1. Rennstewards bestrafen echtes Racing
Schon beim Großen Preis von Portugal Anfang Mai waren die Regelgebung und -bewertung der FIA und Rennstewards das große Thema des Wochenendes. Damals musste Max Verstappen am Samstag zunächst seine potenzielle Pole-Runde aufgrund der Überschreitung von Track-Limits abgeben, einen Tag später wurde ihm auch der Extrapunkt für die schnellste Runde des Rennens gestrichen - ebenfalls weil er mit allen vier Rädern über die vorgegebene Kerb-Linie in Kurve 14 hinausschoss.
Beim Österreich-GP an diesem Sonntag wurde erneut mehr über fragwürdige Strafen und Verwarnungen diskutiert als über schöne Überholmanöver und gutes Racing. Um eines vorweg klarzustellen: Viele der durch die Rennstewards ausgesprochenen Strafen waren vertretbar, so etwa beim wiederholten Abkürzen der Kurven von Nikita Mazepin (Haas) und Yuki Tsunoda (AlphaTauri), dem völlig unnötigen Crash zwischen Kimi Räikkönen (Alfa Romeo) und Sebastian Vettel (Aston Martin) - Räikkönen bekam nachträglich noch eine 30-Sekunden-Zeitstrafe - oder wegen unzureichender Verlangsamung unter Gelber Flagge (30-Sekunden-Zeitstrafe für Mazepin und Nicholas Latifi, Williams). All das muss so geahndet werden.
Dann aber gab es auch Szenen, bei denen die Verkündung des anschließenden Strafmaßes mehr als Verwunderung bei Fahrern, Fans und Experten auslöste. So zum Beispiel zu Beginn des Rennens, als Sergio Perez (Red Bull) nach dem Restart ein - nennen wir es einmal abenteuerliches - Überholmanöver gegen Lando Norris (McLaren) wagte. Außen in Kurve vier versuchte sich der Mexikaner am Briten vorbeizuzwängen, der anschließende Ausflug ins Kiesbett und Verlust eines Podestplatzes waren die logische und faire Folge.
Nichtsdestotrotz belegten die Stewards Norris im Anschluss mit einer Fünf-Sekunden-Zeitstrafe. Dem Urteil zufolge soll Norris dem RB-Piloten nicht genügend Platz gelassen haben und ihn von der Strecke gedrängt haben. "Wenn man in die Formel 2 oder Formel 3 oder in jede andere Serie schaut: die Leute, die da außen waren, endeten damit, dass sie im Kiesbett gelandet sind. So läuft die Kurve. Er ist das Risiko eingegangen, nicht ich. Er hat sich selbst in Kies befördert. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es mein Fehler war", ärgerte sich Norris im Anschluss. Dabei gilt doch bereits im Kartsport die alte Regel: Wer in der Kurve die Nase vorne hat, hat das Sagen. Norris hatte die Nase vorne, war dazu noch auf der Innenseite, die Kommissare entschieden sich dennoch gegen ihn.
Horner: "Dann gibt es Fahrer, die sich von der Strecke katapultieren"
Doch der Norris-Vorfall sollte nicht der einzige bleiben, der von den Stewards fragwürdig bewertet wurde. Ausgerechnet Perez lieferte sich Mitte des Rennens einen Zweikampf mit Ferrari-Fahrer Charles Leclerc, diesmal mit ihm in der Norris-Position und Leclerc als (zu) aggressiver Mann hinter ihm. Gleich zwei Mal versuchte Leclerc in aussichtslosen Situationen das Überholmanöver außen vorbei, zwei Mal endete der Monegasse im Kies. Auch hier fackelte man nicht lange, wenige Zeit später verkündeten die Kommissare je zwei Fünf-Sekunden-Strafen gegen den Mexikaner.
"Das ist enttäuschend", sagte Red Bulls Teamchef Christian Horner über die Entscheidung der FIA. "Dann gibt es Fahrer, die sich einfach von der Strecke katapultieren und eine Strafe fordern." Auch für die Strafe gegen Norris, immerhin im Duell mit seinem eigenen Fahrer, hat Horner kein Verständnis. "Das ist hartes Racing gewesen." Schon zuvor hatte sich McLaren-Teamchef Andreas Seidl ähnlich geäußert. "Ich verstehe es nicht. Das war Racing. Lando hat nichts falsch gemacht", so Seidl. "Man weiß im Go-Kart-Sport schon, dass man da nicht hinfährt auf die Außenlinie, weil da wirst du im Kies landen, ohne, dass der andere Schuld hat."
Eine Erklärung von Rennleiter Michael Masi gab es nicht, dennoch sollte sich die FIA die Kritik aus den Reihen der Fahrer und Teams zu Herzen nehmen. Schließlich wollen wir gutes und sauberes Racing sehen. Mit der Linie der Stewards vom heutigen Sonntag ist das kaum möglich.