"Manchester war eine super Zeit"

Von Für SPOX in Bremen: Stefan Rommel
Loris Karius wechselte schon im Alter von nur 16 Jahren vom VfB Stuttgart zu Manchester City
© getty

Vor drei Wochen spielte Loris Karius noch in der Regionalliga Südwest vor 400 Zuschauern gegen Pfullendorf - am vergangenen Sonntag absolvierte er sein drittes Bundesligaspiel vor knapp 40.000 Fans in Bremen. Mainz' Nachwuchshoffnung über den speziellen Druck der Torhüter, die Unterschiede zwischen England und Deutschland und Mario Balotelli als netten Typen.

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SPOX: Herr Karius, Ihr Trainer Thomas Tuchel meinte auf der Pressekonferenz nach dem Bremen-Spiel, dass Sie "auf jeden Fall" auch am Samstag gegen Dortmund im Tor stehen werden. Können Sie die Trainingswoche mit dieser beruhigenden Gewissheit denn nun anders gestalten?

Loris Karius: Das ist für mich sicherlich eine schöne Sache - aber nein. Die Woche ist kurz, wir haben einen Tag weniger zur Vorbereitung auf die Partie gegen so einen starken Gegner. Ich werde mein Training jetzt nicht ändern oder gelassener angehen. Ich nehme mir eine ganz normale Arbeitswoche vor.

SPOX: Sie standen jetzt zweimal von Beginn an im Tor, zweimal hat Mainz gewonnen. Nun dürfen Sie auch gegen den Champions-League-Finalisten ran. Leiten Sie aus den letzten Wochen andere Ansprüche ab?

Karius: Garantiert nicht. Vor ein paar Wochen stand ich noch in der Regionalliga zwischen den Pfosten, jetzt in der Bundesliga. Das ist eine schöne Entwicklung, mehr nicht. Ansprüche stelle ich deshalb keine. Aber wenn ich spiele, freue ich mich natürlich. Der Trainer wird schon wissen, was er macht.

SPOX: Sie sind noch jung und relativ unerfahren im Profibereich. Verspüren Sie keinen Druck?

Karius: Es ist eher Vorfreude, Nervosität spüre ich eigentlich nicht. Ich denke, es gibt nichts Schöneres: Ich bin 20 Jahre alt und mache jetzt mein drittes Spiel - das muss man einfach genießen. Ich habe gar keinen Grund, nervös zu sein.

SPOX: Hat die Maßnahme Ihres Trainers, Sie vorübergehend zu den Amateuren zu schicken, denn im Nachhinein gefruchtet? Er sagt, Sie seien eher der Wettkampf-, als der Trainingstyp?

Karius: Ich habe in der Vergangenheit wohl unbewusst fünf oder zehn Prozent im Training zurückgeschraubt. Das sieht man dann. Aber gerade im letzten Monat habe ich auch im Training richtig gut gearbeitet. Es wird mir jetzt auch bewusst, dass es im Spiel dann noch besser geht, wenn man im Training Vollgas gibt. Da habe ich auf jeden Fall etwas dazu gelernt.

SPOX: Mussten Sie Ihr Torhüterspiel oder Ihre Trainingsarbeit nach der Rückkehr nach Deutschland eigentlich umstellen? In England wird doch sicherlich etwas anders trainiert...

Karius: So pauschal kann man das nicht sagen. Bei ManCity hatten wir einen Italiener als Torwarttrainer. In England wird generell körperlicher gearbeitet als in Deutschland. Da geht es einfach mehr zur Sache bei solchen Dingen wie Luftkampf oder in der Strafraumbeherrschung. Zu meiner Zeit in England war ich noch sehr jung - ich denke, dass ich erst seit einem Jahr richtig körperlich zulege. Das allein reicht aber nicht, man braucht auch das Gespür, die richtige Technik. Beim Rauslaufen, bei hohen Bällen.

SPOX: Das Verhältnis zwischen Torwarttrainer und Torhütern ist ja ein ganz spezielles. Wie ist Ihr Zusammenspiel in Mainz mit Stephan Kuhnert, können Sie ihm auch mal private Dinge anvertrauen?

Karius: Er ist auf jeden Fall mein erster Ansprechpartner und unser Verhältnis ist schon sehr eng. Wir machen abseits des Platzes auch mal ein paar Witzchen, auf dem Platz wird dann aber wieder hart gearbeitet. Zum Glück hatte ich bisher noch keine so schlimmen Probleme, dass ich eingehend mit ihm darüber reden müsste. Aber wer weiß... Auf jeden Fall ist er jemand, der für seine Torhüter immer ein offenes Ohr hat.

SPOX: Wie steht es um die Chemie innerhalb der Torhütergruppe beim FSV Mainz 05?

Karius: Wir sind alle Konkurrenten, das ist ja klar. Aber wir haben keine schlechte Chemie untereinander. Auf dem Platz macht jeder sein Ding, daneben kann man auch mal miteinander lachen.

SPOX: Sie sind noch frisch im Geschäft: Wie viel lernen Sie noch mit jeder Partie dazu?

Karius: Die Automatismen mit den Vorderleuten sind schon da, bei Eckbälle, Standards und so weiter funktioniert das schon ganz gut. Man muss die Kleinigkeiten erkennen und die dann sofort mitteilen.

SPOX: Ron-Robert Zieler hat einen ähnlichen Werdergang wie Sie, ist auch in jungen Jahren nach England gewechselt und wieder zurückgekommen. Bereuen Sie Ihre Entscheidung von damals?

Karius: Überhaupt nicht. Ich habe damals dort die bessere Perspektive gesehen. Da war der Verein auch noch nicht so riesig, wie er jetzt ist. Er wurde es erst, als ich dort war. Ich habe in der A-Jugend gespielt, bin dann hoch zu den Amateuren und wurde dritter Torwart. Bis ich mir das Kahnbein gebrochen habe, war ich immer bei den Profis dabei. Ich habe jeden Tag mit Weltklassespielern trainiert, das war schon eine tolle Erfahrung. Ich könnte das jedem nur raten. Manchester war eine super Zeit.

SPOX: Bei Ihrem Abschied aus Stuttgart vor vier Jahren gab es einige Irritationen.

Karius: Ich habe einiges von der Ausbildung beim VfB mitgenommen, die ist ja für Torhüter auch exzellent. Eine gute Adresse.

SPOX: Gibt es noch Kontakte zum VfB?

Karius: Kontakte nach Stuttgart habe ich keine mehr.

SPOX: Und nach England?

Karius: Da gibt es noch einigen Kontakt. Gerade zu den Jüngeren wie Joe Hart, Jerome Boateng, Edin Dzeko oder Mario Balotelli. Die ganzen Jungs kenne ich gut, wir tauschen uns ab und zu per SMS aus.

SPOX: Balotelli gilt als etwas verrückt...

Karius: Ab und zu ist er mal verrückt, aber wenn man ihn so als Kumpel kennt, ist es anders, als alles, was man so über ihn liest. Er ist ein lieber Kerl und mit ihm kann man auch normale Sachen unternehmen.

SPOX: Ihr Schalker Kollege Timo Hildebrand hat kürzlich in einem Interview davon gesprochen, dass der Druck auf und die Kritik im Umgang mit den Torhütern seit dem Selbstmord von Robert Enke noch mehr zugenommen als abgenommen hätte. Wie stehen Sie dazu?

Karius: Ich kann dazu noch gar nicht viel sagen. Im Leistungssport lastet generell viel Druck auf dem Einzelnen. Man muss versuchen, damit irgendwie positiv umzugehen. Jeder Torwart hat auch mal einen schlechten Tag und macht Fehler. Das muss man dann schnell abhaken und vielleicht selbst für sich ein wenig runterspielen - und nicht zwei, drei Tage daran rumknabbern.

SPOX: Sie haben in Mainz noch einen Vertrag bis Sommer 2014, plus einem Jahr Option. Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, ob und wie es weitergehen soll?

Karius: Bis jetzt noch gar nicht. Wenn ich meine Leistung bringe, dann regelt sich das von selbst. Der Verein hätte dann ja die Gelegenheit, die Option zu ziehen...

Das ist Loris Karius