Wenn sich am Dienstag der FC Liverpool und Paris Saint-Germain in der Champions League gegenüberstehen, hört sich das mehr nach K.o.-Runde oder gar einem vorgezogenen Finale an. Stattdessen treffen die beiden Titelfavoriten bereits in der Vorrunde aufeinander und können somit schon früh den Ernstfall erproben.
Das Duell bietet auch darüber hinaus Potenzial für Diskussionen und Analysen: Beide Klubs zählen zu den kauffreudigsten in ganz Europa, in der Transferperiode investierten sie jeweils etwa 180 Mio. Euro in neue Spieler. Auf dem Platz stehen sich nicht nur deshalb die derzeit aufregendsten Offensivreihen im Weltfußball gegenüber. Und dann wäre da noch das Duell der ehemaligen BVB-Trainer Jürgen Klopp und Thomas Tuchel. Während der eine bereits drauf und dran ist, zur Vereinslegende zu werden, muss der andere zunächst seine Vorschusslorbeeren rechtfertigen.
Tuchel muss die Stars bei Laune halten
Unter besonderer Beobachtung steht bei der Partie natürlich Thomas Tuchel. Der 45-Jährige wurde trotz dünner Vita und vereinsinternem Widerstand als Chefcoach bei PSG verpflichtet, das ausgegebene Ziel von Präsident und Tuchel-Befürworter Nasser Al-Khelaifi ist der Gewinn der Champions League. Wie Tuchel mit diesem enormen Druck umgehen will, bewies er bereits in den ersten fünf Ligaspielen, die sein Team allesamt souverän gewann.
Ohnehin ist Paris personell so gut wie sonst vielleicht kein anderer Verein aufgestellt, das Herzstück des Teams ist nach wie vor die Offensive um das Trio Neymar, Mbappé und Cavani. Kürzlich degradierte Tuchel sogar Torwart-Legende Gianluigi Buffon zur Nummer Zwei im Tor - die Konkurrenz ist schlicht zu groß. Trotzdem ist die Stimmung im Team momentan gut.
Für Tuchel wird es im weiteren Saisonverlauf deshalb besonders darauf ankommen, die teilweise exzentrischen Stars bei Laune zu halten. In der letzten Saison waren immer wieder Gerüchte an die Öffentlichkeit gedrungen, wonach es Spaltungen im Team gebe.
Damals war Paris nach unglaublichen 25 Toren in der CL-Gruppenphase bereits im Achtelfinale gegen den späteren Sieger Real Madrid ausgeschieden. Taktik-Fanatiker Tuchel wird beweisen müssen, sein Team auch gegen spielstarke Gegner richtig einstellen zu können. Der Auftakt gegen Liverpool könnte diesbezüglich schon einen ersten Fingerzeig liefern. In der Gruppe mit den weiteren Gegnern SSC Neapel und Roter Stern Belgrad ist ein Weiterkommen Pflicht.
Liverpool: Favorit wider Willen
Etwas entspannter kann Trainerkollege Jürgen Klopp in die neue Saison blicken. Obwohl Liverpool im Sommer am meisten Geld in der ohnehin schon kauffreudigen Premier League für neue Spieler ausgab, lechzt der Klub in erster Linie nach dem ersten nationalen Meistertitel seit 1990. Spätestens nach der (unglücklichen) Finalteilnahme im Mai ist allerdings klar, dass die Reds auch in der Champions League als ernstzunehmender Titelanwärter gelten. In der vergangenen Spielzeit erzielten das Sturmtrio Salah, Sané und Firmino jeweils zehn Treffer, die Problemstellen im zentralen Mittelfeld und im Tor wurden im Sommer durch Zugänge wie Naby Keita, Fabinho oder den brasilianischen Keeper Alisson behoben.
Deshalb ist zu erwarten, dass Liverpool eine noch konstantere Saison als im Vorjahr spielen kann. Auch wenn Jürgen Klopp gerne aus der Rolle des Underdogs agiert, dürfte keine Mannschaft den Fehler begehen, die Liverpooler zu unterschätzen. Besonders nicht Thomas Tuchel.