Es ist schon bemerkenswert. Auf der einen Seite steht da der HSV, der in den letzten acht Jahren nach der Ära Frank Pagelsdorf, die immerhin drei Spielzeiten währte, sechs Trainer beschäftigte.
Auf der anderen Seite steht Bruno Labbadia, der weder in Darmstadt noch in Fürth und auch nicht in Leverkusen seinen Vertrag erfüllte.
Nun ist es zur Liaison der Flatterhaften gekommen und beide Seiten setzen große Hoffnung darauf, dass es eine langfristige, krisenfeste und harmonische Bindung werden möge. Nicht bis der Tod sie scheidet vielleicht, aber auch nicht nur für ein, zwei Jahre. Wie soll das funktionieren?
Beiersdorfer und Labbadia auf einer Wellenlänge
"Ich bin sicher, dass Bruno bestens zum HSV passt", sagt Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer im Gespräch mit SPOX. "Ich kenne Bruno sehr gut, wir haben gemeinsam gespielt und uns damals schon gut verstanden. Mit seiner Verpflichtung haben wir uns auch ein Stück weit für seine Identifikation mit Hamburg entschieden. Denn wo auch immer ich ihn in der Vergangenheit getroffen habe, er war stets angetan von Hamburg."
Tatsächlich hat Labbadia nie einen Hehl daraus gemacht, dass Hamburg seine Lieblingsstadt sei. Die Faszination für die Hansestadt riss nie ab, seit er in den Spielzeiten 1987/88 und 88/89 für den HSV stürmte. Familiäre Bande sind auch gegeben. Labbadias Tochter lebt in Hamburg.
Keine Angst vor Bruno
Den Eigenheiten des neuen Trainers, der sich in Leverkusen in Kompetenzstreitereien mit der Leitung verstrickte, sieht Beiersdorfer gelassen entgegen: "Selbstverständlich hat jeder seine Kompetenzen, das ist völlig normal. Die Gespräche, die wir mit Bruno geführt haben, waren allesamt sehr professionell und harmonisch."
"Angst und Bange" sei es in Hamburg niemandem, auch nicht der Mannschaft vor der harten Hand und dem Disziplinfimmel des neuen Übungsleiters.
Noch immer Katerstimmung
Doch noch befindet sich der HSV in einem Vakuum nach der überraschenden Trennung von Martin Jol. Klubchef Bernd Hoffmann räumte ein, dass die Enttäuschung über das Ende der Zusammenarbeit mit dem charismatischen Niederländer noch nicht überwunden sei."Es bleibt umso mehr der Wunsch, Kontinuität in die wichtigste Position im sportlichen Bereich zu bringen. Das ist uns bislang noch nicht gelungen", sagte Hoffmann in einem Interview mit der "Hamburger Morgenpost". Diese Kontinuität solle aber nun mit Labbadia Einzug halten.
Totenstille nach dem Orkan
Leise Töne herrschen im hohen Norden derzeit vor. Fast schon totenstill ist es gemessen an dem Orkan der Euphorie, der vor der misslichen Serie von Nordderbys gegen Werder Bremen herrschte, als Siege im DFB- oder UEFA-Pokal und die Qualifikation für die Champions League und sogar der Meistertitel noch greifbar schienen.
"Die Träume aller HSVer waren zerplatzt und ich habe den Schmerz in diesem Moment sehr extrem empfunden", erinnert sich Hoffmann.
Vage Ziele
Dementsprechend zurückhaltend blickt man in die Zukunft. Unisono sprechen Beiersdorfer, Labbadia und Klubchef Bernd Hoffmann vom Zehnerkreis, der um die ersten fünf Plätze in der Bundesliga spiele.
Hoffmann konkretisiert: "Nehmen wir mal Bayern als gesetzt, dann streiten sich neun Klubs um vier Plätze. Und durch unterschiedliche Faktoren sind sie fast alle in der Lage, viel Geld in die Mannschaft zu investieren. Da kann man eine gute Saison spielen und ist am Ende dennoch Siebter."
Zudem sei es keine "Selbstverständlichkeit, dass es uns seit sechs Jahren immer gelungen ist, international dabei zu sein."
Unklare personelle Situation
Vorsicht und Zurückhaltung sind angesichts einer unklaren personellen Situation geboten. Das Geld ist dem Vernehmen nach knapp. Gleiches gilt für die Zeit. Nur noch drei Wochen sind es bis zum Trainingsauftakt, vier weitere Wochen später steht mit der Europa-League-Qualifikation das erste Pflichtspiel auf dem Programm.
Und noch hat der HSV keinen konkurrenzfähigen Kader. Ein Nachfolger für Ivica Olic im Sturm ist nicht in Sicht, der Platz an der Seite von Joris Mathijsen in der Innenverteidigung nicht vergeben. Ein guter defensiver sowie ein kreativer Mittelfeldmann täte dem HSV ebenso gut. Dazu kommt, dass alle Leihspieler, die in der Winterpause geholt worden waren, wieder nach Hause geschickt wurden.
Dann sind da die Unzufriedenen Piotr Trochowski, Alex Silva und Paolo Guerrero, die wahlweise mit einem Wechsel oder einem besser dotierten Kontrakt kokettieren. Und schließlich Mladen Petric. Der Kroate steht bei Meister VfL Wolfsburg auf der "Agenda", wie Wölfe-Geschäftsführer Jürgen Marbach sich ausdrückte. Laut Beiersdorfer ziehe es der HSV nicht in Betracht, seinen besten Stürmer abzugeben: "Er wird bei uns bleiben."
Beiersdorfer: "Transfermarkt ist nicht einfach"
Petric hin, Petric her: Der HSV muss dennoch investieren. Auch wenn Beiersdorfer die Summe nicht kommentieren möchte, viel mehr als die kolportieren 16 bis 18 Millionen dürften für Neueinkäufe nicht zur Verfügung stehen.
Es wird schwer, gibt der 45-Jährige auch unumwunden zu: "Fakt ist, dass der Transfermarkt nicht einfach ist. Doch wir werden bei unseren Bemühungen alles in die Waagschale werfen."
Katsouranis? Borowski?
Zuletzt wollte Labbadia Eljero Elia von Twente Enschede beobachten, doch der 21-Jährige saß beim WM-Quali-Spiel der Niederländer gegen Norwegen am Mittwoch nur auf der Bank. Außerdem wäre Elia mit geschätzten acht Millionen Euro Ablöse wohl zu teuer für den HSV.
Zu teuer dürfte auch Lorik Cana sein. Auf zehn Millionen wird der Marktwert des Kapitäns von Olympique Marseille beziffert. Kostas Katsouranis von Benfica Lissabon scheint mit drei Millionen dagegen erschwinglich.
Eine weitere Option wäre der beim FC Bayern aussortierte Tim Borowski. An den sich hartnäckig haltenden Gerüchten um den Dänen Christian Poulsen von Juventus Turin ist nach Informationen des "Abendblatts" unterdessen nichts dran.
Hintertürchen für Reinhardt
Ein Neuzugang könnte dagegen aus einer ganz unverhofften Ecke kommen. Bastian Reinhardt hatte sich gegen eine Vertragsverlängerung entschieden, weil er sich durch das Angebot des HSV nicht ausreichend gewürdigt empfunden hatte.
Inzwischen ruderte der 33-jährige Verteidiger aber zurück. Er habe sich selbst überschätzt und eingesehen, dass er für besser dotierte Verträge nicht (mehr) in Frage kommt: "Mir fehlt für derartige Offerten einfach der Glamourfaktor."
Reinhardt würde sehr gern wieder für den HSV auflaufen, und sein Berater signalisierte bereits, dass die Tür noch nicht endgültig zu sei.
Den reuigen Reinhardt wieder in Gnaden aufzunehmen, wäre ein Signal. Für mehr Kontinuität im Sinne einer langfristigen, krisenfesten und harmonischen Bindung.
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