Der Name Patrick Mahomes ist inzwischen fast synonym mit dem Begriff "Highlight" zu verwenden.
Wer "Mahomes" hört, der denkt an No-Look-Pässe, an wilde Shootouts, an große Aufholjagden, an aus der Notwendigkeit heraus mit der linken Hand geworfene Bälle zum Mitspieler. An Trainingsbälle hinter dem Rücken oder kniend geworfen - oder auch an Würfe, die aus dem Stadion flogen.
Mahomes selbst sieht diese Dinge eher als Spielereien, kleine Tricks, um aus einer brenzligen Situation zu entkommen. Definieren lassen will er sein Spiel dadurch nicht. "Am meisten hat mich nach meinem ersten Jahr als Starter gestört, dass jeder nur über meinen Arm gesprochen hat", erklärte er jüngst in einem Gespräch mit der GQ, "statt darüber zu sprechen, dass ich die richtigen Entscheidungen mit dem Ball traf".
Für Mahomes, und das erklärt seinen Nachdruck hier, spielte dieser mentale Teil des Spiels einst eine zentrale Rolle bei seiner Entscheidung, seinen talentierten Arm auf das Football- und nicht, wie einst sein Vater, auf das Baseball-Feld zu führen.
Nach seiner letzten Football-Saison an der High School machten die Baseball-Teams bereits Jagd auf ihn. Mahomes erklärte Teams, dass er nur Baseball spielen würde, wenn er einen Bonus über 2,5 Millionen Dollar erhält. Diese stattliche Forderung war nicht etwa aus finanzieller Gier heraus gewachsen - vielmehr war Baseball ihm zu langweilig geworden.
Er wollte die Herausforderung, innerhalb von Sekundenbruchteilen eine Defense lesen zu müssen und zu entscheiden, wohin er den Ball hinwerfen muss. Die 2,5 Millionen Dollar hatte er, wie er Jahre später zugab, schlicht als Summe erfunden, um die MLB-Teams wieder auf Distanz zu bringen.
Mahomes' Geschichte ist die eines Spielers, der das scheinbar Unmögliche auf dem Platz möglich macht, ob in der Gesamtbetrachtung der Offense oder eben mit den einzelnen magischen Momenten. Aufgrund seines Arms, aufgrund seiner sportlichen Prägung - aber auch aufgrund der Art und Weise, wie er das Spiel fühlt und spielt.
Allzu viele Dinge lassen sich derzeit nicht mit großer Sicherheit prognostizieren, doch dieses schon: Patrick Mahomes ist das neue Gesicht der NFL. Er wird für eine sehr lange Zeit eine der prägenden Figuren dieser Liga sein. Mahomes ist sich seiner Position bestens bewusst - und er weiß ganz genau, wie er seine Stimme nutzen will.
Zum Start der neuen NFL Saison sind Mahomes' Kansas City Chiefs nicht nur der gejagte Titelverteidiger. Man muss die Chiefs abermals zum engsten Favoritenkreis zählen - und das gilt vielleicht für noch viele Jahre. Mahomes' rechter Arm wird dabei dann doch wieder eine elementare Rolle einnehmen.
"Hast Du jemals darüber nachgedacht, wie Du den Ball wirfst?"
Im Zuge einer Reportage fragte ESPN-Reporter Seth Wickersham Mahomes diese einfache Frage im Spätherbst 2018. Doch der Quarterback musste kurz überlegen, ehe er antwortete: "Nicht häufig."
Und irgendwie passt diese Antwort zu seiner ganzen Art und Weise, Football zu spielen. Mit einer Leichtigkeit, die ein Quarterback in seinem dritten Jahr in der NFL nicht haben sollte. Schon gar nicht ein Quarterback, der keineswegs als nächster Nummer-1-Pick-Superstar-Quarterback aus dem College kam.
"Er hat Dinge von außen noch nie zum Stolperstein werden lassen", brachte es Chiefs-Coach Andy Reid jüngst auf den Punkt, "und er spielt frei. Er kann seinen eigenen Stil und seine Perspektive innerhalb des Schemes beibehalten. Das ist einzigartig". Mehr noch: "Pat will mit neuen Dingen herausgefordert werden. Alles ist möglich - also will er es versuchen."
Ein Faktor hier mag sehr wohl sein, dass er zwar in mehreren Sportarten sein athletisches Talent weiterentwickelte, allerdings die inzwischen so verbreiteten Camps bis hin zu Privattrainern für junge Quarterbacks in jungen Jahren ihn nicht formten. Und wo ihm das womöglich das ein oder andere technische Defizit einbrachte, wurde er im Gegenzug dafür nie in eine Schublade gesteckt.
"Seine Fähigkeit, Plays zu kreieren, seine ganze mentale Herangehensweise an die Quarterback-Position wurde nie eingeschränkt", drückte es LaTroy Hawkins, einstiger Mitspieler seines Vaters in der MLB und Mahomes' Patenonkel, im Gespräch mit dem Bleacher Report perfekt aus.
Keiner seiner Coaches - ob Randy McFarlin und Adam Cook in der High School, Kliff Kingsbury im College oder jetzt Andy Reid bei den Chiefs - versuchte, Mahomes zu einem konventionellen Quarterback zu machen oder ihn in irgendeine vermeintliche Ideal-Schablone zu pressen. Seinen vom Baseball und dem Training mit dem Vater geprägten Release etwa zu korrigieren, oder die Wurfbewegung zu verändern.
Stattdessen kamen alle früher oder später zu einem anderen Schluss: "Gott hat nicht vielen Menschen einen solchen Arm gegeben", betont Cook noch heute.
Dessen damaliger Assistent Reno Moore verriet dem Houston Chronicle weiter: "Seine reine Armstärke war phänomenal. Er hat dich in den Wahnsinn getrieben, wenn es darum ging, mit der Beinarbeit und dem Timing exakt zu sein. Wir hatten eine Übung, bei der es darum geht, dass der Quarterback den Ball mit hohem Release wirft und ihn so über ein Netz bekommt. Als er in seinem achten Schuljahr war, diskutierten wir darüber, ob wir an seinem Release arbeiten sollen. Aber wir entschieden uns dann, ihn nicht aus der Spur zu bringen."
Irgendwann kamen die Coaches zu dem Schluss: "Er ist gut genug, um die wirklich besonderen Dinge zu zeigen."
Diese Qualität lässt Zuschauer bis heute staunen. Vor allem, weil Mahomes sie mit der von Reid angesprochenen Unbekümmertheit sowie einer Art kalkulierten Aggressivität als Passer in Reids glänzend designter Offense kombiniert. Es ist ein Grund dafür, dass Mahomes lange Third Downs auf eine Art und Weise angeht, wie man sie nur sehr selten sieht - und dafür, dass die Chiefs kaum einmal in einem Spiel aussichtslos zurückliegen.
In der Summe führte das dazu, dass er in seinem ersten Jahr als Starter als erst dritter Quarterback in der Geschichte 50 Touchdown-Pässe warf und zum MVP gewählt wurde - gefolgt vom Super-Bowl-Triumph in der vergangenen Saison. Ein Weg, den Mahomes und die Chiefs mit imposanten Aufholjagden in den Playoffs pflasterten.
All das, ohne dabei die Leichtigkeit zu verlieren, die Mahomes und die Chiefs-Offense scheinbar in jedem Spiel begleiten. McFarlin, Mahomes' erster High-School-Coach, fasste das vielleicht am treffendsten zusammen: "Er hatte die pure Freude am Spiel."
Doch trotz seines Arms, trotz des offensichtlichen Talents, trotz der Bühne, die High-School-Football in Texas bietet, blieben die großen College-Angebote aus. Einige Schulen vermuteten, dass Mahomes sich eher für eine Baseball-Karriere entscheiden könnte, andere schätzten ihn als zu unkonventionell oder womöglich auch schlicht als zu roh ein.
Der junge Quarterback passte einfach nicht so richtig in eine der Quarterback-Schubladen. In der Folge wurde er auch zu regionalen Events, bei denen sich junge Spieler vor College-Scouts empfehlen können, nicht eingeladen. "Ich wusste, wie gut er war", blickt Adam Cook noch heute zurück, "aber ich konnte ihm keine Einladungen zu diesen Events verschaffen. Es war so frustrierend".
All das gipfelte in einem Gespräch mit seinem Vater und seinem Patenonkel. Vater Pat fragte seinen Sohnemann, warum er noch am Football festhalte, wo doch sein Talent und seine sportliche Zukunft eher im Baseball liege.
Patenonkel LaTroy Hawkins ließ die Connections spielen und holte bei einem Baseball-Scout-Experten Rat ein. Dessen klare Ansage? Baseball sei für Mahomes kein großes Problem. Das komme für ihn fast natürlich. Aber wenn er wirklich eine Karriere in der NFL anstrebe, müsse er den nächsten Schritt im Baseball opfern und sich zumindest vorerst voll auf Football konzentrieren.
"Als wir ihm das sagten", blickte Hawkins im Gespräch mit der Sports Illustrated zurück, "legte er sich komplett auf Football fest".
Das änderte nichts daran, dass Mahomes nur drei College-Angebote erhielt. Alle drei kamen aus Texas. Und die Wahl fiel ihm leicht.
Coleman Patterson, der in der High School und im College gemeinsam mit Mahomes spielte, erinnerte sich noch Jahre später: "Ich weiß noch, was für große Augen er machte und wie sehr er sich darauf gefreut hat, weil sie bei Texas Tech den Ball so viel geworfen haben. Über zehn Monate bevor er tatsächlich seinen Letter of Intent unterschreiben konnte, sagte er Kingsbury und Tech zu.”
Fast 100 Touchdown-Pässe warf Mahomes in drei Jahren unter Kingsbury, bei 11.252 Passing-Yards. 2016 brach er mehrere Rekorde in einem völlig verrückten Spiel gegen Baker Mayfield und Oklahoma, als Mahomes bei einer 59:66-Niederlage in einem Spiel absurde 734 Passing-Yards auflegte.
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"Er ist nicht sonderlich groß oder definiert. Wir haben ihn ‘pummelig’ genannt", verriet Da'Leon Ward, ehemaliger Running Back bei Texas Tech, dem Bleacher Report und Teamkollege Demarcus Felton fügte hinzu: "Wir haben ihn immer deswegen aufgezogen und ihm gesagt, er solle die Cheeseburger weglassen. Er hatte immer diese komische Art, zu joggen und die ist er auch nie losgeworden. Man sieht es heute noch, wenn sie einen Touchdown erzielen und er vom Feld joggt."
Bekannt ist Mahomes auch bis heute dafür, dass er nur zu gerne auf nahezu jedes Essen Ketchup macht - ganz egal, wie teuer das Steak darunter womöglich war. Obwohl ihm das inzwischen auch Werbedeals einbrachte, ist er damit vorsichtiger geworden. Manchmal fragt seine Mutter in teuren Restaurants nach zusätzlichem Ketchup, wenn Mahomes, wohlwissend, dass er genau beobachtet wird, zögert.
Über diese Zurückhaltung kann Hawkins nur schmunzeln. Als der einst im Winter zusammen mit Vater Mahomes in Puerto Rico spielte und wohnte, wachte der zweieinhalbjährige Patrick regelmäßig inmitten der Nacht auf und hatte einen deutlichen Wunsch. "Troy! Pommes! Ich will jetzt Pommes!", rief der Junior dann lautstark, wie Hawkins der Sports Illustrated erzählte: "Er wusste, dass gegenüber ein Burger King war, der die ganze Nacht geöffnet war." Hawkins machte sich meist tatsächlich auf den Weg, holte dem kleinen Patrick seine Pommes und nachdem der aufgegessen hatte, schlief er direkt wieder ein.
Kingsbury dürfte über den einen oder anderen kulinarischen Fehltritt nur zu gerne hinweggesehen haben. Mahomes' Talent machte diese mehr als nur wett.
"Die meisten Menschen können die Dinge, die er kann, nicht. Wir müssen uns anstrengen, um die Pässe zu werfen, die er wirft. Ich habe nie gesehen, dass er sich angestrengt hätte - egal, wie weit er den Ball geworfen hat", blickte Kingsbury später zurück.
Und auch Kingsbury reihte sich ein in die Liste der Coaches, die betonen, dass sie mit Mahomes an Kleinigkeiten gearbeitet, ihn aber nie von Grund auf neu programmiert haben. Auch er habe seinen Release nicht verändert, "er hatte eine gewisse Reinheit", fuhr Kingsbury fort und schob fast beiläufig hinterher, dass Mahomes in drei Jahren bei Texas Tech keinen einzigen schlechten Wurf-Tag hatte.
"Es ist verständlich, warum die Leute denken, dass ich nur ein weiterer Air-Raid-Quarterback und nicht bereit für die NFL bin. Quarterbacks, die aus diesem System kamen, haben sich bisher in der NFL nicht gut geschlagen, das ist eine Tatsache."
Mahomes selbst hatte eine sehr realistische Sichtweise auf die Situation vor seinem Draft. Quarterbacks, die - wie er - aus der Air Raid Offense kamen, hatten den Ruf, eine simple Offense im College gespielt zu haben, die ihre Statistiken aufbläht und mögliche kritische Schwachstellen versteckt. Ein Ruf, der angesichts der modernen Ableger der Air Raid Offense längst nicht mehr gerechtfertigt ist. Und ohnehin war Mahomes nicht der typische Air-Raid-Quarterback.
Die Mischung aus seiner Athletik und Spielweise, insbesondere bezogen darauf, dass er die Pocket verlassen und ein Play jederzeit ausdehnen kann, auf der einen, sowie seiner Armstärke, spät im Down trotzdem jeden Bereich des Feldes anspielen zu können, auf der anderen Seite setzte Defenses in Kingsburys offener Passing-Offense enorm unter Druck.
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Nicht selten haben typische Air-Raid-Quarterbacks ihre Stärken eher in der Präzision und im Timing. Mahomes dagegen kreierte neue Winkel und neue Spielsituationen innerhalb eines Downs, auf die Defenses keine Antworten hatten, und konnte zusätzlich innerhalb und außerhalb der Pocket jedes offene Fenster treffen.
Dieses Paket war ein Grund dafür, dass Chiefs-Manager Brett Veach gegenüber seinem Head Coach Andy Reid den jungen Mahomes schon früh in dessen College-Karriere als "tollsten Spieler, den ich je gesehen habe" anpries.
"Ich antwortete", erinnerte sich Reid nach dem Triumph im Super Bowl im Februar, "dass das eine ziemlich gewagte Aussage ist. Aber er hat nicht aufgehört, mir seine Tapes auf den Schreibtisch zu legen, und schon bald sagte ich auch: 'Das ist der tollste Spieler, den ich je gesehen habe!' Er hat im College Würfe hingelegt wie jetzt im Super Bowl."
Nicht wenige Experten kritisierten die Chiefs in jenem 2017er Draft dafür, dass sie von Position 27 bis an 10 hoch tradeten, um sich Mahomes zu sichern. Veach und Reid waren sich aber sicher - und wurden dann dennoch überrascht.
"Wir haben uns damals gesagt: 'Schauen wir mal, was er davon auf die NFL übertragen kann - das kann unmöglich alles hier funktionieren.' Und dann kam er zu uns und es hat alles funktioniert", führte Reid weiter aus. "Und es wirkte so natürlich bei ihm. Er kann das Feld lesen, das weiß ich sehr zu schätzen, und das konnte man im College sehen. Das kann nicht jeder Quarterback, nicht so, wie er es kann. Er kommt vom Feld runter und kann dir genau sagen, was er gesehen hat. Man kann ja am Tape danach analysieren, wo er richtig und wo er falsch lag - nach einer Weile sagt man sich einfach: 'Der Junge ist unglaublich!'"
Im Verbund haben es die Chiefs geschafft, einen perfekten Sturm aufs Feld zu zaubern. Der derzeit talentierteste Quarterback der Liga, ein prall gefülltes Waffenarsenal, eine gute Offensive Line - und der aktuell wohl beste Play-Caller in der NFL.
Reid hat seine ohnehin auf das Passspiel fokussierte Philosophie um Mahomes herum noch erweitert und ihm dabei stets gewisse kreative Freiheiten eingeräumt. Der junge Quarterback zahlt es mit exzellenten Leistungen innerhalb der Struktur sowie, wenn nötig, Big Plays auf dem improvisierten Wege zurück. Mahomes findet dabei eine eindrucksvolle Balance, sodass die Highlights zwar am ehesten in Erinnerung bleiben, jedoch nur die Spitze des Eisbergs sind.
Bobby Stroupe hat schon seit Kindheitstagen mit Mahomes gearbeitet, der Personal Trainer fasste es jüngst so zusammen: "Eine der besten Qualitäten von Patrick ist es, dass er so gut darin ist, kreative Freiheiten zu nutzen. Er versucht nicht, einen anderen Spieler zu imitieren. Er spult nicht einfach bestimmte Abläufe ab. Er hat einen einzigartigen Ansatz, Probleme zu lösen - und dann bringt er eine Geschicklichkeit darin mit, die man selten sieht."
Mahomes' Kreativität auf dem Feld, gepaart mit seinem physischen Talent, macht Andy Reid und die Chiefs zur Speerspitze einer neuen NFL. Die Liga entwickelt sich zunehmend weg vom prototypischen Pocket-Passer, der das Spiel aus der Pocket als Ballverteiler lenkt und vor allem streng den Plan der Offense umsetzt. Der Weg geht bereits seit einigen Jahren weg von statischen Offenses. Mehr Bewegung führt zu mehr Variablen, um die sich die Defense kümmern muss.
Zone Reads, Run Pass Options, Motion vor und beim Snap, Plays auch spät im Down statt immer strikt nach Schedule und generell mehr Raum für kreative Freiheiten setzen Defenses auf mehreren Ebenen unter Druck und stellen Defensive Coordinator vor ganz neue Herausforderungen - wenn, und das ist letztlich der entscheidende Punkt, man den Quarterback hat, der all das umsetzen kann.
Mahomes hat in zwei historisch guten Jahren als Starter mehr als nur bewiesen, dass er all das kann. Er ist das neue Gesicht nicht nur der NFL, sondern auch der offensiven Fortschritte in der Liga. Die Chiefs machten deshalb in dieser Offseason bereits vorzeitig Nägel mit Köpfen, indem sie Mahomes den größten NFL-Vertrag aller Zeiten gaben. Für zehn Jahre mit einem durchschnittlichen Jahresgehalt in Höhe von 45 Millionen Dollar unterschrieb Mahomes. Er ist jetzt bis einschließlich 2031 an Kansas City gebunden.
Obwohl sich Mahomes in zwei Jahren an die Ligaspitze katapultierte, hat niemand in Kansas City die Anfänge vergessen. "Ich habe unheimlich viel von Alex Smith gelernt", blickte Mahomes Minuten nach dem Triumph im Super Bowl zurück auf seine Rookie-Saison. "Wie er sich auf Spiele vorbereitet hat, wie er Coverages erkannt hat - er hat nichts vor mir zurückgehalten, er hat mich unter seine Fittiche genommen. Das ist die Art Mensch, die er war und ist." Reid fügte hinzu: "Alex Smith war phänomenal. Er hat ihn in diese Welt eingeführt. Patrick könnte Alex gar nicht genug zurückgeben."
Zurückgeben ist auch ein Stichwort in eine andere, gewichtige Richtung, die Mahomes' Aufstieg zum Anführer im gesamten Liga-Kontext aufzeigen.
Als die Proteste in den USA infolge der Ermordung von George Floyd das Land wie eine Welle überrollten und großflächig rassistische Probleme anprangerten, war es keineswegs so, dass die Liga direkt klar Stellung bezogen hätte.
Im Gegenteil - das erste Statement der Liga, in dem es unter anderem hieß, dass man "die Macht unserer Plattform in den Gemeinden und als Teil der amerikanischen Gesellschaft erkannt" habe, ließ viele Menschen angesichts des Umgangs mit der ganzen Situation um Colin Kaepernick ratlos zurück.
Erst als sich ein von den Spielern, maßgeblich von Saints-Receiver Michael Thomas und einem NFL-Video-Producer, der auf eigene Faust handelte, initiiertes Video wie ein Lauffeuer verbreitete, kam die klare Positionierung. Die Spieler schafften es, Commissioner Roger Goodell zu klaren Aussagen zu bewegen - und viele externe Experten vermuteten, dass insbesondere Mahomes' Teilnahme an dem Video als das neue Gesicht der Liga das Fass zum Überlaufen und Goodell unter Zugzwang brachte.
"Ich verstehe meine Plattform", sagte Mahomes in der GQ im Frühjahr, "und ich verstehe, dass mein Teil in dem Video eine große Rolle gespielt hat”. "Ich war mitten in meinen Vertragsgesprächen mit den Chiefs, aber das war zu wichtig und es musste etwas gesagt werden. Ich konnte nicht einfach aus Sorge über meinen Vertrag abwarten. Ich musste meine Plattform nutzen. Manchmal geht es nicht um Geld oder Ruhm, sondern darum, das Richtige zu tun."
Mahomes, der als Sohn eines MLB-Profis selbst sehr behütet aufwachsen durfte, nutzte die Situation auch, um sich zu informieren und das Gespräch mit anderen Spielern zu suchen, die einen anderen Hintergrund haben und anders großgeworden sind. "Sie hatten das Gefühl, in Gefahr zu sein, auch wenn sie nichts falsch gemacht haben. Das ist bei mir wirklich hängen geblieben, weil ich auch schon ähnlich gefühlt habe, aber nicht in diesem Ausmaß."
Und so entwickelt sich Mahomes. Von einer Highlight-Maschine zum besten Quarterback der Liga und zu einem Sprachrohr für seine Generation. Und wenn man ihm dabei zuhört, wie er darüber spricht, dass das Spiel für ihn langsamer wird, wenn man bedenkt, dass er erst in sein drittes Jahr als Starter geht und seinen Erfahrungsschatz auf dem Feld noch vergrößert, dann sind die Aussichten für den Rest der NFL nicht gerade rosig.
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Reid wählt dafür gerne einen Vergleich aus der Landwirtschaft: "Als Quarterback bist du wie ein Bauer - es gibt immer etwas zu tun. Und wenn man das verinnerlicht und dabei demütig bleibt, dann kann man sich verbessern und an der Perfektion arbeiten. Ihm ist es gelungen, diese Mentalität beizubehalten."
Ein bisschen Feuer gehört allerdings auch dazu, wie Offensive Coordinator Eric Bieniemy jüngst auf einer Pressekonferenz verriet: "Pat hat bislang eine großartige Karriere hingelegt. Aber ihr kennt ihn - er ist ein wetteifernder Scheißkerl. Er ist ein toller Junge, aber er ist ein wetteifernder Scheißkerl. Er will sich in jedem Bereich verbessern, in dem er sich auch nur irgendwie verbessern kann. Er will der Beste sein und er will die Jungs anführen. Er will, dass seine Mitspieler ihn zur Rechenschaft ziehen. Aber er will auch einfach arbeiten. Genau das liebt man so daran, ihn jeden Tag um sich herum zu haben."
In Kansas City hoffen sie, dass diese Arbeit bis 2031 Früchte in Form von noch weiteren Titeln trägt. Unter allen 32 Teams in der NFL gibt es keines, bei dem diese Hoffnung so berechtigt scheint.