming Povlsen vergeben gute Chancen, um zu erhöhen. In Leverkusen kann sich der VfB bei Immel bedanken, der mit einer starken Parade gegen Thom den erneuten Rückstand verhindert. Die Eintracht bekommt die Partie in Rostock nach einer halben Stunde immer besser in den Griff. Möller und Kruse lassen allerdings Möglichkeiten zur Führung aus.

Zwischenstände: Rostock - Frankfurt 0:0, Leverkusen - Stuttgart 1:1, Duisburg - Dortmund 0:1

Tabellenführer: Dortmund

Schon in den Tagen vor dem Showdown an der Ostsee leistete sich die Eintracht zumindest rückblickend gesehen einige Fehler. So bezogen die Hessen drei Tage vor der Partie ein Trainingslager in einem schönen Hotel in Graal-Müritz vor den Toren Rostocks.

"Das war nicht meine Idee, aber ich werfe mir vor, dass ich dem letztlich zugestimmt habe", hadert Stepanovic noch heute: "Dort hat sich ein viel größerer Druck aufgebaut, als wenn wir in Frankfurt bei Familie und Freunden geblieben wären."

Speziell für Stürmer Kruse war die Ablenkung bei der Rückkehr in die alte Heimat - der heute 54-Jährige verbrachte vor seiner Flucht in den Westen acht Jahre bei Hansa - enorm. "Mich haben im Hotel viele Freunde besucht, auch meine Eltern haben vorbeigeschaut. Wir haben gefühlt schon mal die Meisterfeier vorbereitet", so Kruse.

Außerdem drang vor dem Spiel zu den Rostock-Spielern durch, dass die Eintracht die Meisterfeierlichkeiten für Samstagnacht tatsächlich bereits im Sheraton-Hotel in Frankfurt vorbereitet hatte. T-Shirts mit dem Schriftzug "Deutscher Meister 1991/92 - Eintracht Frankfurt" und zahlreiche Champagnerflaschen lagerten obendrein im Mannschaftsbus.

"Das hat uns angestachelt. Wir haben uns gesagt: 'Die feiern hier heute nicht'", sagte der frühere Hansa-Kicker Juri Schlünz einst bei Sport1.

Während Coach Ottmar Hitzfeld in Dortmund die gewohnte Routine beibehielt, beorderte Daum die VfB-Profis ebenfalls in ein Kurztrainingslager. Als Ort wählte er allerdings bewusst kein angenehmes Hotel, sondern die etwas ungemütliche Sportschule Hennef.

65. und 67. Minute: Schock und Hoffnung

Mitten in eine Eintracht-Drangphase hinein fährt Hansa einen Konter. Der eingewechselte Heiko März bringt den Ball flach von der rechten Seite in den Strafraum, wo Jens Dowe einschiebt. Frankfurts Schockzustand löst sich schnell. Keine 120 Sekunden später trifft Kruse nach Flanke von Ralf Weber per Kopf zum 1:1. Die Eintracht dreht die Partie sogar fast, doch Yeboah scheitert an Torhüter Daniel Hoffmann. In Leverkusen schraubt Schäfer weiter an seinem Heldenstatus, indem er den VfB zweimal durch Grätschen in höchster Not rettet. Der BVB hat nach wie vor alles im Griff. Aber: Wenn Frankfurt oder Stuttgart ein Tor erzielen, sind die Schwarz-Gelben ihre Tabellenführung los.

Zwischenstände: Rostock - Frankfurt 1:1, Leverkusen - Stuttgart 1:1, Duisburg - Dortmund 0:1

Tabellenführer: Dortmund

In Rostock wurde ein klares Foul an Frankfurts Ralf Weber nicht gepfiffen.
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In Rostock wurde ein klares Foul an Frankfurts Ralf Weber nicht gepfiffen.

Weil sich im Wedaustadion in der zweiten Halbzeit lange Zeit nicht viel tat, waren viele BVB-Spieler eher mit den Ergebnissen auf den anderen Plätzen als mit ihrem eigenen Spiel beschäftigt.

"Ich hatte immer Kontakt mit unserem Masseur am Spielfeldrand, weil der ein Radio dabei hatte", erzählte Dortmunds Mittelfeldspieler Michael Rummenigge einmal bei Sport1: "Also wusste ich genau: Weder Frankfurt noch Stuttgart führen - die Chance ist also wirklich da."

Für die Borussia, die damals eine homogene, aber keineswegs herausragende Mannschaft hatte, wäre es die erste Meisterschaft seit 1963 und damit ein echter Coup gewesen.

Stuttgarts letzter Meistertitel lag damals acht Jahre zurück. Der VfB hatte in den Jahren vor 1992 zwar wohl eine personell besser besetzte Truppe, diesmal entwickelte sich allerdings ein echter Teamgeist.

75. Minute: Ein kapitaler Schiri-Blackout

Nun nimmt das Drama seinen Lauf, was nicht nur an Stepanovics Zigarre zu sehen ist, die mittlerweile wie verrückt zwischen seinen Lippen auf und ab wippt. Stefan Böger foult Frankfurts Weber im Sechzehner - ein glasklarer Elfmeter. Unglaublich, aber wahr: Schiedsrichter Alfons Berg lässt weiterspielen. Weber rastet komplett aus und stürmt auf den Unparteiischen zu.

Zwischenstände: Rostock - Frankfurt 1:1, Leverkusen - Stuttgart 1:1, Duisburg - Dortmund 0:1

Tabellenführer: Dortmund

"Das war der klarste Elfer, den ich je gesehen habe", sagte Eintracht-Libero Manfred Binz zu Sport1: "Wenn ich Weber nicht aufgehalten hätte, wäre er vermutlich für immer gesperrt worden. Der hätte den Berg aus dem Stadion rausgetreten."

"Ich war auch völlig überrascht, als Alfons Berg meinte: 'Weiterspielen, weiterspielen.' Das war natürlich für Frankfurt eine Katastrophe", meinte Missetäter Böger.

Unmittelbar nach dem Spiel räumte Berg seinen Fehler ein: "Ich hätte pfeifen müssen."

79. Minute: Drama um Sammer

Alle VfB-Träume scheinen geplatzt. Matthias Sammer sieht nach einem harmlosen Foul an Jorginho Gelb. Weil sich der "Motzki" nicht zurückhalten kann, höhnisch applaudiert und noch einige Worte an den Schiri richtet, zückt Hans-Peter Dellwing Rot. Stuttgart wirft in Unterzahl alles nach vorne, Manfred Kastl trifft den Pfosten. In Rostock macht Frankfurt weiter mächtig Dampf. Und auch in Duisburg geht es nun rund. Patrick Notthoffs Schuss klatscht an den Pfosten der Dortmunder, kurz darauf trifft Rummenigge die Latte. Hitzfeld kann kaum mehr hinsehen und schlägt immer wieder die Hände vors Gesicht.

Zwischenstände: Rostock - Frankfurt 1:1, Leverkusen - Stuttgart 1:1, Duisburg - Dortmund 0:1

Tabellenführer: Dortmund

Ausgerechnet im Finale um die Meisterschaft und im letzten Spiel für den VfB vor seinem Wechsel zu Inter Mailand verlor Sammer die Nerven.

Der mittlerweile 54-Jährige verzog sich damals in die Kabine und setzte sich in den Duschraum - in dem festen Glauben, seinen Teamkollegen die Meisterschaft versaut zu haben.

"Dort habe ich wie ein Kind geheult, dem sie den Teddybären weggenommen haben", sagte Sammer.

Stuttgarts Guido Buchwald erzielte das entscheidende Tor zur Meisterschaft.
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Stuttgarts Guido Buchwald erzielte das entscheidende Tor zur Meisterschaft.

86. Minute: Buchwalds Moment für die Ewigkeit

Nach einer Ecke durch Kögl landet der Ball erneut beim gebürtigen Bayer. Der heutige Spielerberater umkurvt Wörns, zieht in den Strafraum und hebt den Ball von der linken Seite gefühlvoll an den zweiten Pfosten, wo Buchwald aus vier Metern zum 2:1 für Stuttgart einköpft. In der Blitztabelle springt der VfB von Rang drei auf eins. In Rostock rennt Frankfurt verzweifelt an. Lothar Sippels Treffer wird wegen eines Handspiels aberkannt, Edgar Schmitt scheitert aus 17 Metern am Pfosten. Währenddessen hat der BVB beim MSV wieder alles unter Kontrolle, kann aber nur noch auf ein Tor der Leverkusener hoffen.

Zwischenstände: Rostock - Frankfurt 1:1, Leverkusen - Stuttgart 1:2, Duisburg - Dortmund 0:1

Tabellenführer: Stuttgart

Es dauerte bis exakt 17.15 Uhr, ehe Stuttgart erstmals am letzten Spieltag und zum dritten Mal in der gesamten Saison die Tabellenführung übernahm. Und es war das dritte Mal, dass es an diesem Samstag einen neuen Spitzenreiter gab. Bis zur 9. Minute war das die Eintracht, dann lange Dortmund, nun der VfB.

VfB-Arzt Thomas Fröhlich rannte in die Kabine zu Sammer und schrie: "Komm' raus, in zwei Minuten sind wir Meister!" Doch der Nationalspieler nahm das alles gar nicht wahr, zu sehr war er mit sich und seinem Fauxpas beschäftigt.

Kabinenfeier in Leverkusen: Der VfB Stuttgart war Deutscher Meister 1992.
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Kabinenfeier in Leverkusen: Der VfB Stuttgart war Deutscher Meister 1992.

89. Minute: Der Kollaps der Eintracht

Frankfurt attackiert und läuft in einen Konter. Böger ist auf und davon, geht an Torwart Uli Stein vorbei und schiebt den Ball in den verwaisten Kasten zum 2:1. Als in Leverkusen die Nachricht von der Hansa-Führung durchsickert, brechen alle Dämme. VfB-Fans stürmen den Rasen, vergeblich versuchen einige Stuttgart-Profis, ihren Anhang zurückzuschicken. Schiri Dellwing sieht keinen anderen Ausweg und pfeift 50 Sekunden zu früh ab - der VfB ist Meister.

Endstände: Rostock - Frankfurt 2:1, Leverkusen - Stuttgart 1:2, Duisburg - Dortmund 0:1

Deutscher Meister: Stuttgart

Für den VfB begann eine tagelange Party, zunächst musste aber Sammer informiert werden. "Als wir nach dem Spiel in die Kabine gekommen sind, mussten wir Matthias Sammer erstmal erzählen, dass wir Deutscher Meister sind. Der hat das nicht geglaubt", sagte Buchwald zu Sport1.

Buchwald wurde - weil ihm die Fans auf dem Platz vor Begeisterung das Trikot vom Leib rissen - der erste Kapitän der Bundesliga-Geschichte, der die Schale mit nacktem Oberkörper entgegennahm.

Der Weltmeister von 1990 ("Vielleicht bin ich in Leverkusen ein Stück unsterblich geworden") und Schäfer gingen als die ultimativen Helden der Meisterschaft 1992 in die VfB-Geschichte ein. Leverkusens Manager Reiner Calmund erwies sich als Ehrenmann und belieferte die Stuttgarter mit Champagner.

Bei den Dortmundern herrschte dagegen Frust, der mit reichlich Alkohol heruntergespült wurde, was Rummenigge nicht vergessen hat: "Als ich von der Führung der Stuttgarter erfahren habe, ist alles in mir zusammengebrochen. Es haben nur ein paar Minuten gefehlt, das war schon bitter. Wir sind anschließend mit ein paar Leuten zum Essen gegangen und haben uns schön einen reingeschmettert."

Trauer in Rostock: Der sicher geglaubte Meister Eintracht Frankfurt patzte beim Außenseiter.
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Trauer in Rostock: Der sicher geglaubte Meister Eintracht Frankfurt patzte beim Außenseiter.

Die Stimmung der Frankfurter mit Frust zu umschreiben, wäre eine Untertreibung. "Es war, als wären wir gestorben", sagte Binz noch Jahre später. Weber trat außer sich vor Wut eine Fernsehkamera kaputt und wurde von Weinkrämpfen geschüttelt von Ordnern vom Platz begleitet.

Auch in der Kabine herrschten Wut und Trauer, Glasflaschen flogen an die Wand. Als Schiri Berg in die Eintracht-Kabine gehen wollte, um sich für seinen Fehler zu entschuldigen, wurde er von Kruse mit den Worten "Alfons, ganz ehrlich, ich glaube, das ist keine gute Idee" abgehalten.

Die Frankfurter flogen noch am Abend zurück in die Heimat und mussten dann auch noch das Bankett im Sheraton, das einer Trauerfeier glich, über sich ergehen lassen.

"Das war eine Katastrophe, unendlich traurig", sagte Stepanovic und ergänzte im typischen "Stepi"-Duktus über die vorgeplante Feier: "Die hatten den Spieß schon vorbereitet, dabei war der Hase noch im Wald."

Bundesliga: Die Abschluss-Tabelle der Saison 1991/1992

PlatzVereinSpieleSUNToreDiff.Punkte
1VfB Stuttgart382110762:323052:24
2Borussia Dortmund382012666:471952:24
3Eintracht Frankfurt381814676:413550:26
41. FC Köln381318758:411744:32
51. FC Kaiserslautern (M)3817101158:421644:32
6Bayer 04 Leverkusen3815131053:391443:33
71. FC Nürnberg381871354:51343:33
8Karlsruher SC381691348:50-241:35
9Werder Bremen (P)3811161144:45-138:38
10Bayern München3813101559:61-236:40
11FC Schalke 04 (N)3811121545:45034:42
12Hamburger SV389161332:43-1134:42
13Bor. Mönchengladbach3810141437:49-1234:42
141. FC Dynamo Dresden (N)3812101634:50-1634:42
15VfL Bochum3810131538:55-1733:43
16SG Wattenscheid 09389141550:60-1032:44
17Stuttgarter Kickers (N)3810111753:64-1131:45
18Hansa Rostock (N)3810111743:55-1231:45
19MSV Duisburg (N)387161543:55-1230:46
20Fortuna Düsseldorf386122041:69-2824:52
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