FC Bayern und Niko Kovac reagieren: Der Hinrunde zum Trotz

Von Kerry Hau und Dennis Melzer
Niko Kovac war nicht gänzlich zufrieden mit dem Sieg des FCB gegen den VfB.
© getty

Der 4:1-Heimsieg gegen den VfB Stuttgart zeigt, dass es der FC Bayern mit seiner Aufholjagd auf Borussia Dortmund ernst meint. Er offenbart aber auch, dass die ungeliebten Makel aus der Hinrunde noch nicht ganz behoben sind. Niko Kovac stört, dass seine Mannschaft nicht 90 Minuten Vollgas-Fußball spielt. Er bietet im Vergleich zu einigen Partien der ersten Saisonhälfte aber auch Lösungen an. Das kommende Auswärtsspiel beim wieder erstarkten Bayer Leverkusen wird zur harten Bewährungsprobe.

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Obwohl die bitterliche Abendkälte in der Allianz Arena längst eingebrochen war, ließen es sich die Spieler des FC Bayern nicht nehmen, ihren ersten Heimsieg im neuen Kalenderjahr ausgiebig mit ihren Fans zu feiern.

Mats Hummels beschenkte einen Zuschauer mit seinem Trikot und einer Selfie-Lawine und David Alaba drehte eine Ehrenrunde, ehe die Mannschaft geschlossen zum Tanz vor die Südkurve marschierte. "Deutscher Meister", hallte es unüberhörbar von den Rängen, "wird nur der FCB."

Wieder hatten die Münchner die Vorlage des sechs Punkte entfernten Spitzenreiters aus Dortmund erfolgreich gekontert und gesiegt. Zum siebten Mal in Folge wohlgemerkt. So, wie man eine Aufholjagd eben angeht. Mit Konsequenz und Konstanz. Und doch war nach dem am Ende souveränen 4:1 gegen den krisengeplagten VfB keinem Bayern-Akteur ein zufriedenes Grinsen abzugewinnen. Sie hatten eben nur ihre Pflicht erledigt. Und das, behaupteten sie selbst, nicht einmal überzeugend.

"Wake-Up-Call" und Wechsel von Niko Kovac fruchten

"In der ersten Halbzeit waren, wenn überhaupt, zehn bis 15 Minuten in Ordnung", mäkelte Trainer Niko Kovac, "alles andere war total langsam, das müssen wir besser machen." Diese Meinung hatte er freilich nicht exklusiv. Auch die Spieler haderten mit ihrem Vortrag in Durchgang eins, in der sie die Stuttgarter nach einem fulminanten Start mit dem Führungstor durch Thiago in der fünften Minute freundlich, eigentlich viel zu freundlich für einen selbsternannten "Aufholjäger", in die Partie einluden.

Nach dem Ausgleich durch Anastasios Donis (26.), einem Sonntagsschuss aus gut 25 Metern in den Knick, "sind uns Szenarien aus der Hinrunde durch den Kopf gegangen", räumte der spätere Torschütze Leon Goretzka im Gespräch mit den Journalisten ein, "da haben wir uns oft zu sehr in Sicherheit gewägt und einen Gang heruntergeschaltet." Warum? Das sei "schwierig zu erklären", sagte Joshua Kimmich.

Im Gegensatz zur Hinrunde blieb der Münchner Hang zur Passivität jedoch unbestraft. Das lag mal an dem wachsamen Manuel Neuer, mal am Aluminium, aber insbesondere an einer deutlichen Leistungssteigerung nach dem Seitenwechsel. Oder mit den Worten von Thomas Müller: an einem "Wake-Up-Call" beim Pausentee. "Die erste Halbzeit war einfach nicht gut", berichtete Kimmich, "das hat der Trainer angesprochen."

Joshua Kimmich ein Sinnbild für die zwei Bayern-Gesichter

"Ich habe deutliche Worte gefunden", verriet Kovac, ohne näheri ns Detail zu gehen. Am meisten störte ihn jedoch die fehlende Vertikalität im Münchner Spiel. "Wir haben zu viele Leute hinter dem Ball gehabt und waren im Mittelfeld unterbesetzt", sagte Kovac, "unsere Sechser haben sich fallen gelassen, dadurch war Leon alleine im Mittelfeld. Das haben wir nicht gut gemacht."

Der 47-Jährige sprach die Mängel nicht nur an, er reagierte auch personell. Sein Wagnis, mit der Hereinnahme von Serge Gnabry für Javi Martinez die eingeschlafene Offensive aufzurütteln, ging auf. Der Edeljoker erzwang mit seinem ersten Abschluss das Eigentor von Christian Gentner (55.). Goretzka per Kopf (71.) und Robert Lewandowski mit einer feinen Einzelaktion (85.) sorgten für klare Verhältnisse.

Letzterem bot sich per Elmeter sogar noch die Möglichkeit auf einen Doppelpack, sein Schuss klatschte aber gegen den Pfosten. Die zurückerlangte Dominanz spiegelte sich ebenfalls in der Defensive wider, gaben die Gäste nicht einmal halb so viele Torschüsse (2) wie in den ersten 45 Minuten (5) ab.

Allen voran Kimmich stand an diesem Nachmittag sinnbildlich für die zwei Bayern-Gesichter. Nachdem der Rechtsverteidiger in der ersten Halbzeit noch mehrere Bälle ungewohnt fahrig vertändelt hatte, trug er in Durchgang zwei mit zwei Assists entscheidend zum Sieg gegen seinen langjährigen Jugendverein bei.

Keine Trauerstimmung beim VfB: "Haben unheimliche Qualität"

Der rutschte, das war die einzige gute Nachricht für die VfB-Anhänger, nach der erwartbaren Pleite in München zumindest nicht weiter in der Tabelle ab, da am Samstag weder Hannover noch Nürnberg gepunktet hatten. "Wir hätten gut damit leben können, wenn es keine Halbzeitpause gegeben hätte und wir durchgespielt hätten", sagte Sportvorstand Michael Reschke über das mutige Auftreten der Seinen nach dem Ausgleich durch Donis.

Die Enttäuschung hielt sich allerdings in Grenzen. Aus dem VfB-Lager waren Kampfansagen statt Trauerworte zu vernehmen. "Ich glaube fest an uns. Wir haben trotzdem eine unheimliche Qualität im Kader", meinte etwa Abwehrmann Marc-Oliver Kempf. Nächstes Wochenende geht es mit dem SC Freiburg zur Abwechslung wieder gegen einen Kontrahenten auf Augenhöhe.

Die Bayern müssen nach Leverkusen. Ein freilich anderes Kaliber als Stuttgart. Die Werkself kommt unter Neu-Coach Peter Bosz immer besser in Fahrt, schlug Wolfsburg am Samstag mit 3:0. "Die sind ganz gut drauf", registrierte auch Kimmich, "aber wir brauchen uns nicht zu verstecken." Erst recht, nicht wenn sie nur das Gesicht der zweiten Stuttgart-Halbzeit zeigen.

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