Szablocs Huszti ist vom Elfmeterpunkt bekanntlich ein sicherer Schütze. Dennoch stieg bei einigen Hannover-Fans am vergangenen Sonntag gegen 18 Uhr der Puls in ungeahnte Höhen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte 96 noch keinen einzigen Treffer in der Fremde erzielt. Und das wohlgemerkt am 11. Spieltag.
Der Ungar verwandelte dann gewohnt sicher, die Fans durften das erste Auswärtstor der Saison bejubeln. Hiroki Sakai setzte mit seinem fulminanten Weitschuss gar noch einen drauf - am Ende aber verlor Hannover 96 trotzdem mit 2:3 in Bremen. Wieder nichts mit den erhofften Auswärtspunkten. Fünf Spiele, fünf Niederlagen auf fremden Plätzen, so die Statistik.
Bekannte Auswärtsschwäche
Doch ist das Team von Mirko Slomka wirklich so auswärtsschwach, wie die nackten Zahlen es vermeintlich belegen? Gegen Bremen war am Ende auch Pech dabei. Die vier anderen Gegner, bei denen Hannover zu Gast war, befinden sich derzeit auf den Plätzen eins bis vier der Tabelle: Borussia Mönchengladbach, Bayern München, Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund.
Gegen diese Teams keinen Punkt zu holen, ist kein Weltuntergang, dennoch ist die Stimmung an der Leine derzeit eher herbstlich grau. Reiht sich doch die aktuelle Saison in die Auswärtsschwäche der vergangenen beiden Spielzeiten ein. 2011/12 war Hannover 17. In der Auswärtstabelle mit nur elf Punkten, 2012/13 reichte es mit 13 Punkten zu Platz 15.
Tendenz Mittelmaß
Besonders bitter wiegen dann Heimniederlagen, wie das 1:4 zu Hause gegen 1899 Hoffenheim. Allerdings spielten die 96er in diesem Spiel in doppelter Unterzahl, was die Gisdol-Elf an diesem Tag perfekt ausnutzte.
So steht Hannover nach elf Spieltagen mit 13 Punkten auf dem 11. Tabellenplatz. Vier Punkte zu den Europa-League-Plätzen, fünf zum Relegationsplatz. Zugegeben, die Tabelle ist auch nach einem Drittel der Saison eine Momentaufnahme, wie das im Branchensprech heißt. Dennoch ist nach sechs sieglosen Spielen in Folge (5 Niederlange, 1 Unentschieden) ein Trend zu erkennen. Und der lautet Mittelmaß.
Ziel: Europa League
Slomka und sein Team waren mit anderen Ambitionen in die neue Saison gestartet. Man wollte weg vom Image der Kontermannschaft, taktisch und spielerisch den nächsten Schritt machen und möglichst wieder einen Europa-League-Platz ergattern. So bastelte man am neuen Kader.
Doch bereits zu Saisonbeginn gab es die ersten Probleme. Mame Diouf füllte die Gazetten täglich mit seinen Wechselvorstellungen. Entschied sich am einen Tag für einen 96-Verbleib, um am nächsten Tag dann doch am liebsten nach Dortmund wechseln zu wollen. Am Ende blieb er. Vorerst, denn sein Vertrag läuft im Sommer aus.
Defensiv instabil
Für das meist beschauliche Umfeld in Hannover war dieser Nebenkriegsschauplatz kein gewohntes Bild. Im August reagierte die sportliche Leitung noch einmal und verpflichtete den Brasilianer Marcelo - um mit einer völlig neu zusammengestellten Innenverteidigung in die neue Saison zu starten.
Der Senegalese Salif Sane, der Belgier Sebastien Pocognoli, der Japaner Sakai und eben Marcelo zeigten in den ersten Spielen, dass an der Abstimmung noch ordentlich gearbeitet werden muss. Defensive Sicherheit: Fehlanzeige.
Dabei war es doch gerade das, was die 96er in der letzten Saison als großes Problem ansahen und daher im Sommer dementsprechend handelten. 19 Gegentore sind deutlich zu viel für ein Team mit europäischem Anspruch. Doch das Problem ist nicht das einzige Problem.
Offensiv ungefährlich
Offensiv war Hannover die letzten Jahre immer für ein, zwei Tore gut. Ob Diouf, Jan Schlaudraff, Didier Ya Konan oder Mo Abdellaoue (jetzt VfB Stuttgart) - einer der vier traf in der Regel immer. In dieser Saison traf bisher nur Huszti ordentlich (vier Treffer, davon drei Elfmeter). Diouf und Artur Sobiech trafen je zwei Mal. Aus dem Spiel heraus gelingt den Offensivakteuren derzeit zu wenig.
Die Gründe hierfür sind unterschiedlich: Diouf und Ya Konan waren oder sind häufig verletzt. Sobiech konnte seine Bundesligatauglichkeit noch nicht vollends unter Beweis stellen. Und Schlaudraff? Der ist nicht mehr erste Wahl, kommt meist - wenn überhaupt - von der Bank und macht seine x-te schwere Phase durch.
"Das Derby müssen wir eh gewinnen"
Das brisante Duell gegen Eintracht Braunschweig kommt zu einem schwierigen Zeitpunkt. Manager Dirk Dufner sprach im Vorfeld der Partie von einer "kleinen sportlichen Krise", die vor dem Derby "nicht besonders schön sei". Die sportliche Führung ist gewarnt und sich der Lage bewusst. Kapitän Lars Stindl sieht darin allerdings eine große Chance: "Wir können am Freitag vieles wieder gut machen."
Neben den Sturmproblemen hat Mirko Slomka gegen den Nachbarn nun auch noch erhebliche personelle Probleme in der Defensive. Sane fehlt gelbgesperrt, Marcelo darf nach seiner Roten Karte auch noch nicht ran und Christian Schulz laboriert an einer Zehenblessur. Keine wirklich guten Voraussetzungen, zumal der Gegner nach dem Sieg über Bayer Leverkusen mit Selbstvertrauen in die AWD-Arena reist.
Slomka will sich mit dem Krisengerede nicht allzu sehr beschäftigen und nimmt die Lage fatalistisch: "Egal, wie es um uns steht: Das Derby müssen wir eh gewinnen."
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