Eishockey in Spanien: Hollywood schadet nur
Das Fernsehen spielt stattdessen keine Rolle: Die NHL ist nicht zu sehen, von der WM gab es lediglich eine Handvoll Spiele und das Finale. Hollywood hat im Gegenteil sogar eine abschreckende Wirkung. "Im Fernsehen sieht man nur die Prügeleien und die Hits", sagt Fajardo. Auch er werde oft direkt gefragt, wieviel er einstecken müsse: "Viele glauben, der Sport sei extrem gewalttätig."
O'Hare hat ähnliche Erfahrungen gemacht: "Ein Freund von mir ist 60 Jahre alt und liebt Schlappschuss, die Komödie mit Paul Newman. Er glaubt, beim Eishockey wird nur draufgehauen, es gäbe nur Gewalt." Dabei hat sich das längst geändert: "Die Spieler müssen geschützt werden, sonst stehen sie ja nicht mehr auf dem Eis." Habe man erst einmal die nötige Aufklärungsarbeit geleistet, sei das Interesse allerdings groß.
Ähnlich wie bei Fajardo gebe es mehr und mehr "Überläufer" vom Inline-Hockey aufs Eis, so O'Hare: "Sie sind gut mit dem Schläger, auch wenn das Skating ein bisschen unterschiedlich ist. Wenn sie sportlich genug sind, können sie es leicht erlernen." Zumal die Regeln keine große Hürde darstellen: Kein Checking, kein Abseits, ein Spieler weniger, darüber hinaus ist es ähnlich.
Den Inlinern fällt der Übergang also - ganz im Gegensatz zum in Spanien ebenfalls populären Rollschuh-Hockey - vergleichsweise leicht. In Sachen Recruiting hat O'Hare zudem ein Ass im Ärmel: "Als wir einmal Goalies brauchten, gingen wir zu den Inlinern und fragten: 'Willst du für Barca spielen?'" Die Antwort: "Oh, ich kann für Barca spielen? Das wusste ich nicht."
Für Barca spielen. Das Wappen der Blaugrana auf der Brust tragen. Wie ist das so?
Kaum Zuschauer, kein Clasico - aber viel Respekt
Es hat etwas Poetisches, dass die Pista de Gel sprichwörtlich im Schatten des Camp Nou liegt: Während 100.000 Fans Lionel Messi und Co. anfeuern, verirren sich je nach Gegner 500 bis 1.000 Fans in das 1.256 Zuschauer fassende Palau. "Es kommt auf das Spiel und die Halle an", sagt Fajardo. Sieben Teams spielen derzeit in Spaniens höchster Liga: "Ursprünglich sollten es acht sein, aber ein Team aus Frankreich zog in letzter Minute zurück." Einen Clasico gibt es übrigens nicht: Real Madrid stellt kein Team.
Was nicht heißt, dass Barcelona Abonnement-Meister ist. Im Nachwuchs schon - "die Barca-Tradition", sagt Brian O'Hare und lacht. Aber bei den Herren wartet man seit 2009 auf den Titel. Fünfmal ging der in den letzten acht Jahren an Jaca, eine Kleinstadt in der Nähe der französischen Grenze. Jaca stellt auch die größte Halle der Liga, "da werden es in einem großen Spiel auch schon über 1.000 Zuschauer", berichtet Fajardo.
Er stellt sich vor allem gegenüber Kindern als Barca-Spieler vor - und das funktioniert auch ganz gut, wenn er mit seinen Teamkollegen nicht gerade aus dem Mannschaftsbus steigt. "Sie sind dann ganz aufgeregt, weil sie den Unterschied noch nicht verstehen. Sie hören nur den Namen und sind beeindruckt." Ansonsten werde er meist nur komisch angeguckt, wenn er sich als Eishockey-Spieler outet. Aber: "Wenn sie dann Barca hören, verstehen sie, dass du für einen großen Klub spielst. Und dann stehst du auf der Sportleiter in Spanien schon sehr weit oben."
Barca ohne Eishalle? Unvostellbar
Der Klub selbst kümmert sich um seine Exoten, auch wenn es ohne Ehrenamtliche wie Brian O'Hare nicht geht. "Barca ist mehr als ein Klub, auch im sportlichen Sinne: Nicht nur Fußball, sondern auch andere Sportarten, die vom Fußball unterstützt werden", erklärt er das Mantra des katalanischen Giganten. Hin und wieder gebe es die Forderung, das defizitäre Team aufzulösen, aber "nach den zwei großen Geldmaschinen Fußball und Basketball und dem Museum ist die Eishalle schon auf Platz vier. Wenn sie die zumachen wollen, müssen sie erst die Stadt überzeugen." Ein Vorschlag zur Renovierung des Camp Nou, der ohne Eishalle auskommen wollte, sei vom Rathaus kurzerhand abgeschmettert worden.
Ob er schon einmal Messi und Co. unter den Zuschauern entdeckt habe? "Wenn, dann wüssten wir es, die Kids würden schließlich alle auf sie losstürmen", grinst Fajardo. "Schon cool" wäre das, doch auf dem Eis hätte man ohnehin keine Augen dafür.
Dafür könnte er dem Superstar theoretisch im Wartezimmer begegnen: Die Spieler nutzen die gleichen medizinischen Einrichtungen, die gleichen Physios, durchlaufen exakt die gleichen jährlichen Checkups. Ein Pfund, mit dem die übrigen Teams nicht wuchern können. Und das gilt vom Fußballprofi bis hinunter zum Jugendlichen, der sich auf der Eisfläche versucht. "Mein Sohn war einmal beim Checkup und plötzlich kam Messi zur Tür hinein und sagte: Hey, wie geht's dir, mein Junge", erinnert sich O'Hare.
Der Traum: Einmal im Camp Nou stehen
Obendrein gibt es für die Herren Rabatte bei Fanartikeln und kostenlose Tickets zum Saisonende - "nicht in der Champions League oder sonstigen ausverkauften Partien, aber zum Beispiel bei der Copa del Rey." Eine Copa hat die Eishockey-Liga natürlich auch - und dieser Pokalwettbewerb bietet gleichzeitig die größte Chance auf ein richtig großes Publikum. Als Barca den nämlich 2015 gewann, wurde das Team im Camp Nou geehrt und mit Standing Ovations gefeiert. Von 65.000 Zuschauern. "Das war vor meiner Zeit", sagt Fajardo, "aber die, die dabei waren, schwärmen bis heute davon."
Wie sieht er selbst die Chance, seinen Sport in Spanien zu etablieren? Im Fernsehen zu sehen zu sein - und nicht nur im YouTube-Livestream? Zumindest im Nachwuchsbereich zeigt der Trend in die richtige Richtung: Es seien schon Spieler zu größeren Klubs gewechselt, sogar nach Nordamerika. Und "viele Kinder oder Freunde aus dem Inline-Hockey erkundigen sich bei mir nach Eishockey."
Für O'Hare ist die entscheidende Frage, ob weitere Städte und Gemeinden in passende Eisflächen investieren. Immerhin zwei Nachwuchsteams seien im letzten Jahrzehnt dazugekommen, mit guten Talenten. Für den Durchbruch brauche es aber auch Stars, einen Spieler in der NHL. Wie groß die Chance darauf sei? "Vor Pau Gasol gab es doch auch keine Spanier in der NBA. Irgendjemand muss den Anfang machen." Er erwähnt Auston Matthews, den NHL Top-Pick aus dem Jahr 2016: "Er kommt aus Phoenix, Arizona, mitten in der Wüste. Wenn das passieren kann, kann alles passieren."
Und überhaupt: "Spanien ist doch sonst auch überall gut. Warum also nicht im Eishockey?"