Zu Caiubys Verteidigung muss ja schon auch gesagt werden, dass da am vergangenen Samstag viel geboten wurde im Augsburger Kesselhaus. Noch am Nachmittag kündigte die Disko in einem euphorischen Facebook-Post unter anderem "Candy Empfang, Konfetti Shower, Co2 guns und eine LED Show" an. Darüber hinaus bestünde gar eine sogenannte "Vergeilungsgefahr mit DJ HOTSTUFF und DJ NAMASTE".
Der 30-jährige brasilianische Spaßvogel jedenfalls konnte diesem Angebot nicht widerstehen und besuchte die Party, wie zunächst Handyvideos vermuten ließen und dann auch der Kesselhaus-Geschäftsführer Stephan Schulz der Augsburger Allgemeinen bestätigte.
Das war jedoch gleich aus zwei Gründen problematisch.
Zunächst einmal hatte Caiubys Arbeitgeber FC Augsburg knapp fünfeinhalb Stunden vor Partybeginn ein Bundesligaspiel bei Borussia Mönchengladbach mit 0:2 verloren und war somit zum zehnten Mal in Folge sieglos geblieben - der Vorsprung auf den VfB Stuttgart auf dem Relegationsplatz beträgt lediglich einen Punkt.
Problematisch war außerdem, dass Caiuby an diesem zehnten sieglosen Bundesligaspiel anders als an besagter Party nicht teilgenommen hat. Grund dafür war dessen eigenhändige Verlängerung des Winterheimaturlaubs um läppische knapp dreieinhalb Wochen. Erstmals gesichtet wurde Caiuby nach seiner Rückkehr dann nicht im Vereinsheim, sondern eben im Kesselhaus.
Der turbulenteste Tag in Augsburgs Vereinsgeschichte?
Caiubys Diskobesuch war die spätabendliche negative Krönung des womöglich turbulentesten Tages der Augsburger Vereinsgeschichte. Eines Tages, der das Ende der jahrelang antrainierten großen Augsburger Stärke im Abstiegskampf bedeutete - und zwar, dass dort eigentlich nie irgendetwas auch nur im Ansatz Turbulentes passiert. Vorbei!
Nach der Niederlage in Gladbach attackierte zunächst Trainer Manuel Baum im Spielertunnel den Unparteiischen Harm Osmers: "Was ist mit diesem Schiedsrichter los? Ein Witz ist das! Ein Dilettant ohne Ende! Der kennt die eigenen Regeln nicht und pfeift Bundesliga." Bei der folgenden Pressekonferenz sprach er von einem "Skandal". Es ging um das Gladbacher Führungstor, das aus einer Abseitsposition erzielt worden war.
Verteidiger Martin Hinteregger sagte derweil über Baum: "Ich kann nichts Positives über ihn sagen und werde auch nichts Negatives sagen." Außerdem forderte er, dass dieser "wieder eine Taktik finden muss, die zu uns Spielern passt". Denn: "Es macht keinen Spaß, wenn du nur immer dem Ball nachläufst und hin und her verschiebst."
Andre Hahn maßregelte - wenn man es so nennen will - seinen Kollegen Hinteregger, indem er verkündete: "Ich will nichts schönreden, aber uns gegenseitig zu zerfleischen bringt nichts. Wenn wir jetzt hier rumkotzen und sagen, alles ist schlecht, kommen wir nicht weiter."
Stefan Reuter räumt auf - und holt Jens Lehmann
Es war eine Ansammlung an Handlungen und Aussagen, die Augsburg und seine Protagonisten seitdem aufräumen müssen. Allen voran Geschäftsführer Sport Stefan Reuter.
Am Montag führte Reuter zusammen mit seinem Kollege Michael Ströll ein Gespräch mit Caiuby, in dem ihm seine Suspendierung mitgeteilt wurde. Einen Tag später traf sich das Duo mit Hinteregger und belegte ihn mit einer "drastischen Geldstrafe und Einzeltraining" - jeweils nicht genauer definiert. "Von beiden Spielern bin ich unglaublich enttäuscht", sagte Reuter. Baum erwartet unterdessen ein DFB-Ermittlungsverfahren wegen Schiedsrichter-Beleidigung, das wohl in einer hohen Geldstrafe resultieren wird.
Doch trotz all dem Gerede und trotz all der Strafen blieb Reuter noch Zeit, vor einem FCA-Schriftzug die Hand des ehemaligen deutschen Nationalkeepers Jens Lehmann zu schütteln. Das wurde sogar fotografisch festgehalten und über die vereinseigenen sozialen Netzwerke verbreitete - mit der Nachricht von Lehmanns Ernennung zum neuen Co-Trainer von Baum. "Der FC Augsburg hat in den letzten Jahren eine großartige Entwicklung genommen, auch wenn es sportlich aktuell nicht ganz nach Wunsch läuft. Es ist eine tolle Chance für mich, als Co-Trainer in der Bundesliga zu arbeiten", sagte Lehmann.
Als Augsburg noch turbulentlose Zeiten genoss, arbeitete Lehmann unter anderem als Co-Trainer von Arsene Wenger beim FC Arsenal sowie als TV-Experte bei Sky und RTL. Zunächst bis Sommer 2020 soll er Baum in der alltäglichen Arbeit mit der Mannschaft unterstützen. "Die Aufgaben eines Trainerteams sind so vielfältig und umfassend, dass wir zu dem Schluss gekommen sind, diese auf mehrere Schultern verteilen zu wollen und dadurch die Aufgabenbereiche auch noch mehr spezialisieren zu können", erklärte Reuter.
Ja-Cheol Koo und Dong-Won Ji vom Asien-Cup zurückgekehrt
Auf gar keinen Fall soll Lehmanns Verpflichtung als Vertrauensentzug für Baum verstanden werden oder dessen Autorität untergraben, hieß es sinngemäß vom Verein. Noch am Samstag betonte Reuter, von Baum "absolut überzeugt" zu sein. Die Gefahr, dass der prominente Co-Trainer seinen Chef in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund drängt, besteht aber natürlich dennoch.
Seit dieser Woche dürfen sie sich immerhin beide gemeinsam über zwei Kaderverstärkungen freuen. Ja-Cheol Koo und Dong-Won Ji sind nach ihrem Aus mit Südkorea beim Asien-Cup zurückgekehrt und können die Mannschaft beim wichtigen Heimspiel am Sonntag gegen den FSV Mainz 05 (15.30 Uhr im LIVETICKER) unterstützen.
Zur allgemeinen Beruhigung wird sicherlich auch beitragen, dass das Kesselhaus am Sonntagabend geschlossen bleibt.