Der bei Borussia Dortmund kläglich gescheiterte Peter Bosz stand ganz oben auf dem Zettel, auch der Name Thomas Tuchel wurde wochenlang unter dem Werkskreuz gehandelt. Als dann Sportchef Rudi Völler im vergangenen Sommer Heiko Herrlich als neuen Trainer von Bayer Leverkusen aus dem Hut zauberte, rieben sich nicht wenige Fans die Augen.
Mittlerweile hat der 46-Jährige aber auch die Skeptiker überzeugt - schließlich mischt Bayer nach einer katastrophalen Vorsaison wieder im Kampf um die Champions-League-Plätze mit.
"Er hat großen Anteil daran, dass wir stabiler geworden sind. Die Gier nach Erfolgen ist ihm anzumerken. Deshalb haben wir ihn ja geholt", sagt Völler über seinen Glücksgriff. Nach einem Stotterstart mit nur einem Punkt aus den ersten drei Saisonspielen blieb Herrlich geduldig. Er führte Bayer Schritt für Schritt in die Spitzengruppe der Liga und zudem ins Viertelfinale des DFB-Pokals.
"Er hat uns mental gepackt, und durch die Erfolgserlebnisse haben wir jetzt auch automatisch mehr Selbstvertrauen", schwärmte Nationalspieler Jonathan Tah vor dem Rückrundenstart gegen Bayern München im kicker. Dass der streng religiöse Herrlich dieses Topspiel überhaupt auf der Bayer-Bank verfolgen durfte, hat er einem milden Urteil des DFB-Sportgerichtes zu verdanken.
Nach seiner peinlichen Schwalbe im Pokalspiel bei Borussia Mönchengladbach (1:0) kurz vor Weihnachten kam Herrlich mit einer Geldstrafe von 12.000 Euro davon. Herrlich hatte sich nach einem leichten Schubser des Gladbachers Denis Zakaria in der Coaching-Zone theatralisch fallen lassen, wofür er später um Entschuldigung bat. "Ich schäme mich", sagte Herrlich, der nach dieser dämlichen Aktion nach eigenen Angaben "zu Recht" Hohn und Spott erntete.
Das Thema sei nun aber erledigt, ab sofort gelte seine volle Konzentration wieder dem Kampf um einen Europacup-Platz. "Unser Anspruch ist klar. Wir wollen zurück ins internationale Geschäft. Wir haben eine ordentliche bis gute Entwicklung genommen und sind auf einem guten Weg", sagt Herrlich, betont aber auch: "Wir haben noch gar nichts erreicht."
Schon als Spieler in Leverkusen aktiv
In Leverkusen, wo er bereits von 1989 bis 1993 als Profi aktiv war, fühlt sich der gebürtige Mannheimer pudelwohl: "Ich habe eine hohe Job-Zufriedenheit, das Vertrauensverhältnis ist sehr gut. Auch privat sind meine Familie und ich hier sehr glücklich. Ich war immer ein Fan dieser Region, habe die Rheinländer und deren Mentalität immer gemocht und habe mir immer gewünscht, hier noch mal leben zu können."
Herrlich, der vergangene Saison Jahn Regensburg in die 2. Liga geführt hat, kann sich gut vorstellen, über 2019 hinaus bei Bayer zu bleiben: "Ich habe in Leverkusen einen Zweijahresvertrag unterschrieben und bin glücklich, dankbar und demütig, dass ich das hier machen kann. Der Verein besitzt auch eine Option für ein drittes Jahr, wenn wir ins internationale Geschäft kommen." Und danach sieht es derzeit ja aus.