Von Jens Huiber aus Paris
Dominic Thiem hält nichts von Vergleichen mit Thomas Muster. Der bis dato einzige österreichische Grand-Slam-Champion habe eine legendäre Karriere hingelegt, seine eigene, so Thiem, sei auf einem ganz guten Weg. Muster habe sich bei Alex Stober mit aufmunternden Worten gemeldet, man sehe sich einmal im Jahr in der Wiener Stadthalle, mehr ist es nicht. Muss auch nicht sein.
Wobei: Am Samstag hielt sich das Gerücht, Muster werde sich das Finale gegen Rafael Nadal höchst persönlich auf der Tribüne des Court Philippe Chatrier geben, recht hartnäckig. Mal schauen.
Wir wollen dennoch auf die Wege der beiden Spieler blicken, die sie in das Endspiel der French Open (15 Uhr im LIVETICKER) gebracht haben. Thomas Muster vor 23 Jahren, Dominic Thiem am Freitag.
Runde eins: Muster in vier, Thiem in drei Sätzen
Thomas Muster hat seine 1995er-Kampagne mit einem unspektakulären, nie gefährdeten Erfolg gegen Gerard Solves begonnen, einem Spieler genau nach dem Geschmack des Steirers: Solide von der Grundlinie, aber ohne den nötigen Punch, um Muster zu gefährden.
Thiem hat gegen Ilya Ivashka eröffnet, kein ungefährlicher Gegner. Den Weißrussen hatte Thiem schon im Davis Cup in St. Pölten besiegt, auf Court 1 zum Auftakt geht der Niederösterreicher nach einem kurzen Durchhänger im zweiten Satz sicher in die nächste Runde.
Runde zwei: Zwei Meister der Rückhand
Schwierige Aufgabe im zweiten Match, in der Theorie: Muster bekam es mit Cedric Pioline zu tun, einem Lokalmatador. Kompetent auf allen Belägen, Pioline schaffte es einmal bis in das Endspiel von Wimbledon. Gegen Muster schafft er gar nix.
Stefanos Tsitsipas gegen Dominic Thiem schon mehr. Wie auch Pioline pflegt der Grieche eine hervorragende einhändige Rückhand, die Thiem auf Court 18 zu einer sehr konzentrierten Leistung zwingt. Erster Satzverlust für Thiem.
Runde drei: Muster mit weniger Problemen
Carlos Costa ist auch 2018 bei den French Open am Start. Allerdings als Manager von Rafael Nadal. 1995 kann der nicht typische Spanier Muster nicht aufhalten, der Österreicher gewinnt in drei.
Matteo Berrettini ist die erste italienische Erfahrung von Dominic Thiem in Roland Garros 2018. Zurück in der Stierkampfarena gibt Thiem zwar einen Satz ab, gerät aber nie in Gefahr, das Match zu verlieren.
Achtelfinale: Erster Härtetest für Thiem
Der damals noch sowjetische Bär Andrej Medwedew schafft gegen Muster gerade einmal sechs Spiele. Medwedew sollte vier Jahre später im Finale gegen Andre Agassi den Sieg auf dem Schläger haben, den Titel 1999 holte sich aber der US-Amerikaner.
Thiem spielt gegen Kei Nishikori zwei Sätze lang wie von einem anderen Stern, benötigt am Ende aber vor allem Nervenstärke, um in die Runde der letzten Acht einzuziehen. Er sei in der Schlussphase dieses Matches nervöser gewesen als in seinem Halbfinale, wird Thiem später sagen.
Viertelfinale: Schlüsselmatch gegen Albert Costa
Das Schlüsselmatch für Thomas Muster: Albert Costa wehrt sich über fünf Sätze, es sind wenige Bälle und knappe Entscheidungen, die den Ausschlag zugunsten des Linkshänders geben.
Thiem bekommt es mit einem Alexander Zverev zu tun, der von den Anstrengungen des Turnierverlaufs gezeichnet ist. Der Österreicher bleibt konzentriert, er hat aus den Fehlern 2017 gelernt, als er einem zunächst angeschlagenen Juan Martin del Potro die Rückkehr in das Match gestattete.
Halbfinale: Thiem und Muster unbeirrbar
Nach dem Costa-Match ist Muster wieder in Beast Mode. Yevgeny Kafelnikov, der ein Jahr später Nachfolger des Steirers als Titelträger in Roland Garros werden sollte, kommt nicht einmal in die Nähe eines Satzgewinnes.
Marco Cecchinato gegen Dominic Thiem schon. Gerade das Tiebreak im zweiten Akt gerät zum Drama, Thiem setzt sich schließlich mit 12:10 durch. Der dritte Satz ist Formsache.
Finale: Chang mal zwei
Michael Chang mag in Paris schon gewonnen haben, Thomas Muster signalisiert dem US-Amerikaner aber schon sehr früh: Heute wird es kein Da Capo geben. Chang versucht sich in der Offensive, Muster hat auf alles eine Antwort.
Mit Chang hat auch Thiem 2018 Berührungspunkte: Zum einen, weil der Champion von 1989 in der Box von Kei Nishikori sitzt. Aber auch, weil Changvor Thiems Abschlusstraining am Samstag mit Henri Leconte den Court 3 im Rahmen eines Legenden-Doppels bespielt hat.
Hier die Matches von Thomas Muster bei den French Open 1995
Runde | Gegner | Ergebnis |
1 | Gerard Solves (ESP) | 3:6, 6:4, 6:2, 6:1 |
2 | Cedric Pioline (FRA) | 6:1, 6:3, 6:3 |
3 | Carlos Costa (ESP) | 6:3, 7:5, 6:2 |
Achtelfinale | Andrey Medwedew (UKR) | 6:3, 6:3, 6:0 |
Viertelfinale | Albert Costa (ESP) | 6:2, 3:6, 6:7, 7:5, 6:2 |
Halbfinale | Yevgeny Kafelnikov (RUS) | 6:4, 6:0, 6:4 |
Finale | Michael Chang (USA) | 7:5, 6:2, 6:4 |
Hier die Matches von Dominic Thiem bei den French Open 2018
Runde | Gegner | Ergebnis |
1 | Ilya Ivashka (BLR) | 6:2, 6:4, 6:1 |
2 | Stefanos Tsitsipas (GRE) | 6:2, 2:6, 6:4, 6:4 |
3 | Matteo Berrettini (ITA) | 6:3, 6:7, 6:3, 6:2 |
Achtelfinale | Kei Nishikori (JPN) | 6:2, 6:0, 5:7, 6:4 |
Viertelfinale | Alexander Zverev (GER) | 6:4, 6:2, 6:1 |
Halbfinale | Marco Cecchinato (ITA) | 7:5, 7:6, 6:1 |
Finale | Rafael Nadal (ESP) |