Seite 1: Wiegandt über Cola mit Möller, Schampus von Hoeneß und Probleme mit Lehmann
Im zweiten Teil des Interviews spricht Wiegandt über Schampus von Uli Hoeneß, Probleme mit Jens Lehmann, ein Gelage in Spanien, Hunde in Seoul und sein Ende beim BVB. Hier geht es zum ersten Teil des Interviews mit Hartmut Wiegandt!
SPOX: Ein Clip auf YouTube zeigt, wie Sie Andreas Möller zu seiner Zeit in Frankfurt vor einem Spiel gegen den BVB einen Kuchen überreichen. War Möller der einzige Spieler, der als Gast ein solches Präsent bekam?
Wiegandt: Wenn Andy mit der Eintracht nach Dortmund kam, hat er vorab einen Kuchen bestellt und ist als erstes zu mir ins Büro gekommen. Da stand übrigens "Office Bomber" an der Tür. Dann haben wir erst einmal zusammen eine Cola getrunken. Auch mit Mario Basler lief es so. Der hat auch immer noch eine geraucht. Mit den Jahren hat sich gerade zu den Bayern-Spielern ein gutes Verhältnis entwickelt.
SPOX: Wie kam das?
Wiegandt: Durch Thomas Helmer, der vom BVB nach München wechselte. Wenn wir dort gespielt haben, hat er mich immer am Tag zuvor mit dem Auto vom Mannschaftshotel zum Essen abgeholt. Meist waren dort auch andere Bayern-Spieler dabei. Einmal lud mich der Zeugwart der Bayern ein und zeigte mir das Trainingsgelände. Da habe ich mich auf den Bürostuhl von Uli Hoeneß setzen dürfen. Als wir mit den Bayern einmal gemeinsam in Taufkirchen im Trainingslager waren, lernte man sich besser kennen und hielt den guten Kontakt aufrecht. Hoeneß hat mir mal acht Flaschen Schampus in den Bus gepackt, als wir dort gespielt haben und sie schon Meister waren.
Wiegandt über Möllers Rolex, Eistee im Winter und einen dreckigen Bus
SPOX: Ist es richtig, dass Ihnen Möller einmal eine Rolex-Uhr geschenkt hat?
Wiegandt: Ja. Er wechselte 1994 wieder zu uns, wir standen damals ganz gut in der Tabelle. In der Kabine meinte Andy dann vor allen anderen: Wenn wir Deutscher Meister werden, bekommt der Bomber meine Rolex. Dann kam der letzte Spieltag und wir haben tatsächlich erstmals nach 32 Jahren wieder die Schale geholt. Der Abpfiff war kaum erfolgt, schon ist der Andi in die Kabine gerannt und hat mir seine Rolex in der Originalverpackung überreicht.
SPOX: Der YouTube-Clip zeigt zudem, wie Sie in der Halbzeitpause Kannen mit Eistee-Pulver befüllen. Das würde heute als reines Gift angesehen.
Wiegandt: Den gab's immer im Winter, hatte ich aus dem Supermarkt. Heißes Wasser drauf und fertig. Das mochten die Spieler gerne. Wenn wir auswärts gespielt haben, musste mir der dortige Zeugwart rechtzeitig heißes Wasser bringen. Auf den Fahrten zu den Spielen habe ich auch immer drei, vier Kannen Kaffee gemacht und ein paar Tablette belegte Brötchen besorgt. Ich habe das Zeug aber erst in den Bus gebracht, wenn wir losgefahren sind - sonst wäre nämlich alles schon vorher weg gewesen. Ich bin gefahren und die anderen haben geschlemmt. Anschließend sah es manchmal aus wie im Schweinestall, den ich auch noch saubermachen musste.
SPOX: Ein dreckiger Bus, das kann Ihnen nicht gefallen haben.
Wiegandt: Nein, da war ich heikel. Anfang der 1980er Jahre hatten wir kein festes Trainingszentrum und mussten immer wieder an unterschiedlichen Orten in der Stadt trainieren. Ich habe die Spieler mit dem Bus dorthin gefahren und nach dem Training sind die völlig verdreckt eingestiegen. Nach zwei Wochen habe ich zwei Körbe für Schuhe und Dreckwäsche aufgestellt, weil ich nicht jedes Mal den Bus putzen wollte. Einmal musste Torhüter Eike Immel auf einem Ascheplatz trainieren und wollte dann in den Bus einsteigen. Den habe ich wie er war unter die Dusche gepackt, mit Overall und Schuhen.
Hartmut "Bomber" Wiegandt und seine Titelsammlung mit dem BVB
Titel | Jahr |
Deutscher Meister | 1995, 1996 |
DFB-Pokal | 1989 |
DFL-Supercup | 1989, 1995, 1996 |
Champions League | 1997 |
SPOX: Kuchen, Kaffee und Gespräche über Gott und die Welt soll es auch häufiger nach dem Training in Ihrem Büro gegeben haben. Wie lief das ab?
Wiegandt: Ich wusste viel, aber es ist nichts nach außen gedrungen. Und das bleibt auch so. Mein Büro war der Beichtstuhl für die Spieler. Da ging es um verschiedenste Dinge, natürlich auch private Angelegenheiten. Was meinen Sie, wie oft Jens Lehmann zu mir kam, weil sie ihn in Dortmund geblitzt haben? Früher konnte ich da noch etwas in die Wege leiten und dann war die Geschichte gegessen. Lehmann war ohnehin ein komischer Kauz.
SPOX: Inwiefern?
Wiegandt: Der hatte ja überall seine Schwierigkeiten. In einem Trainingslager musste ich ihm auf die Finger klopfen. Ich hatte immer das größte Zimmer, weil ich für das ganze Zeug viel Platz brauchte. Vor dem Nachmittagstraining habe ich dort immer Kaffee gemacht und diese Fertigkuchen von Bahlsen gekauft. Wir waren meist zu sechst oder siebt. Wenn alles fertig war, bin ich zu den entsprechenden Zimmern gegangen, habe wie gewohnt zwei Mal geklopft und dann wussten die: Kaffee ist fertig. Und auf einmal kam der Lehmann herein, der das irgendwie mitgekriegt haben muss, und packt den Kuchen an.
Wiegandt über einen Einlauf für Lehmann und eine Ansage an Michael Zorc
SPOX: Gab's einen Einlauf für ihn?
Wiegandt: Ich habe ihm gesagt, dass wir uns das alles teilen und er sich gerne jederzeit daran beteiligen kann. Er meinte: Ihr könnt mich mal, ich weiß genau, du kuscht nur vor denen. Ich kusche vor niemandem, das habe ich doch gar nicht nötig, habe ich gesagt. Die anderen wissen genau, dass ich immer alles einkaufe und wir uns das dann teilen. Das ist Tradition im Trainingslager. Lehmann war richtig erschrocken und ist wieder gegangen, die anderen haben sich schlapp gelacht.
SPOX: Sie hatten mit der Zeit schon eine gewisse Macht?
Wiegandt: Natürlich, ich habe mir auch nichts gefallen lassen. Wir haben uns oft gegenseitig verarscht und aufgezogen. Gerade früher haben sie immer gemotzt, wenn wir auf der B1 im Stau standen. Als Michael Zorc schon Manager war, standen wir einmal am Flughafen Paderborn. Es hat ohne Ende geschneit, wir konnten gerade noch landen. Ich stand wieder mit meinen Kisten da und alle wollten nach Hause. Ich habe zu Zorc gesagt: Wenn du jetzt nicht mit anpackst, bleiben sie stehen, dann kannst du die mit deinem Privatwagen holen. Er hat zwar doof geguckt, aber er wusste, dass das eine klare Ansage war. Alle sagten immer: Bomber, letztlich hast du dich doch immer durchgesetzt.
Seite 2: Wiegandt über ein Gelage in Spanien, Hunde in Seoul und sein Ende beim BVB
SPOX: Neben der Sache mit dem Kuchen konnte man bei Ihnen einen weiteren Spleen beobachten: Auf dem offiziellen Mannschaftsfoto saßen Sie stets unten links.
Wiegandt: Ab Ende der 1980er Jahre immer. Das hat Frank Mill bestimmt, weil wir sonst auch viel zusammensaßen. 'Der Bomber kommt immer an meine Seite', hat er gesagt. Ich war Anfang der 1990er Jahre auch der erste Busfahrer und Zeugwart, der eine Autogrammkarte hatte. 1994 wurde ich sogar zusammen mit den Zeugwarten von Eintracht Frankfurt und Bayer Leverkusen ins aktuelle Sportstudio eingeladen, um über unseren Job zu sprechen.
SPOX: Es heißt, Ihre Lieblinge im Team sollen vor allem Günter Kutowski, Thomas Helmer und Michael Lusch gewesen sein. Stimmt das?
Wiegandt: Die drei waren meine Söhne. Wir haben einmal eine Abschlussfahrt nach Gran Canaria gemacht und sind zu viert am Strand entlanggelaufen, die drei hinter mir her. Dann haben die anderen gesagt: Guck an, da geht der Bomber mit seinen drei Söhnen. (lacht) Dort haben wir uns ordentlich einen gebraten und wollten spätabends mit dem Taxi wieder zurück ins Hotel. Der Fahrer wollte uns - wir natürlich oben ohne und nur in Badehose - aber nicht mitnehmen. Wir haben ihm dann sein Döschen so lange voll mit Peseten gemacht, bis er losgefahren ist.
Wiegandt über Hunde in Südkorea und das Ende beim BVB
SPOX: Für die Spieler waren Sie häufiger mal die Rettung in höchster Not, oder?
Wiegandt: Sicher. Einmal waren wir unter Horst Köppel im Trainingslager im südkoreanischen Seoul. Ich wusste, wie das dort mit dem Essen ablaufen wird. Damals war das Klischee, dass sie dort Hunde essen, noch weit verbreitet. Also habe ich in Dortmund im Supermarkt zwei riesengroße Rollkisten packen lassen. Darin waren Getränke, Bifi, Ritter Sport, Dosenfleisch, Brot und so weiter drin. Als wir dort ankamen, wurden wir als erstes von unserem Sponsor Nike zum Essen eingeladen.
SPOX: Und dann gab es Hund?
Wiegandt: Exakt. Die brachten ein sehr dunkles, fast schwarzes Fleisch. Alle hatten Hunger wie verrückt, aber keiner hat etwas angerührt. Wir waren kaum zurück in unserem Hotel, da kamen sie an: 'Bomber, Bomber, ich habe solch einen Kohldampf. Hast du was da?' Dann haben wir uns über die Kisten hergemacht. Das Frühstück ging noch, aber sonst hat dort niemand etwas gegessen. Einmal kam einer nachts an, klopfte an meine Zimmertür und wollte noch etwas Schokolade haben. (lacht)
SPOX: Sie waren zwar viele Jahre lang beim BVB angestellt, Ihr Ende kam dennoch irgendwie abrupt. Wieso?
Wiegandt: Ich habe am 6. Februar 2002, meinem 60. Geburtstag, aufgehört. Meine Frau war leider schon länger krank. Die Krankheit verschlimmerte sich, ich selbst hatte Probleme mit dem Rücken. Auch der Verein riet mir dazu, es unter diesen Umständen lieber sein zu lassen. Wir haben an dem Tag gegen Hansa Rostock gespielt. Anschließend ließen mich die Spieler vor der Südtribüne hochleben. Abends bin ich rüber zum Trainingszentrum im Rabenloh gegangen, habe alles ein letztes Mal hingestellt, abgeschlossen, die Schlüssel abgegeben und bin nie wieder hingegangen.
Hartmut "Bomber" Wiegandt und "seine" BVB-Trainer
Trainer | Zeitraum |
Karlheinz Feldkamp | 01.07.1982 - 05.04.1983 |
Helmut Witte | 06.04.1983 - 30.06.1983 |
Uli Maslo | 01.07.1983 - 23.10.1983 |
Helmut Witte | 24.10.1983 - 30.10.1983 |
Hans-Dieter Tippenhauer | 31.10.1983 - 15.11.1983 |
Horst Franz | 16.11.1983 - 30.06.1984 |
Timo Konietzka | 01.07.1984 - 24.10.1984 |
Reinhard Saftig | 25.10.1984 - 27.10.1984 |
Erich Ribbeck | 28.10.1984 - 30.06.1985 |
Pal Csernai | 01.07.1985 - 20.04.1986 |
Reinhard Saftig | 20.04.1986 - 30.06.1988 |
Horst Köppel | 01.07.1988 - 30.06.1991 |
Ottmar Hitzfeld | 01.07.1991 - 30.06.1997 |
Nevio Scala | 01.07.1997 - 30.06.1998 |
Michael Skibbe | 01.07.1998 - 07.02.2000 |
Bernd Krauss | 08.02.2000 - 13.04.2000 |
Udo Lattek | 14.04.2000 - 30.06.2000 |
Matthias Sammer | 01.07.2000 - 30.06.2004 |
SPOX: Wären Sie drei Monate länger geblieben, hätten Sie noch die Meisterschaft unter Matthias Sammer feiern können.
Wiegandt: Sie haben mich zur Feier eingeladen, aber ich habe abgesagt, weil ich meine Frau nicht mehr alleine lassen konnte. Ich hätte gerne noch bis Mai weitergemacht. Ich wurde zuvor schon intern verabschiedet und habe ein paar Geschenke bekommen - unter anderem eine Dauerkarte auf Lebenszeit. Die nutzt jetzt meist der beste Freund meiner Frau, der immer mitgeholfen hat, sie zu versorgen. Heute schaue ich mir alle Spiele im Fernsehen an. Bloß unter Peter Bosz habe ich auf Konferenz umgeschaltet, weil ich mich da immer so aufgeregt habe.
SPOX: Haben Sie noch einen Draht zur aktuellen BVB-Geschäftsführung?
Wiegandt: Nein. Ich war einmal mit meiner Frau am neuen Trainingsgelände in Brackel, weil sie unbedingt einmal Jürgen Klopp in natura sehen wollte. Teammanager Fritz Lünschermann hat für uns das Tor aufmachen lassen, so dass wir direkt vorfahren konnten. Klopp kam dann auch direkt um die Ecke. Wir haben ein bisschen geplaudert und ein Foto zusammen gemacht. Meine Frau war richtig glücklich.
Wiegandt über seinen Draht zu Ex-BVB-Spielern und seinen heutigen Alltag
SPOX: Wie sieht es mit den Spielern von früher aus, besteht da noch eine Verbindung?
Wiegandt: Ja. Die alten Recken rufen allesamt noch an meinem Geburtstag an. Wir haben auch eine Clique mit acht Mann, die quasi von Thomas Helmer organisiert wird. Er macht ja an Champions-League-Spieltagen immer diese TV-Sendung in Essen. Davor schreibt er eine SMS und gibt Bescheid, wo wir uns diesmal zum Essen treffen.
SPOX: Wie steht es heute um die Gesundheit Ihrer Frau?
Wiegandt: Sie ist leider vor drei Jahren verstorben. Die Spieler haben sie alle geliebt, die waren ja auch zig Mal bei uns zu Hause. Einmal kamen sie zwischen den Trainingseinheiten zu uns. Meine Schwiegermutter hatte gekocht, Sauerkraut mit Püree. Kaum hatte das zweite Training des Tages begonnen, schon saßen alle auf dem Pott. Bei uns gibt es halt noch etwas Richtiges auf die Gabel, habe ich nur gesagt. (lacht)
SPOX: Im Februar sind Sie 75 Jahre alt geworden. Wie sieht mittlerweile Ihr Alltag aus?
Wiegandt: Ich habe alles für meine Frau getan. In der Zeit, in der ich sie versorgt habe, nahm ich unheimlich viel ab und sah auch schlecht aus. Das hat sich jetzt zum Glück wieder eingependelt. Ich habe nun eine neue, schöne Wohnung, alles Wichtige ist fußläufig zu erreichen. Ich verbringe viel Zeit mit einer guten Freundin, deren Mann auch nicht mehr lebt. Wir helfen uns gegenseitig und unternehmen einige Reisen. Ich bin ein ganz anderer Mensch und wieder deutlich positiver. Ich schaue nur noch nach vorne und versuche die Jahre zu nutzen, die mir noch bleiben.
SPOX: Ich hoffe, es werden noch so viele sein, wie Sie es sich wünschen. Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Wiegandt!
Wiegandt: Gerne, das hoffe ich auch.