Auf einen Schlag war Thomas Strakosha auch den Mainstream-Fans in Deutschland ein Begriff. Der langjährige Keeper von Serie-A-Topklub Lazio Rom gastierte am Montag im Unterföhringer Sky-Studio. Knapp zehn Minuten saß er dort und quatschte in der Sendung "Transfer Update" munter über eine ganze Bandbreite an Themen: seine Knieverletzung, die er derzeit in München behandeln lässt, Transfermarktentwicklungen, sein Idol Manuel Neuer, das bevorstehende Duell mit dem FC Bayern. Und über Borussia Dortmund.
"Dortmund ist ein großer Verein. Sie haben ein sehr junges Team und es ist auch noch sehr talentiert. Es wäre schon interessant, dort zu spielen", schwärmte der 25-Jährige und bot sich zwischen den Zeilen einfach mal bei den Verantwortlichen an: "Ich würde lügen, wenn ich nicht interessiert wäre. Mal ehrlich: Wer wäre bei einer Anfrage eines solchen Vereins nicht interessiert?"
Michael Zorc wird die Bewerbung inmitten der anhaltenden Torhüterdebatte mit Sicherheit vernommen haben. Zuletzt stand der derzeit verletzte Roman Bürki aufgrund zunehmender Patzer und extremer Formschwankungen abermals in der Kritik. Auch Ersatzmann Marwin Hitz wusste nicht gänzlich zu überzeugen.
Folglich verdichten sich nun die Anzeichen dafür, dass der BVB in der kommenden Saison mit einer neuen Nummer eins aufwartet. Doch welche Keeper mit (potenzieller) internationaler Klasse sind überhaupt zu haben? Ein Trio wurde zuletzt gehandelt, keiner davon dürfte am Ende kommen: Leipzig-Schlussmann Peter Gulacsi bekannte sich zu RB, eine Verpflichtung von Ajax-Torwart Andre Onana scheint angesichts der jüngst verhängten zwölfmonatigen Dopingsperre vom Tisch zu sein und der Ex-Stuttgarter Odysseas Vlachodimos besitzt bei Benfica einen langfristigen Vertrag sowie eine horrende Ausstiegsklausel von 60 Millionen Euro. Womöglich lohnt sich ja doch mal ein Blick auf Strakoshas Initiativ-Bewerbung.
Lazio-Trainer Inzaghi über Strakosha: "Einer der Besten"
Als Sohn des albanischen Rekordnationalspielers Fotaq Strakosha, der zwischen 1990 und 2005 als Nationalkeeper fungierte, bekam Thomas die Torwarthandschuhe quasi mit in die Wiege gelegt. Die ersten fußballerischen Gehversuche unternahm er in jungen Jahren bei Panionios in seinem Geburtsort Athen, ehe er mit 17 Jahren von Lazio Rom gesichtet und in die Nachwuchsabteilung aufgenommen wurde.
Es folgten sporadische Kaderberufungen in die erste Mannschaft sowie eine Leihe zum Zweitligisten US Salernitana. Etwas unverhofft profitierte er nach seiner Rückkehr in die Ewige Stadt von Etrit Berishas Wechsel nach Bergamo sowie Federico Marchettis Verletzung. Strakosha fand sich auf einmal regelmäßig in der Startelf wieder. Seit der Saison 2016/2017 war er unumstrittener Stammspieler, lediglich drei von 114 Serie-A-Partien verpasste er bis zum Ende der vergangenen Saison. "Er spielt bereits seit viereinhalb Jahren bei mir und hat bewiesen, dass er einer der Besten ist", sagte Lazio-Coach Simone Inzaghi letztes Jahr über seinen Schlussmann.
Vor allem in der vergangenen Spielzeit hatte Strakosha maßgeblichen Anteil am Erfolg der Biancocelesti, die nach Juve und Inter die wenigsten Gegentore kassierten und sich infolgedessen erstmals seit 13 Jahren wieder für die Champions League qualifizierten. Der 1,93 große Keeper brachte es dabei auf 72,9 Prozent abgewehrte Schüsse - viertbester Wert aller Stammtorhüter in Italiens Beletage.
Strakoshas Vorteil gegenüber BVB-Torwart Bürki
Zum Vergleich: BVB-Schlussmann Bürki schaffte es im gleichen Zeitraum nicht mal in die Top 10 der Bundesliga (59,18 Prozent). Dennoch: Auf der Linie ist der Schweizer grundsätzlich stark, seine Reflexe teils überragend. Das bewies er nicht zuletzt im direkten Duell mit Lazio (1:1 am 2. Dezember), als er dem BVB durch drei Glanztaten das Remis und letztlich den Einzug ins Achtelfinale sicherte. Bürkis Schwächen manifestieren sich vielmehr bei hohen Bällen oder Eins-gegen-Eins-Situationen, in denen er schlicht zu zögerlich agiert. Hinzu kommen Schwächen im Spielaufbau, da Bürki am Ball gewisse Defizite aufweist. Ergebnis: Unpräzise Pässe verfehlen zu häufig den Adressaten oder führen dazu, dass kopfballschwache Spieler wie Jadon Sancho oder Gio Reyna mit selbigen überfordert sind.
Vor allem im letztgenannten Bereich verfügt der fünf Jahre jüngere Strakosha bereits über deutlich ausgeprägtere Ballfertigkeiten und ist auch mit seinem schwachen linken in der Lage, den entsprechenden Mitspieler präzise in Szene zu setzen. "Er ist nicht nur auf der Linie stark, sondern nimmt auch aktiv an Lazios Ballzirkulation teil", unterstreicht Lazio-Experte Stefano Silvestri von Goal Italien: "Die Biancocelesti sind ein Team, das viel Wert auf Ballbesitz legt und aus der Defensive heraus aufbaut. Dementsprechend ist er viel daran beteiligt." Hinzu kommen laut Silvestri auch Vorteile in der Strafraumbeherrschung, die der 1,93 Meter große Schlussmann naturgemäß bereits mitbringt.
"Trotzdem war Strakosha während seiner Zeit bei Lazio natürlich nicht immer fehlerlos", ergänzt Silvestri und verweist dabei unter anderem auf Ungenauigkeiten bei Paraden sowie die insgesamt hohe Anzahl an Gegentoren (209) in bislang 174 Pflichtspielen.
Hinzu kommt, dass der 25-Jährige in der laufenden Saison kaum Spielpraxis sammeln konnte. Erst setzte ihn eine Coronainfektion außer Gefecht, kurzzeitig stand Lazio sogar unter Verdacht, Coronatests gefälscht zu haben. Ersatzmann Pepe Reina, in der Saison 2014/2015 auch Nummer 2 hinter Manuel Neuer bei FC Bayern, hielt in der Folge stark - und blieb den ganzen Dezember im Kasten. Im Januar verletzte sich Strakosha auch noch. So brachte es der der albanische Nationaltorhüter bis dato nur auf acht Saisoneinsätze.
BVB-Keeper Bürki und Lazios Strakosha im Vergleich
Roman Bürki | Saison 2019/20 | Thomas Strakosha |
31 | Ligaspiele | 38 |
1,29 | Gegentor pro Spiel | 1,11 |
12 | Zu-Null-Spiele | 11 |
1,87 | Torwartparaden pro Spiel | 3,0 |
59,2 % | Gehaltene Torschüsse | 73,1 % |
27,9 | Pässe pro Spiel | 28,5 |
38 % | Lange Pässe | 43 % |
76 % | Passquote | 76 % |
BVB-Transfer? Strakosha: "Schauen wir mal, was im Sommer passiert"
"Ich werde von Zeit zu Zeit zwischen Pepe und ihm entscheiden", ließ Simone Inzaghi im Januar verlauten und verzichtete damit auf ein klares Bekenntnis zu seinem sonst so unumstrittenen Stammtorhüter.
"Schauen wir mal, was im Sommer passiert", sagte Strakosha nun bezüglich seiner Zukunft. Ob das offensive Flirten mit dem BVB angesichts seiner gefährdeten Rolle von Kalkül getrieben war? Schwer zu sagen, fest steht allerdings: Die Rahmenbedingungen für einen Wechsel wären grundsätzlich gegeben.
Strakoshas Vertrag in Rom läuft im Sommer 2022 aus, die Vertragsverlängerung steht auf der Kippe, ein Abschied daher denkbar. Für eine Verpflichtung müssten die Schwarz-Gelben rund 20 Millionen Euro Ablöse nach Rom überweisen. Angesichts der aktuellen Marktgegebenheiten zählt der Albaner zweifellos zu den vielversprechendsten Lösungen, die in der nächsten Transferperiode realisierbar wären. Ob er die Torhüterdiskussionen beim BVB jedoch auf Anhieb beenden könnte, darf angesichts seines noch jungen Alters und überschaubarer internationaler Erfahrung freilich hinterfragt werden.
Am 17. März steigt jedenfalls das Rückspiel des Champions-League-Achtelfinals zwischen Bayern und Lazio in München. Sofern er seine Knieverletzung bis dahin übersteht, hat Strakosha dort erneut die Möglichkeit, sich vor laufender Kamera zu bewerben - Michael Zorc wird bestimmt einschalten.