"Wir hoffen auf Regen", ist so ziemlich die größte Bankrotterklärung, die man von einem Formel-1-Team vor einem Rennen hören kann. "Wir hoffen auf Regen" heißt nämlich im Klartext: Ohne Chaos haben wir ohnehin keine Chance.
In Malaysia hoffte Mercedes auf Regen, um von den enttäuschenden Startplätzen neun und elf noch wenigstens ein wenig weiter nach vorne zu kommen. Es regnete nicht, die Silberpfeile überquerten als Neunter und Zwölfter die Ziellinie.
Das ist die harte Realität, mit der sich das nach den Tests noch so hoffnungsvolle deutsche Nationalteam auseinandersetzen muss. "Wir sind eine Ecke zu langsam", stellte Michael Schumacher fest.
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Mercedes bekommt Heckflügel nicht in den Griff
Aber woran liegt es? Am verstellbaren Heckflügel, lautete in Malaysia die gängige Antwort. Mercedes kriegt es nicht zuverlässig hin, dass sich das Flügelelement, das auf den Geraden nach oben geklappt wird, um den Abtrieb zu verringern, vor den Kurven schnell genug wieder schließt.
Laut Teamchef Ross Brawn kommt es manchmal vor, dass es eine Verzögerung gibt, in der das Flügelelement weiterhin viel zu viel Luft durchlässt. Das hatte vor allem im Qualifying zur Folge, dass die Fahrer keinen Grip hatten und nur durch die Kurven schlingerten.
Nun könnte man meinen, dass sich so ein Problem schnell beheben ließe, aber ganz so leicht ist das nicht. "Unser Flügel ist am Limit und unter Berücksichtigung vieler Faktoren konstruiert. Das verschafft uns auf den Geraden einen erkennbaren Vorteil, bringt aber bei wechselnden Winden diese Instabilität mit sich", erklärte Brawn. Den Wind kann Mercedes aber leider nicht beeinflussen.
Brawn: "Konzept des Autos übedenken"
Aber selbst wenn das Heckflügel-Problem gelöst werden kann, ist Mercedes im Qualifying höchstens dritte Kraft hinter Red Bull und McLaren und kommt vom Rennspeed her immer noch nicht an Ferrari und sogar Lotus-Renault heran.
Das Problem der Silberpfeile liegt also tiefer. Sogar an der Basis? "Vielleicht müssen wir das Konzept des Autos überdenken", zitiert die Münchner "tz" Brawn.
Ein alarmierendes Gedankenspiel, schließlich hatte Mercedes von allen Top-Teams mit Abstand am längsten Zeit, das aktuelle Konzept zu entwickeln. Schon nach zwei Saisondritteln stellte das Team 2010 die Entwicklung am alten Auto ein, um sich voll auf das neue zu konzentrieren. Dessen Basis nun schon in Frage zu stellen, wirft kein gutes Licht auf die Arbeit des Winters.
Stuck plädiert für B-Version des Autos
"Wir müssen uns jetzt Gedanken machen, wie wir in den Kampf um die Spitze eingreifen können. Es gibt aber ein bestimmtes Limit, wie man ein Konzept ausreizen kann. Durch das Monocoque sind zum Beispiel grundlegende Dinge bereits festgelegt", fuhr Brawn fort.
"Ich glaube nicht, dass sie die Probleme mit dem momentanen Auto überhaupt lösen können. Sie haben es riskiert, den mit Abstand kürzesten Radstand zu wählen. Das scheint vielleicht doch keine gute Idee gewesen zu sein", sagte Formel-1-Experte Hans-Joachim Stuck in seiner "tz"-Kolumne. "Es könnte gut sein, dass die Saison nur mit einem neuen Fahrzeugkonzept zu retten ist - sprich mit dem Bau eines neuen Chassis."
Eine B-Version des Silberpfeils also. Ähnlich wie 2010, als der Effekt des grundlegend umgebauten Autos jedoch verpuffte.
Mercedes im Teufelskreis: "Wir dürfen nicht testen"
Das Problem war damals das gleiche wie heute. "Wir dürfen nicht testen", erklärte Schumacher das Dilemma von Mercedes. Das Team kann mit seinen Ressourcen vielleicht fleißig neue Teile produzieren, getestet werden können sie aber nur in den Trainings an den Freitagen vor dem Rennen. Das geht wiederum zu Lasten des Set-Ups. Ein Teufelskreis.
Aus dem auszubrechen, wird schwierig, zumal auch Ferrari und McLaren mit ihren enormen Ressourcen schon zum Großangriff auf Red Bull geblasen haben. Allein mit deren Entwicklungstempo Schritt zu halten, ist eine Herausforderung. Von einem Entwicklungsvorsprung ganz zu schweigen.
Keine zu großen Experimente
Mercedes steht vor dem Drahtseilakt, das Fernziel erreichen zu wollen, ohne dafür die realistischen Nahziele aus den Augen zu verlieren.
Bei einem guten Qualifying mit funktionierendem Heckflügel, etwas mehr Speed auf den Long-Runs und einem bisschen Glück können Schumacher und Rosberg im Moment um Plätze zwischen drei und sechs kämpfen. Aber eben nur, wenn die Autos perfekt auf die jeweiligen Strecken abgestimmt und nicht mit irgendwelchen experimentellen Teilen überladen sind, die vielleicht irgendwann einmal den wundersamen Sprung auf Red-Bull-Niveau bringen.
Letztlich deutet vieles darauf hin, als gäbe es auch 2011 höchstens mittelgroße Brötchen zu backen. Das ist sicher frustrierend, aber offenbar nicht zu ändern.
Gerüchte um Rosberg-Wechsel zu Red Bull
Höchstens durch die Flucht zu einem besseren Team. Passend dazu brachte am Montagabend die "Bild"-Zeitung einen möglichen Wechsel von Rosberg zu Red Bull ins Gespräch. Schließlich habe er eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag, die es ihm ermöglichen würde, 2012 das Cockpit von Mark Webber neben Sebastian Vettel zu übernehmen.
Auf das soll aber auch schon Lewis Hamilton ein Auge geworfen haben. Ganz schön viel los bei Red Bull.
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